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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 7
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Troendle, Hugo: Die Tradition im Werke Degas
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0271

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nie draußen gemalt. Es gibt nur ganz wenige
Zeichnungen von ihm, die er bei Pferderennen
skizzierte. Die scharfe Beobachtung, Erinnerung
und Vorstellung waren sein Studium im Freien.

Durch sein intensives Beobachten und Sehen
fand Degas Kühnheiten des Ausschnittes und der
Komposition, die uns völlig neu erscheinen. Man-
ches dabei mag er auch den Japanern abgelauscht
haben; doch ist dieser Einfluß bei ihm mehr äußer-
licher Art.

Bei Interieurs mit Figuren, wo die Raumtiefe
eine Rolle spielt, konstruierte Degas den Raum
mit der Reißschiene nach den Regeln der Per-
spektive, wie ein Architekt einen Prospekt kon-
struiert, ganz genau und dahinein setzte oder
stellte er unendlich frei und lebendig seine Tän-
zerinnen. Bei der Übermalung verschwand diese
Konstruktion bis auf feine Linien, die aber dem
Gemälde eine große Raumweite und Festigkeit
geben.

Die einfachsten Vorgänge auf seinen Bildern
baute er auf wie ehemals ein klassisches Bild auf-
gebaut wurde, das Skelett seiner Werke ist nur
schwer sichtbar, aber es gibt ihnen eine Größe
und Haltung, worin er die meisten seiner Kame-
raden übertrifft; obwohl er seine Stoffe aus dem
täglichen, modernen Leben nahm, erreichte er eine
Zeitlosigkeit, die man bis dahin in Verbindung
mit den Darstellungen aus dem Leben der Balle-
teusen und des Rennsportes nicht für möglich hielt.

Wir sehen, Degas gebrauchte die Hilfsmittel
der alten Schule, er hat in seinen Werken viel
von den Alten genommen, hat die große Tradi-
tion noch einmal für sich erlebt, hat dadurch^ an
Kühnheit und Freiheit nichts eingebüßt, er ist
von größter Selbständigkeit und Unabhängigkeit
und hat durch die Kenntnis der Mittel der Alten
seinen Werken eine große geistige Vertiefung ver-
liehen, hat ihnen eine Abgeschlossenheit und Ruhe
gegeben, die wir als klassisch empfinden.

EDGAR DEGAS, BADENDE. ZEICHNUNG

MIT ERLAUBNIS DER D. D. A. (GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN)

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