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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 4
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Dittmann, Walter: Die Stellung der höheren Schule zur Bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0169

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KARL BLECHEN,HAVELUFER

AUSGESTELLT IN DER BILDNISSAMMLUNG

DIE STELLUNG DER HÖHEREN SCHULE ZUR BILDENDEN KUNST

VON

WALTER DITTMANN

"T\ie höhere Schule Preußens hat einen für die Lehrerschaft
wie für die Öffentlichkeit erstaunlichen Schritt getan
und in ihre neuen Lehrpläne die Betrachtung von Kunstwerken
aufgenommen. Nicht in Form von besonderen Kunstgeschichts-
stunden der Oberstufe, sondern als unentbehrliche immanente
Aufgabe aller kulturkundlichen Fächer jeder Stufe. Daß sie
im Zeichenunterricht gefordert wird, ist nicht neu; aber auch
hier fällt die stärkere Betonung der reinen Anschauung auf:
„Während die kulturkundlichen Fächer das Kunstwerk mehr
in seiner geschichtlichen und inhaltlichen Bedingtheit ver-
ständlich machen, leitet der Zeichenunterricht die Schüler
an, sich mehr in die formale Gestaltung des Kunstwerks und
die persönliche Ausdrucksweise des Künstlers zu vertiefen."
(Richtlinien S. 173.) Das Hauptmotiv der Neuerung aber ist
deutlich der Gedanke, daß eine Kulturkunde nicht gut einen
so bedeutsamen Zweig wie Bau- und Bildkunst übersehen
darf, vor allem eine Deutschkunde nicht. „Die Betrachtung
von Werken der deutschen bildenden Kunst und die Ein-
führung in Werke der deutschen Tonkunst ist für das Ver-
ständnis des deutschen Wesens unentbehrlich" (S. 56). „Auf
der Oberstufe wird es öfters möglich sein, eine Epoche der
deutschen Geistesgeschichte auch vom Standpunkte der Kunst
aus verständlich zu machen . . . Die Einheit des schöpfe-

rischen Volksgeistes muß bei solchen Betrachtungen leben-
dig gefühlt werden . . . Die Kunstbetrachtung innerhalb des
Geschichtsunterrichtes zeigt deshalb in weitgehender Arbeits-
teilung vornehmlich mit Deutsch, Religion, Zeichnen und
den Fremdsprachen an wenigen, aber charakteristischen Bei-
spielen die Eigenart und den Wandel des künstlerischen
Ausdrucks, der Lebensstimmungen und Vorstellungen der
verschiedenen Epochen. Selbstverständlich wird sie von den
Bau- und Kunstdenkmälern der engeren Heimat ausgehen."

(s. 75-76.)

Diese Begtündung der Kunstbetrachtung ist zwar einseitig,
aber gewiß an sich stichhaltig. Sowohl der natürliche Gang
der Erziehung wie die Notwendigkeit einer nationalen Er-
ziehung fordern eine besondere Auswertung der heimatlichen
Kunst, heimatlich im engeren und weiteren Sinne genommen.
In einer Deutschkunde speziell spielt sie übrigens eine be-
sonders große Rolle, weil gerade unter ihren Werken die
stärksten Zeugnisse deutscher Wesensart zu haben sind: in
der Kunst der romanischen, gotischen und spätgotischen
Zeit. Es fällt aber auf, daß über die Art der Auswertung
so gut wie nichts gesagt wird. So erscheint jene deutsch-
kundliche Begründung gefährlich einseitig. Die künstlerischen
Dinge werden bei einer solchen Einstellung nicht um ihrer

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