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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Schmidt, Paul F.: Adolf Schrödter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0496

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zenzeichnen beschränkte. Sein Hauptwerk dieser
Zeit ist das lithographierte „Herbarium ornatum",
in dem er deutsche Flora als Vorlagewerk ver-
öffendichte: realistische Nachbildung von Pflanzen
mit symbolischer Verkörperung durch Mädchen-
gestalten, ohne sonderlichen Zusammenhang. So
steht zum Beispiel neben dem Gänseblümchen eine
kleine Hirtin mit ihren beliebten Martinsvögeln.
Sein schöpferisches Vermögen scheint nicht mehr
zur ornamentalen Verkoppelung gelangt zu haben.

Aber dies ist eine Alterserscheinung: daß
Schrödter zum Lehrer der Ornamentik berufen
wurde, wirkt als Bestätigung seiner wesentlichen
Qualitäten. Was in seinen besten Arbeiten, wie
der „Bauernkirmes", dem „Triumphzug des Königs
Wein" und den vier Getränken lebendig fort-
wirkt, ist die Verbindung der deutschen Arabesken-
tradition mit einem Humor, der dem Märker an-
geboren war und seine spezifische Richtung auf
das Feuchtfröhliche im Rheinland erhielt. Sie lebt
auch in seinen sonstigen Radierungen, in seiner
Gebrauchsgraphik und den gelegentlichen Zeich-
nungen und Aquarellen, in denen er einen inten-
siven Sinn für das Groteske der Menschenerschei-
nung mit fröhlicher Lebensauffassung paarte und
durch vortreffliche Ornamentierung zum Ganzen
zusammenband. Beide Elemente wußte er vorzüg-
lich zu vereinen: die figürliche Darstellung, Men-
schentypen verwegener oder alltäglicher Herkunft
mit all ihren zufallhaften Charakteristiken und mit
einer glänzenden Kraft der Situationskomik, und
die Arabesken von fülliger Zeichnung, von wohl-
organisierter Raumausnutzung. Darin ist er allen
Gleichzeitigen,' und nicht zum wenigsten Neu-
reuther, überlegen. Gegenüber dessen Willkür in
der Raumverteilung wirkt Schrödter immer ge-
ordnet und darum phantasievoller und höchst wohl-
tuend. Das Gleichgewicht zwischen Rankenum-
rahmung und figürlich-darstellerischer Füllung ist

bei ihm fast im gleichen Grade vorhanden wie
bei Dürer und den Kleinmeistern; nur daß er, dem
Verlangen der Zeit nach Inhaltlichkeit entsprechend,
die Gestalten nicht dem dekorativen Zwecke unter-
ordnet, wie jene Alten, sondern in ihrer Tätigkeit
kräftig hervorhebt und dazu noch in das Arabes-
kentum eine lebendige Note bringt, indem er es
naturalisiert und mit dem vorherrschenden Distel-
motiv in unmittelbare Relation zur deutschen Pflan-
zenwelt setzt. So gewinnt er ein Doppeltes, neben
der stets ausgezeichneten Raumfüllung: daß das
Ornament neues Leben bekommt durch Beziehung
auf ein jedermann bekanntes Pflanzliches und daß
seine Blätter nicht kunstgewerblich und vorlagen-
mäßig wirken, sondern die moralische Kraft selb-
ständiger Darstellungen behalten.

Daß er durchweg eine optimistische Lebens-
auffassung verkörpert, können wir ihm unmöglich
verübeln. Probleme rührt Schrödter nirgends an;
das war der Kunst seiner Zeit nicht gegeben. Daß
er uns nur auf die Lichtseiten des Daseins weist,
auf heitersten Lebensgenuß, auf Wein, Weib und
Gesang und auf harmlose Verulkung menschlicher
Schwächen, gehört zu der oberflächlichen Liebens-
würdigkeit, die nicht nur rheinische Lebensfreude
zu seiner Zeit charakterisiert, sondern ein unver-
äußerliches Erbteil unseres Daseins ist. Kunst kann
nicht immer nur formale Probleme wälzen. In
unserer nicht sehr heiteren Gegenwart hat sie sich
wiederum den Tatsächlichkeiten zugewendet; nur
eben nicht den erfreulichen. Schrödter, dem es in
Düsseldorf und sonst am Rhein sehr wohl in sei-
ner Haut war, und der die Geschichtsschreibung
des Malkastens in ulkigem Chronikenstil begonnen
hat, durfte uns die rosigen Seiten des Lebens dar-
stellen. Wir wollen ihm dafür Dank wissen und
ihn nicht eben unter die Bahnbrechenden stellen,
aber wohl unter die ernsthaften Künstler des,
immerhin existenzfähigen, Humors.

unter

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