Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0439
DOI issue:
Heft 11
DOI article:Neugass, Fritz: Teufel, Tiere und Dämonen: im Mittelalterlichen Chorgestühl
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MISER1K0RDIE VOM CHORGESTÜHL. MAGDEBURG, DOM. 2. HÄLFTE DES 14. JAHRHUNDERTS
TEUFEL, TIERE UND DÄMONEN
IM MITTELALTERLICHEN CHORGESTÜHL
VON
FRITZ NEUGASS
Als Gegenwelt zu der großen feierlichen Ge-
*- bärde der Heiligen an Altären und Portalen
schuf das Mittelalter an den Miserikordien und
Handknäufen der Chorstühle, an Konsolen und
Wasserspeiern ein Pandämonium grotesker Fratzen.
Die Antithese zu dem großen Bilderkreis der
christlichen Heils- und Erlösungslehre finden wir
in dem Teufelsglauben und der Dämonologie,
welche die mittelalterliche Kirche — wenn auch
nie für kanonisch erklärt — doch stets mit großer
Liebe gepflegt und ausgebildet hat. Der Klerus
machte den Satan zum wirksamen Werkzeug seiner
Politik und vermehrte sein Ansehen, so sehr er
konnte; denn stärker als die Sehnsucht nach Er-
lösung und dem Paradies und mehr noch als die
Liebe zu Gott wirkte das Grausen der Hölle und
die Furcht vor dem Teufel auf die erregten Ge-
müter. Dieser höchst bequeme Glaube an den
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TEUFEL, TIERE UND DÄMONEN
IM MITTELALTERLICHEN CHORGESTÜHL
VON
FRITZ NEUGASS
Als Gegenwelt zu der großen feierlichen Ge-
*- bärde der Heiligen an Altären und Portalen
schuf das Mittelalter an den Miserikordien und
Handknäufen der Chorstühle, an Konsolen und
Wasserspeiern ein Pandämonium grotesker Fratzen.
Die Antithese zu dem großen Bilderkreis der
christlichen Heils- und Erlösungslehre finden wir
in dem Teufelsglauben und der Dämonologie,
welche die mittelalterliche Kirche — wenn auch
nie für kanonisch erklärt — doch stets mit großer
Liebe gepflegt und ausgebildet hat. Der Klerus
machte den Satan zum wirksamen Werkzeug seiner
Politik und vermehrte sein Ansehen, so sehr er
konnte; denn stärker als die Sehnsucht nach Er-
lösung und dem Paradies und mehr noch als die
Liebe zu Gott wirkte das Grausen der Hölle und
die Furcht vor dem Teufel auf die erregten Ge-
müter. Dieser höchst bequeme Glaube an den
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