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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 2
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Waldmann, Emil: Aus dem Tagebuch einer Mittelmeerfahrt im Frühling 1626, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0083

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und der funfschiffigen Basilika, noch von den Bau-
ten unter Heraklius sowie den durch den Perser-
brand unter Cosroes II. nötig gewordenen Neu-
bauten findet sich irgend etwas. Die ältesten, heute
sichtbaren Teile stammen aus der Kreuzfahrerzeit,
spätromanisch mit starkem arabischen Einschlag.
Uber den beiden Spitzbogentoren drastische nor-
mannische Passionsreliefs am Türsturz. Die Kreuz-
fahrerbasilika ward im achtzehnten Jahrhundert
durch Griechen und Armenier umgestaltet. Ins
Mittelschiff setzten sie einen hohen kuppelge-
schmückten Rundbau auf sehr schmaler Basis. Die
Achsen bewegen sich ebenso hin und her und
gegeneinander, wie die Angehörigen der fünf ver-
schiedenen, natürlich mitein ander verfeindeten christ-
lichen Sekten, die jahrzehntelang um den Besitz
einer halben Treppe, eines Säulenstumpfes oder
einer silbernen Kirchenlampe streiten. Von der
Decke der Kirche fällt der Putz herunter. Den
Armeniern gehört die Decke, aber der Fußboden
gehört den Griechisch-Katholischen, und die er-
lauben den Armeniern nicht, die Decke restaurie-
ren zu lassen; dazu müßten sie das Außere der
Kuppel betreten, und diese Außenschale (die innere
nicht) gehört wieder den Griechisch-Katholischcn.
Als vor einiger Zeit ein neu angestellter armeni-
scher Tempeldiener über die (unsichtbare) Grenz-
linie zwischen dem armenischen und dem ortho-

doxen Areal des Tempelfußbodens hinaus fegte,
hat ihn der Orthodoxe kurzerhand niedergestochen.
Im Tempel.

Da die christliche Kirche oder die christlichen
Kirchen, deren Bekenntnisverschiedenheiten nur ein
paar Theologen vertraut sind, so wenig Ehrfurcht
vor den historischen Stätten bewiesen, ist es ein Glück,
daß eine der ehrwürdigsten Stellen in Jerusalem,
da wo Herodes und Salomos Tempel stand, auch
dem Islam heilig ist: von diesem Felsen ritt Mo-
hammed auf seinem Wunderpferde Bulak in den
Himmel. Die Erinnerungsstätte an dieses Wunder,
die Aksa-Moschee, enthält heute noch unversehrte
Teile der justinianischen Kirche, der Islam hat sie
nicht zerstört, sondern nur benutzt. Und der große
eingefriedete Platz, wo die drei Moscheen stehen,
„Haram-el-Scherif" atmet Größe und Frieden. In
der Mitte, über Mohammeds Himmelfahrtsfelsen,
an der Stelle des alten Salomonischen Tempels
vielleicht, ragt, mit seiner Kuppel das Stadtbild
beherrschend, der Felsendom auf, eine der schön-
sten mohammedanischen Kirchen überhaupt, innen
von mystischer Pracht, nicht raumhell wie die
Hagia Sofia, sondern geheimnisvoll wie die Mar-
kuskirche. An den Seiten des Platzes, außer dem
zierlichen Kettendom, begleiten die Brunnenhäuser
und kuppelgekrönten Grabbauten und die Koran-
schulen die Architektur des Haupthauses taktvoll

VOR DEN MAUERN JERUSALEMS

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