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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 3
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Fechheimer, Hedwig: Eine Ägyptische Tierstatue aus der Ersten Dynastie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0112

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Im übrigen ist das Bildwerk vortrefflich erhalten;
und wenn der Kundige auch sofort die Herkunft
der Skulptur und ihren sehr archaischen Charakter
feststellt, so ist es doch von großem Wert, daß
eine am Sockel eingemeißelte Namensinschrift ihre
Entstehungszeit genauer angibt: die altertümlichen
Schriftzeichen bilden den Namen des ägyptischen
Königs Narmer. Es bleibt heute noch ungewiß,
ob dieser Herrscher der unmittelbare Vorgänger
des Königs Menes — dem die Überlieferung die
Gründung der Stadt Memphis zuschreibt —, ob
er dessen Nachfolger, oder ob sein Name ein
zweiter Name des Menes selbst ist. Indessen ent-
stammt das Bildwerk auf alle Fälle dem Beginn
der ersten ägyptischen Dynastie, mag man dieses
Ereignis nach der Chronologie Ed. Meyers um
3400 v. Chr. oder nach der neueren Festlegung
durch L. Borchardt um 4200 v. Chr. ansetzen.

Die neuentdeckte Thotstatue ist die bisher älteste
inschriftlich beglaubigte Steinfigur der ägyptischen
Kunst — wohl der Skulptur überhaupt; und ihre
historische Bezeichnung ist um so wichtiger für
unsere Einsicht in die Frühkunst der Ägypter, als
bereits zwei andere Werke mit dem Namen des
Narmer bekannt sind: die bedeutsame Reliefkom-
position auf einer Schieferplatte im Museum zu
Kairo und ein reliefierter Keulenknauf, vermutlich
eine Weihgabe, im Ashmolean-Museum in Oxford.

Die Pavianfigur ist eine Bildhauerarbeit von
seltener Strenge des Entwurfs und bildmäßiger
Vollkommenheit. Groß und bestimmt sind die
Formen dem Block entmeißelt, deutlich umrissen,
doch nicht unterschnitten, abgelöst oder ins ein-
zelne modelliert. Der Blick des Beschauers — ein
Formganzes aus mächtig vordrängenden, doch kan-
tig aneinanderstoßenden Flächen umfassend —
trifft gewissermaßen überall auf den ursprüng-
lichen Steinwürfel. Rein ägyptisch ist die zwin-
gende Übertragung des lebendigen Tieres. Es
bleibt kein toter Rest zwischen der naturgegebenen

STEINFIGUR DES GOTTES THOT. RÜCKENANSICHT

Haltung, den Proportionen, dem Lebensausdruck
des hockenden Pavians und der plastischen Ein-
dringlichkeit des schön geformten Blockes, in den
er hineingebildet wurde; Gestalt und Werkstoff
durchdringen sich völlig. Es galt, für den Kult
die notwendige Statue zu meißeln; und es wurde
eine elementare Bildaufgabe gelöst, die Vision des
Tiergottes im tektonischen Körper verwirklicht.

Für ein Werk der ägyptischen Frühzeit ist das
Massige des Bildganzen bezeichnend, der dichtere
Aufbau bei allem lebendigen Fließen der Form,
die Beschränkung auf das schlechthin Unentbehr-
liche an Einzelheiten, kurz: die Bindung der Form-
vorstellungen in dem plastischen Elementarerlebnis
des Volumens.

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