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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0499

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sie immer durch Kunst, fast nie durch Natur betrachtet
und gewonnen wird. Von den ausgestellten Werken sind
drei Viertel und mehr künstlerisch nicht instruktiv. Sie
haben nur den Zweck, zu zeigen: so wird heute in der
Tschechoslowakei, in Spanien, in Belgien und sonstwo gemalt
und modelliert. Worauf sich eigentlich nur sagen läßt, was
man auch zur Zeit Antons von Werner sagen durfte: na,
wenn schon! Das Publikum (die Ausstellung ist gut besucht),
das unmöglich die Gelassenheit im Umgang mit Kunstwerken
haben kann, wie der routinierte Kunstfreund, nimmt das,
was ihm geboten wird jedoch leicht für bare Münze und
hält das Vorhandene für bedeutend, nur weil es da ist. Vor
mancher Bildergruppe konnte man junge Menschen be-
obachten, wie sie sich gewaltsam in Überzeugungen hinein-
diskutierten, wovon das Herz nichts wußte; man sah einzelne
Gestalten mit strengem Gesicht vor einem Bild, einer Plastik
stehen, als sagten sie zu sich selbst: was denk ich nur, was
denk ich nur! Es ist in der Ausstellung nichts, was die un-
selige Gefühlsverlogenheit, womit die europäische Jugend
sich heute zur Verzweiflung bringt, korrigiert. In Dresden
war es im vorigen Jahr doch anders; es war alles groß-
zügiger und übersichtlicher. Und es war wirklich alles da,
was zur europäischen Kunst der Gegenwart gehört, also
auch die ältere Generation. Zum Vergleich war zudem eine
glänzende Sammlung von Bildern der großen Franzosen vor-
handen. In Hamburg hat man nur Cezanne berücksichtigt
und Renoir eine Wand gegeben: Bilder, die selbst dann
unzulänglich sind, wenn nur der späte Renoir gezeigt wer-
den sollte. Vieles Vorhandene gehört seit langem zum Be-
stand Berliner Kunsthandlungen. Hodler und Münch sind nur
eben vertreten, Picasso dagegen ist stark betont. Von deut-
schen Künstlern sind in vielen Fällen keineswegs die besten
Werke gewählt. Hinzu kommt, daß nur stellenweis wir-
kungsvoll gehängt ist. Die Veranstalter haben es sich fast un-
möglich gemacht, weil sie die Wände der hohen Säle (mit
weißen Decken) mit einem fast weißen Stoff bespannt
haben, auf dem eigentlich kein Bild recht steht und der es
zur Gruppenwirkung nicht kommen läßt. Der gute Wille ist
überall erkennbar, doch es ist leider kein klar organisierender
Wille. Paul de Lagarde hat einmal hübsch gesagt, Individuali-

täten sollten wirken wie Institutionen, Institutionen sollten
wirken wie Persönlichkeiten. Der Hamburger Kunstverein,
der eine Institution ist, wirkt in diesem Fall nicht wie eine
Persönlichkeit. Man spürt das nicht durchaus segensreiche
Walten des Lokalgeistes.

Diesen nimmt man vor allem in dem Saal wahr, wo
Hamburger Künstler versammelt sind. Typisch für sie ist, daß
sie nahezu alle zur Gattung der „ängstlichen Talente" ge-
hören, obwohl sie sich bemühen, europäisch zu malen. Sie
wirken unsinnlich. Und das in einer Stadt, die zu den schön-
sten Städten Europas gehört, wo man Dinge sieht, daß man
den Malern nur immer zurufen möchte: wo habt ihr eure
Augen! Man „geniert" sich in Hamburg. Zum Wesen der
starken, sinnlichen, naiven Kunst aber gehört die schöne
Schamlosigkeit. Karl Scheffler.

HAMB URG
Bei Commeter stellte der Hamburger Maler Singer Jugend-
arbeiten aus. Sein entschiedenes Talent verdient einen Hin-
weis. Seine seltene Geschicklichkeit könnte freilich leicht
mißleitet werden, wenn der junge Künstler nicht in eine
Umwelt kommt, wo er Vergleichsmöglichkeiten hat und wo
die höchsten Ansprüche gestellt werden. Auch dieses Talent
kann im Lichte des oben gegebenen Berichtes über die
Kunstvereins-Ausstellung gesehen werden. Hoffentlich wird
ihm Gelegenheit, seine hoffnungsvollen aber ungewiß noch
balancierenden Gaben in einer künstlerisch wohltätigen Um-
gebung zu entfalten. K. Sch.

BERLIN

Das staatliche Kupferstichkabinett hat das nahezu voll-
ständige radierte Oeuvre Max Liebermanns, das es in sehr
schönen Drucken besitzt, in einer vorbildlich klaren und
wirkungsvollen Weise ausgestellt. Damit schließt sich der
Kreis der Liebermannaustellungen aufs schönste.

WINTERTE! UR
Das im vorigen Heft abgebildete schöne Mutter-Bildnis
Thomas ist in die Sammlung Oskar Reinhart übergegangen.

Otto Ackermann wird in diesen Tagen sechzig Jahre
alt. Er hat über Kunst kein Wort in deutscher Sprache öffent-
lich geschrieben, ist nie propagierend oder polemisierend her-
vorgetreten, und hat doch, nur durch sein Dasein, durch seine
passionierten Gespräche über Kunst, in den letzten zwanzig
Jahren einen unwägbaren aber entschiedenen Einfluß ausge-
übt. Will man vergleichen, so mag man an Bayersdorffer
denken. Ackermann gehört eigentlich in's aristokratische acht-
zehnte Jahrhundert, er ist einer jener wesentlichen Menschen,
die aus ihrem Leben (im Sinne Wilhelm Meisters) ein Kunst-
werk zu machen streben und die so garnicht in den modernen
Betrieb hineinpassen wollen. Er gehört zu jenen wenigen
besten Kennern der modernen Kunst, die nur einem kleinen
Kreis bekannt sind, die mittelbar aber sehr merklich Wir-
kungen ausüben. Der schöne stetige Enthusiasmus, die gründ-

liche Kennerschaft, die Reinheit der Gesinnung, verdienen,
wenn sich eine Gelegenheit darbietet, lebendigen Hinweis.
Darum sei Otto Ackermanns sechzigstem Geburtstage hier
mit einem Worte des Dankes für sein der Kunst gewidmetes
Leben gedacht. K. Sch.

Fritz Rumpf ist im einundsiebzigsten Lebensjahre in
Potsdam gestorben. Er entstammte einer alten Frankfurter
Malerfamilie, nahm in Berlin dann rege Teil am modernen
Kunstleben und wirkte in Potsdam vorbildlich als Kenner
und Erhalter des alten Stadtbildes. Seine Bilder und Wand-
malereien nehmen nicht einen besonderen Rang ein, zeigen
aber stets eine charaktervolle Haltung. Am lebendigsten hat
seine menschliche Gegenwart in einem Kreise Gleichgesinnter
gewirkt. Er hätte verdient, in Potsdam Ehrenbürger zu werden.

K. Sch.

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