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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0508

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Fritz Stahl: Weg zur Kunst. Mit n Vierfarben-
tafeln und 189 Autotypien. 1927. Rudolf Mosse, Buchverlag.

Der Autor hat sichs mit Kunst und Schreiben über Kunst
nie leicht gemacht und darum durfte sich an seiner charakter-
vollen Art, die ihn nicht immer sofort und unbedingt zu-
stimmen ließ, mancher stoßen. Denn Stahl hielt sich nie
für den Portier, der jedem neuen Ankömmling oder jeder
Gruppe mit gleicher Freudigkeit die Tür zu öffnen hätte.
Wen er einließ, der mußte sich ihm schon als ehrlich aus-
weisen. Legitimation: Handwerk. Sein Kritikeramt ließ
ihn schon vor dreißig Jahren nach Sachlichkeit fragen. An
einem modernen Stuhl mit gedrechselten Traillen in der
Lehne sah ich ihn einmal, den „Künstler" neckisch an-
blinzelnd, Staub wischen. Er ließ sich durch kein Programm,
durch keine Richtung aus seiner Position locken. Solid sein
hieß für ihn, Boden unter den Füßen haben. So hat er
manches festgehalten, was jetzt wiederkam, manches vor-
überschweben lassen, was erst später zum Boden zurück-
fand. Verantwortungsgefühl ließ ihn den Posten, der ihm
in der Öffentlichkeit zugefallen war, noch auf andere Weise
als mit seiner immer geschickten, zu Streit und Anerkennung
gleich bereiten Feder wahrnehmen. Er wurde auch mit dem
Wort ein feiner Führer: seine Wanderungen vor den
Originalen der Berliner Museen brachten große Teile des
modisch hin und her schwankenden Publikums zur Besinnung,
die ihm sonst vor lauter Lesen, Herumhören und Reisen ab-
handen gekommen war. In allen reichen Erfahrungen, die
er bietet, spricht immer wieder die eine Erkenntnis mit:
Kunst auf der Basis des Handwerks. Dies war sein Evan-
gelium. Darum hat er manchem Flieger, manchem Umweg-
führer Gefolgschaft verweigert.

Ein größeres Publikum, als den Kreis seiner bisherigen
Leser und Hörer leitet er jetzt mit reichsten Erfahrungen
auf den „Weg zur Kunst". In manchem wird man anderer
Meinung sein, in allem aber die Gabe herausfühlen, das
Wesentliche aufzuspüren, die schöner oder gar unverstan-
dener Schlagworte entraten kann. Es tut wohl, auf jeder Seite
fast diese ewig und einzig anständige, jetzt neue Sachlichkeit
wieder zu treffen: daß Zeit und Gesinnung und Material das
Kunstwerk bedingen, mehr als der Künstler, daß Kunst „ge-
schieht" und nicht gemacht wird, daß es nicht auf die neue
Technik, sondern auf die Leistungsfähigkeit mit ihr ankommt.
Gern folgt man den Analysen eines im Umgang mit redlichen
Arbeitern geschulten Urteils, dessen Ehrfurcht vor der Form
wie vor einem Naturgeschehen etwas Vorbildliches hat.

Bei der Wahl der 200 (!) Abbildungen waltete besonders
die Neigung, die kostbaren Originale der Berliner, weiten
Kreisen unbekannten Sammlungen sprechen zu lassen. Man
ist angenehm getroffen von der Bevorzugung dieser und jener
bestmöglichen Ansicht einer Architektur oder Plastik.

So hält uns das Buch in Atem bis zum Schlußwort, „die
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts ist keine Fortsetzung
der alten". Aus der jüngeren Generation, der niemand
Mangel an Selbstbewußtsein vorwerfen wird, hört man fried-
lichere Töne: „Es gibt keine alte und keine neuere Kunst".
Ihr Prozeß mit Stahl bleibt unentschieden, bis er uns den
versprochenen „Weg zur neueren Kunst" geführt haben
wird. Unsere Achtung hatte er immer, nun hat er unsere
Neugier zu wecken verstanden. Oskar Fischel.

