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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 8
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Preetorius, Emil: Thomas Theodor Heine: eine Festrede zum 60. Geburtstag des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0316

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TH. TU. HEINE, ILLUSTRATION AUS DEM SIMPLIZISSIMUS

ler, weil sein Welterleben Witz, sondern weil seine
formende Kraft eminent ist; aber ebenso gewiß
wächst seinem bildnerischen Vermögen, wächst der
Schärfe seines Auges die seines Kopfes hinzu. —
Und wir fassen gerade in diesem Punkt mit Heine
als einem Beispiel, das so bedeutend ist wie kenn-
zeichnend, etwas vom Wesen aller deutschen Kunst:
dieser deutschen Kunst mit ihrem nicht nur sinn-
lichen, sondern auch geistigen Gestaltungsdrange,
dieser deutschen Kunst, für welche nicht so sehr die
Darstellung an sich als der Sinn dieser Darstellung
das eigentliche Ziel ist, ein Sinn, der mehr be-
deutet als das bloße Thema. Die darum aber allem
Illustrativen nahe steht als Verdeutlichung der Idee
des Dargestellten, ja gewissermaßen als seiner Moral!
Die in dieser merkwürdigen Verquickung von Ge-
sehenem und Gedachtem, von Sinnen- und Geist-
haftem, von Nähe und Abstraktheit ihre eigent-
liche Besonderheit und darum ihren wahrsten Aus-

druck hat in der Zeichnung, nicht in der Malerei
— wobei wir freilich nicht vergessen, daß und
wieviel deutsche Maler es auch gibt! — Und ganz
gewiß lebt von diesem Deutschen viel in der groß-
artigen Zeitspiegelung Heines, die den Geist des
Simplizissimus geschaffen hat, dem einzigen Witz-
blatt von Weltrang und Weltgeltung heute wie
vor dreißig Jahren. In dieser Zeitsatire, die durch
die Vehemenz ihrer Negation so positiv gewirkt
hat, so aufrüttelnd, so weckend, ist etwas von
der bizarren Kraft, dem Zeichenhaften, der Ge-
sichtenfülle, der nicht so sehr von außen ange-
schauten als von innen vorgestellten Welt, dem
Geist- und Geisterhaften unserer großen Holz-
schnittkunst, dieser Quintessenz alles deutschen Bild-
nertums! Wir sehen als ein paar Beispiele seine
fetten und hageren, milden und tückischen Teufels-
gestaltungen, wir sehen seine beklemmenden Figu-
ren des Geizes, des Hungers, der Pleite, der Krank-

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