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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0168

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alles gleich lebensvoll umgreift und dessen eigener steter
Widerpart in seiner Überwindung, seiner Entspannung bald
wie ein vor sich hingeträllertes Volkslied, bald wie eine fast
heroische Verherrlichung von Himmel, Land und der ganzen
Gottesnatur aussieht.

Da ist das Bild der Tänzerin Argentina. Ein echter Slevogt!
Sichtlich folgt die malerische Expansionsfreude dem schönen
Spiel der gespannten und sich wieder entspannenden Muskeln.
Slevogt liebte es von je, Tänzerinnen zu malen. Dieser gewich-
tige Mann erscheint wie in seinemTemperament gefangen, wie
eine große Tigerkatze, die mit wuchtigen und doch geschmeidig
sicheren Tatzen den ihr zugeteilten Käfigraum abmißt.

Als der Impressionismus sich vor fünfzehn bis zwanzig
Jahren in seinem Ausdruck verflachte, als man nur noch
eine Handschrift ohne Inhalt zu sehen bekam, als etwas
Neues, so etwas wie Cezanne-Realisierung in der Luft zu
liegen schien, konstatierte ich, daß der Impressionismus eine
schöne Sache sei, daß man es aber anscheinend nicht mehr
dürfe. Als man darauf in Paris und in Berlin impressio-
nistische Bilder nur so herunterfluschte, als die Idee, die
ihn geboren hatte, starb und, wie ein Schmetterling vor dem
Tode, noch schnell unendlich viele Eier legte, als man eine

neue Wirklichkeit entdeckte, die heute wie ein launenhaftes
Reaktiönchen auf die Augenblickskamera des Impressionis-
mus wirkt und in abstrakten Verewigungs- und Beruhigungs-
tendenzen, in vielerlei Stilen und Stilchen anflutete und ab-
ebbte, da „durfte" Slevogt immer noch. Und er darf heute
noch, weil er sich eines Ausdrucksmittels bedient, hinter dem
Gefühl und Spannung gleich stark geblieben sind, weil er
damit Wälder malt, die wie wirkliches Waldesdunkel um-
fangen, und weit gewölbte Wiesen, auf denen man am
schattigen Abhang liegen möchte.

Im Cafe du Dome gab es einen Maler, der oft unver-
mittelt, mit einem Blick gegen den Pariser Himmel, auf-
sprang und davoneilend den erstaunten Gesichtern zurief:
„Meine Wolken kommen gleich." Bereit sein ist alles: das
ist nicht nur des Fakirs, sondern auch des Impressionisten
Devise. Viele Male schleppte Slevogt wie ein Sisyphos
seine angefangenen Bilder bergauf und kam nicht zum
Weitermalen, weil die gewollte Färbung des Himmels, irgend
ein Wolkenschatten, den er einmal gesehen, der ihm Erleb-
nis geworden war, nicht kam. Er beneidet den fanatisch
methodisch disziplinierten Cezanne, der an seinen Himmeln
immer weitermalen konnte.

GOTTFRIED SCHADOW, ZUHÖRER IN DER KIRCHE. ZEICHNUNG

AUSGESTELLT IN DER BILDNISSAMMLUNG

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