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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 11
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0465

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internationalen Ausstellung in Florenz, deren Organisation
dem Unterzeichneten anvertraut worden war. Hier galt es
nicht so sehr, auf Entdeckungen auszugehen, als vielmehr
eine Sammlung des Besten zu zeigen, was in Deutschland
auf dem Gebiete der Graphik in neuerer Zeit geschaffen
worden ist. Äußerste Beschränkung war auch hier geboten,
um die Ubersicht zu erleichtern und den Eindruck nicht
zu verwässern. Begreiflich, daß es bei dieser Absicht nicht
möglich war, die Sonderinteressen einzelner zu berücksich-
tigen. Solche Sonderinteressen werden sich gelegentlich
von Auslandsausstellungen immer ergeben, sofern in dem
Lande oder an dem Orte deutsche Künstler ansäßig sind,
die hier ein Vorrecht beanspruchen zu dürfen glauben. Aus-
landsausstellungen aber müssen immer als Angelegenheit der
gesamten deutschen Künstlerschaft und letzten Endes der
deutschen Kunst als solcher angesehen werden. Sie sollen
nicht den Interessen einzelner dienen, sondern dem Ruhme
der Gesamtheit. Noch eine andere Frage muß hier be-
rührt werden, die bei ähnlichen Gelegenheiten heftig um-
stritten zu werden pflegt, ob nämlich die Zusammensetzung
der Ausstellung dem Geschmack des Landes folgen soll, in
dem sie stattfindet. Uns scheint es, daß diese Forderung
sinnlos ist, da sie von widerkünstlerischen Voraussetzungen
ausgeht. Denn es gibt in Fragen der Kunst nur die eine
Unterscheidung zwischen Gut und Schlecht. Wer die Ver-
antwortung für eine Ausstellung übernimmt, wird daher nur
nach eigenem Urteil zu entscheiden vermögen, und er wird
mit Sicherheit fehlgehen, wenn er, anstatt auf sein Urteil
sich zu verlassen, dem Geschmack anderer nachgibt, den er
überdies gar nicht kennt. Zur Teilnahme an einem inter-
nationalen Sportturnier werden selbstverständlich nur die be-
währtesten deutschen Meister ausersehen. Es ist nicht ab-
zusehen, warum für den Wettbewerb einer internationalen
Kunstausstellung ein anderes System gelten soll, auch wenn
das Urteil über Sieg oder Niederlage innerhalb einer Kunst-
ausstellung nicht so eindeutig sein kann wie in der Sport-
arena bei einem Boxkampf oder einem Tennisturnier. Auf
die Dauer wird aber auch in der Kunst nur die Höchst-
leistung sich bewähren und durchsetzen.

Glaser.

BÖCKLIN-GEDÄC HTN I S AU S STE LLU N G
IN BASEL

Gleichsam als Auftakt zur hundertsten Wiederkehr von
Böcklins Geburtstag veranstaltete seine Vaterstadt Basel in
gewohnt großzügiger Weise eine Gedächtnisausstellung, die
in verschiedener Hinsicht mehr als erschöpfende Aufschlüsse
bot und als Manifestation einer machtvollen und proble-
matischen Persönlichkeit jedenfalls höchst imposant anmutete.
Auf schwache Geister freilich wirkte sie auch gemütsver-
wirrend. Es geht Böcklin wie einigen anderen seiner Art,
die für das geistige Format wie für die künstlerischen Schran-
ken deutscher Gedankenmalerei' — und im weiteren mo-
derner Programmatik überhaupt, denn auch die Richard Strauß
und Wagner oder Spitteier gehören hierher — charakteristisch
sind: erst hart umstritten und abgelehnt, dann von ähnlich
Gesinnten populär gefeiert, aber auch an entscheidenden
Stellen bloßgelegt, wird er kaum mehr den lauten Beifall
aller und vor allem nicht die uneingeschränkte Billigung

der wenigen erhalten können, auf die es letzten Endes an-
kommt, da ihre Stimme schließlich das Urteil der Geschichte
ist (wie die Erfahrung zeigt). In Teilen ist sein Schaffen
groß — wie in seiner Art auch das Schaffen eines anderen
Schweizers — Hodler —, der ebenfalls zu den bedeutendsten
Erscheinungen des neunzehnten Jahrhunderts zählt. Im Gan-
zen bleibt es problematisch. Darüber hilft auch der best-
gemeinte Wunschtraum nicht hinweg. Es geht hier um
mehr als um den lobenswerten Patriotismus.

