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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 8
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Glaser, Curt: Das Cézanne-Buch Joachim Gasquets, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0314

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Es ist interessant, zu erfahren, wie Cezanne die
Kunst Manets schätzte. Er beneidete ihn um das
Glück, das ihm der Anschluß an eine lebendige
Tradition gegeben hatte:

„Und sich sagen zu müssen, daß all dies Ex-
perimentieren umsonst ist . . . Ich sterbe ohne
Schüler... Ich bin fast am Ziel, ich habe Anschluß
an die große Strömung gefunden .. . Und niemand
da, um mich fortzusetzen. Ach, wenn ich, ich
einen Lehrer gehabt hätte! Man wird niemals er-
messen können, was Manet alles Couture ver-
dankt ..."

Cezanne bewunderte Manet, aber er war sich
auch ganz klar bewußt, daß er nicht bei dem
stehen bleiben durfte, was Manet erreicht hatte;
alle Bewunderung hinderte ihn nicht, das Ziel
seiner eigenen Kunst nochmals höher zu stecken.

„In seiner Menschenscheu und Schüchternheit
kam Cezanne nur selten mit Manet zusammen;
aber er verehrte ihn aus der Ferne, wenn er ihm
auch hier und da vorwarf, manchmal in der
Manie für das Stück sich zu sehr haben gehen
zu lassen, daß er das Museum der Natur vorge-
zogen habe, und daß er im Grunde genommen
arm an farbigen Sensationen sei. Aber die Olympia
bewunderte er ohne allen Vorbehalt. Er brachte
mir eines Tages eine große Photographie davon
mit. ,Da, tun Sie sich das irgendwohin, auf Ihren
Arbeitstisch, das muß man immer vor Augen
haben ... Seitdem haben wir eine neue Malerei.
Mit diesem Werk beginnt unsere Wiedergeburt.
Es gibt eine bildhafte Wahrheit der Dinge. Dieses
Rosa und dieses Weiß führen uns auf einem neuen
Wege zu ihr, von dem unsere Sinne bis dahin
nichts wußten. Sie werden sehen, daß es so ist.'
Er sprach auch mit großer Erregung von dem
Bild ,Nach Schluß der Oper', das er mit Solari in
Manets Atelier gesehen hatte. ,Das Heroische des
modernen Lebens', wie Baudelaire es nannte, stellte
er damals dar. Manet hat etwas davon; aber, fügte
er hinzu, es ist noch nicht ganz das Richtige. Ich
sehe die Sache größer."

Wesentlich sind auch Cezannes Äußerungen
über die anderen Maler des Kreises der Impressio-
nisten. Er schätzt vor allem Monet sehr hoch.
„Renoir ist außerordentlich geschickt. Pissarro ist
ein Bauer. Renoir war Porzellanmaler, wissen Sie,
und davon ist ihm bei all seinem ungeheuren
Talent etwas Perlmutterartiges haften geblieben.

Aber was hat er bei alledem für stupende Sachen
gemacht! Allerdings liebe ich seine Landschaften
nicht besonders. Er sieht die Natur wattig...
Sisley?... Na ja. Aber Monet! Monet ist das ge-
borene Malerauge, er ist das wunderbarste Auge,
seit es Malerei auf der Welt gab. Ich ziehe den
Hut vor ihm. Courbet hatte das fertige Bild im
Auge. Monet hat ihn in seiner Jugend, wissen Sie,
da unten am Kanal besucht. Sehen Sie, ein grüner
Fleck genügt, um uns eine ganze Landschaft vor
die Augen zu bringen, ebenso wie ein Fleischton uns
ein Gesicht, ein ganzes menschliches Gesicht über-
mitteln kann, woraus folgt, daß wir vielleicht alle
von Pissarro abstammen. Er hat das Glück gehabt,
auf den Antillen geboren zu sein, da hat er zeich-
nen gelernt, ohne Lehrer. Er hat mir das alles

erzählt..... Die ,Klippen' von Monet werden

als wunderbare Serie bestehen bleiben und noch
hundert andere Bilder von ihm. Wenn ich denke,
daß man seinen ,Sommer' im Salon zurückge-
wiesen hat! Die ganze Jury zusammen ist eine
Schweinerei. Er kommt ins Louvre, das werden
Sie sehen, neben Constable und Turner. Donner-
wetter, er ist noch weit größer. Er hat die Irisie-
rung der Erde gemalt. Er hat das Wasser gemalt...
Ach, wenn Sie sehen würden, wie er malt! Er
allein hat das Auge, die Hände, die imstande sind,
einen Sonnenuntergang mit allen seinen Durch-
sichtigkeiten festzuhalten, und jede Nuance sofort
herauszubekommen, ohne auch nur einen Strich
auf seinem Bilde zu ändern. Und dann ist er ein
vornehmer Herr, der sich die Heuschober kaufen
kann, die ihm gefallen. Irgendein Stückchen Feld
sagt ihm zu, flugs kauft er sichs. Mit einem großen
Kerl von einem Bedienten und Hunden, die auf
Wache stehen müssen, damit er nicht gestört wird.
Das müßte ich auch können. Und Schüler haben.
Eine impressionistische Tradition schaffen, ihr
Wesentliches ein für allemal festlegen! Eine Schule ?
Nein, nein, eine Tradition. Poussin auf die Natur
übertragen. (Träumerisch:) Wissen Sie, ich kann
nur sehr langsam arbeiten. Die Natur gibt sich
mir sehr kompliziert, und unaufhörlich hat man
Fortschritte zu machen. Das Louvre ist ein gutes
Lehrbuch, ich habe es fleißig studiert, aber es darf
nur der Vermittler sein. Das wahre fruchtbare
Lehrbuch, von dem man sich nie lossagen darf,
ist die Mannigfaltigkeit des Naturschauspiels."

(Fortsetzung folgt.)

Z90
 
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