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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 6
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Glaser, Curt: Besuch bei Munch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0227

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BESUCH BEI MÜNCH

VON

CURT GLASER

V^s geht von Münch die Sage, er nenne min-
J destens ein halbes Dutzend Häuser in Nor-
wegen sein eigen. Münch pflegt, wenn die Rede
darauf kommt, sehr eifrig zu widersprechen, ihm
gehöre weder das Haus in Kragerö noch das
Haus in Moß, die er vor Jahren zur Miete be-
wohnte. Aber man versteht, wie die Legende sich
bildete, da Münch jede Umgebung, in der er lebt,
so sehr nach 'seinem Willen umformt, daß man
glauben muß, sie gehöre ihm zu eigen.

Dieses Wort darf nicht so verstanden werden,
als habe Münch ganz besonders ausgeprägte Be-
dürfnisse und stelle ganz bestimmte Forderungen
an seine Behausung. Münch ist im Gegenteil an

Anmerkung der Redakrion: Während dieses ge-
schrieben wird, bereitet das Kronprinzenpalais eine um-
fassende Ausstellung von Bildern Münchs vor. Dieser Ver-
anstaltung soll das, was Curt Glaser geschrieben hat, als Einfüh-
rung dienen.

sich der bedürfnisloseste Mensch, und er hat im
Grunde nur eine einzige Forderung: in seiner Ar-
beit ungestört zu sein. Weil er keinen fremden
Menschen in seiner nächsten Umgebung verträgt,
hatte er nach und nach alle Bewohner eines allein-
stehenden Hauses in Moß ausgemietet, und aus
demselben Grunde kaufte er, als er nach Oslo über-
siedelte, eine Villa, die mitten in einem sehr großen
Garten steht, eine der schönsten Besitzungen in
einem Außenviertel der Stadt, hochgelegen, mit
weiter Aussicht über den Fjord.

Die Einsamkeit, die er braucht, ist der größte
Luxus, den Münch sich gestattet, aber sie bedeu-
tet ihm zugleich ein mönchisches Dasein, denn er
entsagt um der Ruhe seiner Arbeit willen allem,
was andere Menschen brauchen, um in Stunden
der Muße Entspannung zu finden. Er lebt für
nichts als für seine Arbeit, und er umgibt sich

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