Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Troendle, Hugo: Die Tradition im Werke Degas
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0267

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE TRADITION IM WERKE DEGAS'

VON

HUGO TROENDLE

TTeute, wo bei Vielen, vielleicht den Besten,
eine ausgesprochene Sehnsucht nach Tradition,
nach solidem Handwerk in der Malerei besteht,
und wo andererseits manche, aus Angst eklektisch,
allzu abhängig von Vorbildern zu werden, es be-
wußt ablehnen, sich mit der Vergangenheit in-
tensiv zu beschäftigen, dürfte es lohnen, einen der
Größten der neueren Malerei auf seine Herkunft
von den Vorbildern, von den Meistern, näher zu
betrachten.

Degas fußt mehr als seine Zeitgenossen in der
Tradition, hat mehr Verbindung mit seinen Vor-
gängern und heute mutet er uns vielleicht leben-
diger, unmittelbarer und selbständiger an als seine
Kameraden. Keiner ist weniger Eklektiker als er,
er ist der Bewahrer aller großen Eigenschaften
der französischen Malerei, aller Erkenntnisse, Er-
fahrungen und dabei sieht sein Werk oft auf den
ersten Blick wie improvisiert aus, wie mühelos

und spielend entstanden, naiv gemacht, so daß
ein Einblick in die Werkstatt dieses Meisters über-
raschend und interessant ist.

In seiner Anfangszeit hat Degas viel kopiert
nach alten Meistern und merkwürdigerweise nach
den verschiedensten in ihren Absichten ganz ent-
gegengesetzten Künstlern. Es gibt Kopien von
ihm nach Holbein, Poussin, Lawrence und Ingres.
Alle sind sie meisterhaft und ganz selbständig;
sie interpretieren das Original in einer für uns
sehr verständlichen, zeitgemäßen, ich möchte sagen
modernen Sprache. Das Original wird uns näher
gebracht, verlebendigt, ist knapper, kürzer gefaßt
und das Wesentliche, bald die Zeichnung, bald die
große farbige Gesamtwirkung gehoben und geist-
reich nacherlebt. Diese Kopien von Degas sind von
unerhörtem Reiz und große Kunstwerke für sich.
Wir sehen einen Meister eindringen in die Ge-
heimnisse anderer Meister, er macht sie für sich

243
 
Annotationen