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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 2
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Herrmann, Wolfgang: Gesolei und Kunst
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Glaser, Curt: München - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0100

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farbige, klar begrenzte Räume geschaffen, die nur ganz We-
niges enthalten. Dieses Wenige ist übersichtlich aufgestellt,
Wichtiges vom Nebensächlichen deutlich getrennt. Vorbild-
lich dafür die Räume der Stadt Frankfurt a. M. und das Haus
Deutsch-Österreichs. Der Weg von der Jahrtausendausstellung
in Köln bis zur Gesolei bedeutet wirklich ein gutes Stück
vorwärts.

Vor allem aber gehört die moderne Wohnung in das Ge-
biet der Hygiene. Da aber die Ausstattung der modernen
Wohnhäuser Düsseldorfer Einrichtungsgeschäften zu Rekla-
mezvvecken überlassen wurde, sieht man so gut wie nichts
von wirklich modernen Versuchen. Gerade vom sozialen und
gesundheitlichen Standpunkt aus sind die Bestrebungen des
Werkbundes und des Bauhauses wichtig und hätten hier ge-
zeigt werden müssen. (Das Bauhaus richtete an anderer Stelle
ein gut gelungenes Kinderspielzimmer ein.) Besser und weit-
aus moderner in der Wirkung sind alle Räume, die noch
stärker mit der Hygiene zusammenhängen: Säuglingsheime,
Operations- und Badezimmer. Alle Gegenstände dieser Räume
sind modernes Kunstgewerbe und wären auf einer reinen
Kunstgewerbeschau nie zu sehen gewesen. Dort hätte man
auch keine Posträume und Büromöbel, keine Flugzeuge und
Eisenbahnwagen, keine Turbinen und Maschinen gesehen,
und doch gehört der Rhvthmus und die exakte Arbeit einer
Maschine, die vom Karton bis zur verpackten Kiste alles
selbständig herstellt, mindestens zum Randgebiet des Kunst-
gewerbes. Zugeben muß man allerdings, daß dort, wo reines
Kunstgewerbe ausgestellt ist, jedesmal nur klägliche Dinge
zu sehen sind. — Auffallend aber vor allem ist die Einheit-
lichkeit und hohe Qualität der Schrift und des Plakates. Hier

darf auf die Tätigkeit des Malers Smith hingewiesen wer-
den. Von ganz geringen Ausnahmen abgesehen, sind die
bildlichen und graphischen statistischen Darstellungen vor-
bildlich in ihrer Klarheit, leichten Lesbarkeit und Herausstel-
lung des Wichtigsten.

Nicht ganz so erfreulich die Architektur. Im ganzen ist
zwar das äußere Bild der Gesolei einheitlich modern — aber
das Moderne ist nicht immer gut. Allzuoft ist es wieder zu
einem reinen Formenspiel mißbraucht worden, hier und da
regt sich sogar noch der expressionistische Jugendstil. Das
gilt vor allem für die Innenräume der Kreisschen Bauten.
Auch ein Restaurant kann einfach, ohne jede ornamentale
Zutat und trotzdem vornehm und modern zugleich sein.
Wann wird aus unseren Innenräumen jede Erinnerung an
den spielerisch-snobistischen Barstil verschwinden! Was
nützt ein äußerlich ganz gut wirkender Bau, wie die neue
Kunsthalle von Kreis, wenn die Räume höchst mangelhaft
oder nur durch .künstliches Licht beleuchtet sind. Eine Aus-
nahme davon macht der Feuerwehrturm des Architekten
Freese. Zum Besten der Ausstellung gehört aber das aus
Glas, Holz und wenigen Ziegelsteinwänden hergestellte Ge-
werkschaftshaus von Max Taut. Nichts ist hier überflüssig,
keine spielerischen Formen, überall Licht und Luft. In seiner
strengen Sachlichkeit wirkt es höchst lebendig.

Manche Gebiete, in denen Kunst mit Hygiene und so-
zialer Fürsorge sich berühren, sind auf der übergroßen Aus-
stellung vernachlässigr. Das ist zu bedauern. Trotzdem aber
mag die Gesolei für die modernen Bestrebungen lehrreicher
und wichtiger sein als jede Kunstgewerbeausstellung.

Wolfgang Herrmann.

M U NCHEN — BERLIN

TT" urz nach Berlin hat auch München in diesem Sommer
ein neues Völkerkunde-Museum eröffnet. Die Raumver-
hältnisse in dem alten Galeriebau am Hofgarten, wo die
Sammlungen bisher untergebracht waren, sind in der Tat
unerträglich gewesen, viel ärger noch als in Berlin, und so
hat man Professor Schermann jetzt den Hauptteil des alten
Nationalmuseums an der Maximilianstraße überwiesen, in
dem zuletzt, bis zu ihrer Übersiedlung in den Neubau, die
Bestände des Deutschen Museums untergebracht waren. Das
Haus ist keineswegs ideal, aber die Räume sind leidlich
brauchbar, und so kommt zum ersten Male der Besitz
Münchens an völkerkundlichem Material zu guter Entfaltung.
Das Münchener Völkerkunde-Museum umfaßt im Gegensatz
zu dem Berliner sämtliche außereuropäische Kulturen, also
auch die des Islam, und es sind ihm auch aus anderen
Sammlungen Gegenstände überwiesen worden, wie der
berühmte mittelalterliche Bronzehirsch des Nationalmuseüms,
der wohl persischen Ursprungs ist, während bekanntlich
in Berlin die einzelnen Abteilungen der Museen an ihrem
Besitz festhalten, und beispielsweise chinesische Kunst an
drei und noch mehr verschiedenen Stellen studiert werden
kann.

Es ließe sich für und wider die Neuaufstellung der
ethnographischen Sammlungen in München allerlei im ein-

zelnen sagen. Ein Mißgriff sind unter allen Umständen die
starkfarbigen Wandanstriche, die von Raum zu Raum
wechselnd, das Auge beunruhigen und der Wirkung
der Ausstellungsgegenstände Abtrag tun. Auch ist die
Häufung der Objekte an einigen Stellen peinlich, wie vor
allem die Menge der abgeschlagenen Buddha-Köpfe aus
Siam, die in zwei Reihen übereinander aufgebaut sind. Iiier
wäre sicherlich weniger mehr. Einzelne Stücke in richtiger
Höhe, jedes auf einem Sockel für sich, würden stärkere
Wirkung üben, und schwächere Exemplare hätten in der
Studiensammlung ihren Platz finden können, die auch in
München eingerichtet werden soll. Auch an manchen an-
deren Stellen hätte man wohl noch stärkere Sichtung ge-
wünscht, damit die wertvollen Stücke, an denen die Münche-
ner Sammlung keineswegs arm isr, um so eindrucksvoller
sich präsentieren könnten.

Solche naheliegenden Einwendungen hat man aber bei
der Eröffnung des Münchener Museums kaum gehört. Die
Presse war einmütig in dem Lobe, das die Neuaufstellung
in vieler Beziehung auch ganz gewiß verdient. Es wurde
der Gewinn eines neuen Museums gepriesen, da das alte
diesen Namen kaum mehr verdient hatte, und es fiel auch
niemandem ein, den Leiter der Sammlungen zu tadeln,
weil er bei der Neugruppierung dem künstlerischen Ge-

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