Ernst Michalski, Joseph Christian. Ein Beitrag
zum Begriff des deutschen Rokokos. Schlüter & Co., Leipzig.

Der Untertitel des Buches kennzeichnet Einstellung und
Ziel des Verfassers: er begnügt sich nicht mit einer Bio-
graphie seines Künstlers nebst Aufzählung und Analyse der
Werke, auch nicht mit der Einordnung in den allgemein-
historischen und lokalhistorischen Zusammenhang, sondern
er sucht darüber hinaus, rein begrifflich, das Problem des
deutschen Rokoko zu lösen. — Ausgehend von den ge-
sicherten Hauptwerken Christians — der Bildhauerarbeit an
den Chorgestühlen von Zwiefalten und Ottobeuren —, kommt
Michalski durch Stilvergleichung und Archivstudium zu einer
Reihe von überzeugenden, neuen Zuschreibungen, darunter
auch von Steinbildwerken (Portalplastik in Zwiefalten). Er
untersucht weiter das Verhältnis Christians zu seinem Mit-
arbeiter, dem Stukkateur Johann Michael Feichtmayr und
behandelt zum Schluß in kurzer Übersicht die Schüler und
Nachfolger Christians. — Bei der Analyse der Bildwerke
zeigt der Verfasser viel einfühlendes Verständnis und treffende
Sicherheit im sprachlichen Ausdruck. Doch mehr als das
ist der weite Blick hervorzuheben, mit dem er an jedes
Problem herantritt, die hartnäckige Gründlichkeit, mit der er
es von verschiedensten Seiten her beleuchtet. So wenn er
den Reliefstil Christians, der hinter einer vorderen Ebene
in flächenhafter Zonenaufteilung die Tiefe gibt, nicht nur
mit der objektiven Bühne des Giovanni da Bologna vergleicht,
sondern auch mit dem Relief der klassischen Antike, mit dem
des Barock, schließlich mit der illusionistischen Deckenmalerei
des achtzehnten Jahrhunderts. Wenn er Christians Art zu
komponieren, das „Überspinnen der Fläche mit einem orna-
mentalen Formennetz", in dem Bäume, Felsen und Wolken
als Ausdrucksträger gleichwertig neben der menschlichen Ge-
stalt stehen, in scharfen Gegensatz stellt zu dem Reliefstil
des Georg Raph. Donner, wenn er Parallelen findet zu dem
Manierismus des Tintoretto und Greco, besonders aber zu
Magnasco usw. — Im Laufe dieser Untersuchungen kommt
er zu der Auffassung, daß das deutsche Rokoko — obwohl
formengeschichtlich eine letzte Übersteigerung des Barock —
doch nicht nur ein Anhängsel oder Ausläufer dieses Stils
ist, sondern daß es eine grundsätzlich neue und entgegen-
gesetzte ästhetische Einstellung erkennen läßt. Seiner
Definition nach liegt die Bedeutung des Rokoko darin,
„überschäumende Phantastik der Formgebung mit strengem
Gefühl für die ästhetische Grenze zu vereinigen". Die
immer gewahrte „Distanz zum Beschauer", der „Unwirklich-
keitsakzent", der jeder Darstellung des Rokoko anhaftet,
entrückt diese gleichsam auf eine ideale Bühne, wogegen der
Barock — „unter Aufhebung der ästhetischen Grenze" —
das Kunstwerk in den Realitätsraum übergreifen läßt. —
Dieser, wie mir scheint, neue und fruchtbare Gesichtspunkt
der ästhetischen Idealität des Rokoko liegt doch wohl be-
gründet in dem Willen zur dekorativen Einheit des Gesamt-
kunstwerkes, so daß sich Michalskis Auffassung wenigstens
berührt mit der Definition des Spätbarock von Rose. —

H. Marchand.

Anselm Feuerbach, Aus unbekannten Skizzen-
büchern der Jugend, herausgegeben von Kurt Gersten-
berg. Verlag R. Piper & Co., München 1925.

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