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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 10
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Auktionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0430

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mag die Tatfrage nicht zu entscheiden, und die Grenze zwi-
schen minderen eigenen Schöpfungen des Meisters und offen-
kundigen Nachahmungen, die es sicherlich in nicht geringer
Zahl gibt, bleibt fließend.

Es ist bedauerlich, daß sich keiner der Zeitgenossen, die
das Atelier Daumiers aus eigenem Augenschein kannten, der
Mühe eines authentischen Verzeichnisses unterzogen hat.
Nun ist es dafür wohl zu spät, und die Stilkritik wird die
Echtheitsfrage nach ihren Methoden zu entscheiden haben.
Aber auch in deren Interesse wäre eine möglichst umfas-

sende Materialsammlung sehr erwünscht, schon darum, weil
weiterer Verwirrung, die durch das Auftauchen neuer Fäl-
schungen gestiftet wird, Einhalt getan werden könnte. Das
Buch Klossowskys gibt immer noch den besten Anhalt, weil
es für viele Bilder wenigstens einen terminus ante der Ent-
stehung bietet. Aber es genügt den Ansprüchen nicht mehr.
Die Arbeit muß einmal getan werden. Es ist nur die Frage,
wer dazu berufen ist. Es müßte sie ein Kenner unternehmen,
der genügende Autorität auf dem Gebiete hat, um seinem
Urteil Geltung zu verschaffen. —r.

VOM BERLINER KUNSTMARKT

Die Firma Paul Cassirer vereinigte in der zweiten Mai-
hälfte noch einmal das kunstinteressierte Publikum in ihren
Räumen zur Versteigerung dreier Sammlungen, deren Verlauf
trotz des kurz voraufgegangenen Kurssturzes der Börse im
ganzen ein ausgezeichneter gewesen ist. Unter den neueren
Gemälden entstammten die wertvollsten dem Nachlaß Paul
Cassirers. Ein Frühwerk Cezannes, ein kleiner Männerkopf
wurde für 8300 Mark zugeschlagen. Ein kleines Bild von
Van Gogh mit Erdarbeitern nach Millet brachte 14500,
eine Rohrfederzeichnung des Meisters, den Friedhof in Arles
darstellend, 4700 Mark. Eine kleine Landschaft von Renoir
erzielte 11 500 Mark. Auch frühe Studien Liebermanns wurden
hoch bewertet, eine Waschküche von 1877 mit 8000, ein
Interieur von 1890 mit 4300 Mark.

Das Hauptinteresse konzentrierte sich aber auf die Samm-
lung Walter Bondy, die Kunstwerke ostasiatischer Herkunft,
und zwar vor allem chinesische Frühkeramik und Porzellan
enthielt. Man mußte dem Verkauf dieser Sammlung mit einiger
Spannung entgegensehen, da sie ein Prüfstein war für die
Kennerschaft und die Aufnahmefähigkeit des Berliner Publi-
kums auf diesem besonderen Gebiete. Der Erfolg war über-
raschend, nicht nur durch die im allgemeinen hohen Preise,
sondern vor allem durch die Lebhaftigkeit der Beteiligung, die
den Beweis dafür erbrachte, daß der Kreis der ernsthaften
Liebhaber chinesischer Kunst in Berlin ein schon recht statt-
licher geworden ist. Es war eine kurzsichtige Politik, wenn
versucht wurde, die Polizei zum Einschreiten gegen diese
Auktion zu veranlassen unter dem Vorwande, daß es sich
nicht um eine Privatsammlung, sondern um Händlerware
handle. Die gesetzliche Bestimmung, auf die der Einspruch
sich gründete, ist selbst angreifbar genug. Die Versteigerung
einer wertvollen Sammlung im Hause Cassirer zu verbieten,
weil Bondy im Nebenberuf Kunsthändler ist, wäre sehr töricht
gewesen, und die Polizei handelte durchaus vernünftig, als sie
über die Denunziationen zur Tagesordnung überging.

