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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 11
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Neugass, Fritz: Teufel, Tiere und Dämonen: im Mittelalterlichen Chorgestühl
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0449

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nur im Chor und beim Gebet werden die Mönche
vom Teufel überrascht, auch auf ihren nächtlichen
Irrfahrten, wenn sie in ihrer Kutte vermummt
mit einer Laterne in der Hand sich den Weg
zur Erfüllung ihrer Wünsche suchen, erschreckt
sie ein geflügelter Teufel und peinigt sie mit
Zangen, wie uns dies der vortreffliche Wangen-
aufsatz des Gestühls im Münster zu Alt-Breisach
zeigt.*

Unmittelbar von der Bühne der Fastnachts-
spiele herab sprang der närrische Teufel, der mit
der Schellenkappe und weltlicher Kleidung in gro-
tesken Verschlingungen auf einer Trennungswand
des Kappenberger Gestühls herumtanzt. Er ist
schon ganz besessen von jener weltlichen Gier,
der alles Heilige fremd und nur die Sinnenfreude
bekannt ist.

Ahnlich im Vorwurf, jedoch viel origineller
in seiner Erfindung ist ein Pultwangenaufsatz am
gleichen Gestühl, wo ein Mann im Kampf mit
einem Drachen liegt. Er hat den langen Schwanz
dieses Ungeheuers über seine Schultern gezogen
und sucht es daran aufzuheben.

Die Ausgeglichenheit der Komposition, wie
die Physiognomik des erschreckten Teufels ist von
meisterlicher Charakteristik; der symbolische Sinn

* Fr. Neugaß: Das Chorgestühl im Münster zu Alt-Brei-
sach. Ztschr. f. oberrhein. Kunst. Jahrg. II, 1927, Heft 1—2,
Tafel 20, Abb. 3.

ist auch hier, wie so oft, der Kampf des Guten
mit dem Bösen. Neben dem Humor, der Lebens-
lust und Ausgelassenheit tritt in diesen Szenen noch
die Neigung zu Spott, Hohn, Satire und Parodie
besonders stark hervor.

Die höchste Vollendung spätmittelalterlicher
Ausdruckskunst und meisterlicher Beherrschung
des stofflichen, wie geistigen Inhalts jenes Pan-
dämonismus zeigt uns der Teufel vom Chorgestühl
der St. Nikolaikirche in Kalkar, der mit gefletsch-
ten Zähnen und zottigem Bart, mit seinen stieren
Augen und weitem Maul mehr einem chimären
Ungeheuer als einem Menschen gleicht. Die ver-
beulten Bocksbeine, der löwenhafte Leib, das
zweite Antlitz, das mit spitzen Satyrohren aus
seiner Schulter dringt, und nicht zuletzt die Hörner-
krone verleihen ihm ein unheimlich lebendiges
Aussehen, das ebenso grauenerregend wirkt, wie
die gleichzeitigen und späteren Literaturdenkmale,
die in der Reformation das Erbe der bildenden
Kunst angetreten haben. So muß der Teufel dem
Dr. Luther erschienen sein, als er ihm das Tinten-
faß nachgeworfen oder als er die teufelbesessenen
Verse geschrieben hat:

Groß' Macht und List

Sein grausam Rüstzeug ist,

Auf Erd' ist nicht seines Gleichen . . .

Und wenn die Welt voll Teufel wär

Und wollt uns gar verschlingen.

ALT-BREISACH. MÜNSTER. DETAIL VOM CHORGESTÜHL
 
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