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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 3
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Dreyfus, Albert: Ein Besuch bei Aristide Maillol
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0107

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EIN BESUCH BEI ARISTIDE MAILLOL

V O N

ALBERT DREYFUS

ARISTIDE MAILLOL
PHOTOGRAPHIE

r~\ie überragende Stellung Maillols in der zeitgenössischen Plastik ist be-
-*-^kannt und oft begründet worden. Man weiß, daß er ein echter Nach-
komme, kein Nachahmer der Griechen ist. Seine Kunst ist eine Erneuerung
des griechischen Formerlebnisses, kein Abschreiben des schon Gestalteten,
kein Aufsagen auswendig gelernter Regeln. Maillol schafft aus einer den Grie-
chen ähnlichen inneren Verfassung heraus; ihrer Sophrosyne entspricht sein
Sinn für Maß, sein Bedürfnis nach Klarheit und Fülle der Form, seine grand-
seigneurhafte äußere Ruhe bei unverminderter innerer Spannung.

Es reizte mich, die Kenntnis der Kunstwerke durch die des Künstlers zu
ergänzen, und an einem Maitag pilgerte ich hinaus nach Marly-le-Roi, dem
Sommersitz Maillols bei Paris. Erst vor kurzem war er dorthin von Banyuls
nahe der spanischen Grenze, woher er stammt und wo er den Winter ver-
bringt, übersiedelt.

Zurückgezogen und doch nicht weit entfernt von einer Ansammlung vieler
Menschen und Dinge lebt Maillol in seinem Garten zu Marly, unter dem zart-
farbigen Himmel der Ile-de-France, im Anblick einer Hügellandschaft, deren
edle Linien und weiche gesättigte Tonharmonien ihn wohl nach Griechenland
versetzen können.

Ein großer schlanker aufrechter Mann, dem man nicht seine fünfund-
sechzig Jahre, überhaupt nicht so leicht ein Alter gäbe, die Hände lässig in

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