Der Kampf der Antiquitätenhändler gegen die Kunst-
auktionen geht übrigens auf anderem Gebiete noch weiter.
Augenblicklich richten sich die Proteste gegen die üblichen
sonntäglichen Vorbesichtigungen, in denen der freie Handel
einen unlauteren Wettbewerb erkennen will. Auch hierin
scheinen uns die Kunsthändler fehlzugehen, indem sie gegen
ihre eigenen Interessen kämpfen. Denn viele Liebhaber,
die an Wochentagen kaum Zeit haben, sich mit Kunst zu
beschäftigen, werden durch die Möglichkeit der sonntäglichen
Besichtigungen angelockt, die gelegentlich überdies zu kleinen
gesellschaftlichen Ereignissen werden.

Aus der Auktion Bondy selbst seien nur ein paar Preise
notiert, um das allgemeine Niveau zu charakterisieren. Unter
den Grabbeigaben der T'ang-Zeit war das Hauptstück ein
großes Kamel, das den außerordentlich hohen Preis von
5350 Mark erzielte, fast ebensoviel brachte eine besonders
reizvolle Gruppe dreier Tänzerinnen, Pferde der üblichen Art
brachten 1550 und 1800, zwei Wachgottheiten 1500 Mark.
Für die Gefäßkeramik der Sung-Zeit zeigte sich ebenfalls
starkes Interesse. Das Hauptstück, eine ungewöhnlich große
und vollkommene Temmoku-Schale stieg bis auf 4000 Mark,
ein ähnliches Stück von der üblichen Größe kostete 1150, die
in neuerer Zeit ziemlich zahlreich aufgetauchten Schalen mit
ornamentalem Dekor in Blumenform brachten im Durchschnitt
300 bis 500 Mark. Unter den Schalen vom Ying Ch'ing-Typus
erzielte das beste Stück 1100 Mark, etwa ebensoviel kosteten
die Hauptstücke unter dem T'ing Yao. In der Gruppe des
K'ang-hzi-Porzellans ragte die farbig dekorierte Figur einer
Frau mit einem Fächer in der Hand hervor, die um 5 100 Mark
in eine bekannte Berliner Privatsammlung überging. Ihr nahe
stand eine männliche Figur, deren Preis 4400 Mark betrug.
Eine weiß glasierte sitzende Kuangin kostete 3200, ein
schöner Lohan in Biskuit-Porzellan 1900 Mark. Ein Ingwer-
topf mit dem üblichen Blauweiß-Dekor in vorzüglicher
Qualität brachte 1700, zwei zierliche Weinbecher der Fa-
milie verte 1600 Mark. Der Gesamterlös für die Sammlung
betrug etwa 160000 Mark.

Wie stark das Interesse für ostasiatische Kunst in Berlin
gewachsen ist, zeigte sich nochmals, als kurz nach der Auk-
tion Bondy in der Bellevuestraße Otto Burchard seine neue
China-Handlung eröffnete. Es gab eine Ausstellung zu be-
wundern, wie sie nicht leicht noch einmal geboten wird. In
einem Räume waren altchinesische Bronzen zu sehen, dar-
unter einige Stücke von höchster Qualität, in einem anderen
chinesische Großplastik in Stein und Holz, daneben kera-
mische Erzeugnisse der frühen Epochen, Porzellane und Sam-
mete, endlich eine Reihe skythischer Altertümer, auf die
heute das besondere Interesse der Wissenschaft wie der
Sammlerwelt gelenkt ist.

Mit diesem neuen Geschäft besitzt Berlin eine Kunst-
handlung von internationalem Rang. Wie man hört, wird
auch die alte Firma Glenk ihre Räume demnächst in die
Gegend um den Kemperplatz verlegen. Die Sammler können
bei diesem Wettbewerbe nur gewinnen, und die Konzentra-
tion des deutschen Kunsthandels an dieser einen Stelle muß
wiederum zu seiner Stärkung beitragen.

•r.

FÜNFUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ZEHNTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 18. JUNI, AUSGABE AM 1. JULI NEUN-
ZEHNHUNDERTSIEBENUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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