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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Landsberger, Franz: Schlesische Malerei und Plastik des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0096

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MADONNA AUS ZOBTEN A. BERGE

Madonna aus Berlin hinzuziehen können. Zwar ist sie, eine
Stiftung des Prager Erzbischofs, offenbar ein Importwerk, aber
ihre Qualität gibt den Schlüssel, warum die schlesische Ma-

lerei seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts den An-
schluß an Böhmen suchte. Eine ganze Anzahl von Tafel-
bildern beweist, daß die Malerei mit der Plastik jener schle-
sisch-böhmischen Epoche parallel läuft.

Im fünfzehnten Jahrhundert wird die Konkordanz mit
Böhmen durch die tschechische Hussitenbewegung gestört;
dagegen scheinen sich jetzt die österreichischen Beziehungen
stärker zu knüpfen und von Deutschland her wird die frän-
kische, aber auch die schwäbische Malerei befragt. Aus sol-
chen vielfachen Quellen speist sich das Hauptwerk jener
Zeit, der Barbaraaltar von 1447, und ist darum schwerlich ein
von Franken geliefertes Werk, sondern eher von einem in
Breslau wirkenden Meister geschaffen"'. Die damals in kräf-
tigster Blüte stehende Stadt vermochte mit ihren reichen
Handelsverbindungen auch die künstlerischen Fäden nach
Westen und Osten zu spinnen.

Die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts zeigt in
der Malerei ein Nachlassen der Kräfte. Das kleine Ver-
kündigungsepitaph aus der Bernhardinkirche oder der bei
einer gewissen provinziellen Ungelenkheit doch groß emp-
fundene und schönfarbige Passionsaltar aus Guhrau vom
Jahre 1 512 sind doch mehr als Ausnahmen zu werten. Die
Plastik hingegen, in deutscher Kunst ja nicht selten aus
kräftigeren Impulsen geboren als die Malerei, offenbart auch
weiterhin frisches Leben. Merkwürdig, daß man ein Haupt-
werk wie den Marienaltar der Elisabethkirche nicht in die
Ausstellung verbracht hat. Auch in den Museen hat man
das eine oder andere Stück an Ort und Stelle belassen, hier
aber aus dem guten Grunde, um sie den auswärtigen Be-
suchern nicht allzu kahl erscheinen zu lassen.

Von dem Stoszschen Marienaltar in Krakau weht inhalt-
lich die Darstellung des Marientodes herüber, hier in einem
Schnitzaltar aus der Corpus-Christikirche und in einem aus der
Schweidnitzer Pfarrkirche vertreten. Künstlerisch näher noch
steht Veit Stosz die ergreifende Klagegruppe: Maria, von
Johannes gestützt, Fragment einer im übrigen verlorenen
Kreuzigungsdarstellung. Das schöne Madonnenthema findet
einen Nachklang in jener aus Zobten stammenden, in ur-
sprünglicher Fassung erhaltenen Holzmadonna, die zu den reiz-
vollsten Entdeckungen dieser sehr verdienstlichen Ausstellung
gehört. Franz Landsberger.

* Die nähere Begründung dieser Ansicht gab ich in dem Sammel-
bande: Die Kunst in Schlesien. Berlin, Deutscher Kunstverlag 1925.

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