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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 7
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Auktionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0304

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*3Sfc&H ÜKTIONSNACHRICHTEN

VERSTEIGERUNG
FRANZÖSISCHER
LITHOGRAPHIEN

Schwerin versteigert sein Kup-
ferstichkabinett. Im Anfang des
Winters begann es mit der Auflösung einer Sammlung
ungewöhnlich schöner Drucke des achtzehnten Jahrhunderts
bei Hollstein & Puppel. Mitte März wurde durch die gleiche
Firma die Sammlung französischer Lithographien zum Ver-
kauf gestellt. Andere Teile sollen folgen. Der Vorgang ist
so ungewöhnlich, daß man wohl zu der Frage berechtigt ist,
wer eigentlich die Verantwortung für diese Veräußerung
öffentlichen Eigentums trägt. Denn es handelt sich keines-
wegs um eine Privatangelegenheit des großherzoglichen Hau-
ses. Die Auseinandersetzung zwischen Fürst und Staat ist
vielmehr längst erfolgt, und der Staat verkauft eine ganze
Sammlung, die ihm zugefallen ist, er erweist sich als ein
schlechter Hüter ererbten Gutes, da er sich der Hinterlassen-
schaft kunstsinniger Regenten entäußert, die in überraschen-
der Voraussicht etwas vom Besten, das ihre Zeit hervor-
gebracht hat, in ihr kunstfremdes Land zu ziehen verstanden
hatten.

Denn es ist wahrhaft erstaunlich, eine wie gewählte und
vollständige Sammlung von französischen Lithographien der
ersten Jahrhunderthälfte in Schwerin geruht hat, und es ist
in der Tat eine Sünde, daß diese Sammlung nun in alle
Winde zerstreut worden ist. Es ist etwas Unwiederbring-
liches damit zerstört worden, da es kaum eine andere zeit-
genössische Sammlung dieses Gebietes von solchem Umfange
und solcher Qualität gibt. Es nützt auch wenig, daß einige
der wertvollsten Stücke für die Berliner Museen gerettet
wurden. Denn nicht auf das Einzelstück kam es an, son-
dern auf die Fülle des Materials, die sich hier in einer wahr-
haft überraschenden Weise offenbarte. Keine andere Epoche
hat ein so ungeheures Interesse an den Erscheinungsformen
ihres Daseins bekundet wie die Zeit nach der Revolution in
Frankreich, die den Bürger zum Herrn werden ließ. Ganze
Scharen von Künstlern standen im Dienst der neuen Auf-
gabe der Darstellung gegenwärtigen Lebens, und die neue,
leicht zu handhabende Technik der Lithographie schien ge-
rade zur rechten Stunde erfunden, um das Mittel zu bieten,
den unstillbaren Bildhunger weitester Kreise zu befriedigen.
Meister des Zeichenstiftes wie Daumier, Gavarni, Monnier
sind nur die Spitzen einer Bewegung, die von einer unge-
heuren Ausdehnung war. Und wenn man ein Bild eben

von dieser Ausdehnung gewinnen will, dann braucht man
eine Sammlung, wie die Schweriner gewesen ist.

Unbegreiflich, daß man das nicht verstanden hat, daß
diese Sammlung, die ein Ruhm des Museums hätte sein
können, in einer Auktion verschleudert wurde. Es ist nur
ein schwacher Trost, daß die Preise für die wichtigsten Stücke
sehr hoch gewesen sind, daß vor allem für die ungewöhn-
lich reichhaltige Folge der seltenen frühen Lithographien
Daumiers Summen bezahlt wurden, wie sie auf dem Pariser
Kunstmarkt noch kaum erzielt worden sind. Es wurden bis
zu 400 M für ein einzelnes Blatt bezahlt, und man darf zu-
frieden sein, daß das Berliner Kupfersrichkabinett die Ge-
legenheit benutzt hat, seine große Daumier-Sammlung zu
vervollständigen. Auch die minder seltenen Folgen, die sämt-
lich in kolorierten Exemplaren vorlagen, wurden gut be-
zahlt, am höchsten die 99 Blatt des Robert Macaire, die
1350 M brachten. Die Folgen von Gavarni wurden ebenfalls
hoch bewertet, in Anbetracht dessen, daß sie fast durchweg
nicht vollständig waren. Überraschungen brachte Monnier,
dessen Blätter in selten schönen und gut erhaltenen Exem-
plaren vorlagen. Seine SLx Quartiers de Paris brachten 510,
die Moeurs administratives 630, Jadis et aujourd'hui 660, die
Boutades 300, die Grisettes 400, die Exploitation generale
des Modes 420 M. Lami wurde ähnlich hoch bewertet, das
Panorama du Bois de Boulogne kostete 410, die Tribulations
des Gens ä Equipages 300 M.

Aber das waren nur die Höchstpreise für die wertvollsten
und beliebtesten Stücke. Im übrigen hielten sich die Preise
doch in bescheidenen Grenzen, und das Gesamtergebnis,
das erzielt wurde, stand in gar keinem Verhältnis zu der
Bedeutung der Sammlung, die nun zerstört worden ist.

Es mag bei dieser Gelegenheit vermerkt sein, daß im
Monat Januar in Paris Restbestände aus dem Besitz der Re-
daktion der „Caricature" versteigert wurden. Es gelangten
zwei vollständige Exemplare der fünf Jahrgänge der Zeit-
schrift selbst zum Ausgebot, die etwa neunzig Blätter von
Daumier enthalten. Die Preise waren 25600 und 29000 fr
Von Daumier wurden ferner ganze Folgen von Musterdrucken
für die Kolorierung versteigert, die Bons Bourgeois brachten
fr 2400, die Histoire ancienne zusammen mit den Moeurs
conjugales, den Papas und den Philanthropes du jour 3250,
87 Blätter des Robert Macaire 3000 fr. Dores Menagerie pa-
risienne kostete 850, seine Folies gauloises 750 fr, Preise,
die zu notieren darum von Wichtigkeit ist, weil sie über-
triebene Schätzungen des deutschen Marktes auf das rechte
Maß herabzusetzen geeignet sind. G.

FÜNFUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, SIEBENTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUß AM rS MÄRZ AUSGABF AM , APRIL
NEUNZEHNHUNDERTSIEBEN UNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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