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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 7
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Zucker, Paul: Welt von oben
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0280

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VOGELPERSPEKTIVE VON CHAUX. NACH C. N. LEDOUX. 1803

TYPISCHER VERSUCH, EINE STADT ÜBERSICHTLICH ALS GANZES DARZUSTELLEN. ABB. I

WELT VON OBEN

VON

PAUL ZUCKER

I

Jede Generation glaubt es zu erleben, beinahe
jede dokumentiert es auch durch die Kunst-
werke, die sie hervorbringt: daß sie die Welt neu
sieht, daß sie andere Augen hat als ihre Väter.
Aber immer war diese Veränderung der Sicht, der
„Weltanschauung" ein Subjektives, im Bezirk der
Kunst Geborenes und von dorther weiter wirken-
des Moment. Nur einmal in der Geschichte der
Menschheit war plötzlich wirklich eine reale, ob-
jektiv neue Möglichkeit da, Welt zu sehen: eine
wahrhaft neue „Einsicht". Und wir können, wie
die Soldaten Napoleons, sagen, wir sind dabei ge-

wesen:

Fliegen: fast schon eine Trivialität, nicht mehr
als die Möglichkeit, eine andere Stadt in noch
kürzerer Zeit zu erreichen. Und doch waren der

erste Menschenflug, die ersten Flugapparate wohl
das stärkste überpersönliche Jugenderlebnis der Ge-
neration, die heute zwischen dreißig und vierzig
steht. So bleibt uns, gerade noch uns, ein Rest
jenes Staunens und jenes Gefühls des Nichtselbst-
verständlichen, das nun einmal notwendige Vor-
aussetzung betrachtenden Erlebens ist.

Uberwindung von Raum und Zeit, von Schwere
und Weg, derentwegen Menschenflug immer er-
sehnt wurde, kann erlebt und erfahren, niemals
aber unmittelbar gefühlsmäßig, sinnlich erfaßt wer-
den. Wohl aber die neue Sicht, das neue Bild der
Welt!

Wir haben wirklich anders sehen gelernt. Wir
haben wirklich in zehn Jahren eine neue Dimen-
sion erobert! Uns allen, nicht nur jenen wenigen,

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