Böcklins Phantasie diente zur Hauptsache nicht der naiv
unmittelbaren Anschauung, die, wie die Verhältnisse lagen
und noch heute liegen, allein für eine gesunde Entwicklung
des bildlichen Organismus bürgt, sondern dem absichtsvollen
Wollen, das mit beziehungsreichen Ausgeburten des spinti-
sierenden Gemüts belastet ist. Die Sehnsucht, Erträumtes
und Erdachtes zu gestalten, bestimmte seine Kunst, und
nicht die simple Wahrheit sinnlich erlebter Wirklichkeit, wie
es in einer individualisierten Zeit das Metier nun einmal
selber unbefangen will. Das Ziel stand höher, als das Schicksal
es zuließ. Böcklin erstrebte, recht romantisch, die absolute
Freiheit der Malerei, die Idee der Freiheit, sozusagen, die
alle Schranken einer an die Wirklichkeit gebundenen Stoffwelt
überspringt. Kein Zweifel: das ist das Letzte, Höchste, was
sich denken läßt, und Böcklin war der erste nicht, der es
ersehnte und annäherungsweise dann und wann wohl auch
beglückend gestreift hat. Man darf sich aber nicht ver-
hehlen, daß er im Kampf mit seinem Dämon auch wieder
unterlegen ist. Die Freiheit wechselt mit der Willkür, die
Natur mit Unnatur, — die Schwäche der Sehnsucht, die
Grenze des Talents wird offenbar. Die Fülle, die ach! so ver-
schiedenartig instrumentierte Stimmungsskala der Gesichte
ist unter den obwaltenden Umständen schon verdächtig. Im
tiefsten Grunde lauert der Verrar, ist Zweifel, statt (man
verzeihe mir) der kindlich frommen, naiven, religiös an-
dächtigen Weltgläubigkeit. Es geht da wirklich ums Ganze.
Daß Böcklin den letzten Gradmesser fordert, beweist die Größe
seines Wollens, das in seinem faustischen Aufwand heroisch,
urdeutsch und menschlich bewundernswürdig ist. Restloses
Gelingen blieb ihm aber — im ganzen — versagt. Ein Zwie-
spalt waltet über diesem Schaffen, der Intellekt hat die Seele
besiegt, die Gnade der letzten Erfüllung bleibt aus. Das
Schlußwort klingt in der tonschönen „Melancholie" aus, wie
in der wehen Erkenntnis: „Es war alles umsonst."

Einige Anmerkungen seien noch gestattet. Man findet
das Talent des Meisters ungetrübt mehr in Einzelzügen und
abseits in wenig umfangreichen Tafeln als in den großen
„Kanonen". Daß es — wie nicht anders möglich — von
Anfang an da ist, beweist aufs schönste die frühe „Ansicht
des Dorfes Tenniken", zu deren Besitz man der Hamburger
Kunsthalle gratulieren muß. Die glücklichste war wohl die
Zeit der Basler Fresken und unmittelbar vorher, da Böcklin
in freier Weise arabeskenhaft anmutige und heiter schöne
Werke schuf, die wie Improvisationen wirken. So der Darm-
städter „Liebesfrühling", dessen weibliche Figur wie ein vom
Geist geläuterter Renoir wirkt. Noch ausgesprochener ge-
mahnt an den großen Franzosen die „Verlassene Venus",
die nun ins Magdeburger Museum kommt. (Man soll sein
Vaterland nicht schelten und tut es doch darum!) Zum
Schönsten zählen einige Bildnisse, wie „Frau Codman" vom

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