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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0068

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Sammlungen und Ausstellungen.

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gehender behandelu, jedvch anch die romanischcn
Schulen nicht uiibcriicklichligl lassen, wcrden dvr allcin
dcnjenigen nianche Stunde reizvollen Kiinstgcnusses
bereiten, welche sich mit liebevvller Hingabc in die Be-
trachtung eines Kunstwerkes zu vertiesen gewohnt sind.

Von gleich hvhein Werte sowohl fiir den Kimstler
als für den Geschichtsmann nnd den Kunsthistoriker
ist, wenn auch nach verschiedenen Richtungen hin, das
Allgcmcine historische Porträtwerk der Mün-
chener Verlagsanstalt fiir Kunst und Wissen-
schaft (vormals Friedrich Bruckmann), welchcs unter
der bewährten und gediegenen Leitung von Wolde-
m ar von Seidlitz uns bercits eiu volles Hundert
nieist hochintercsianter und seltener Blätter, die Bild-
nisie bcriihniter Fürsten und Päpste, gebracht hat, vor-
ziigliche Phototypicn nach den besten gleichzeitigen
Originalen, welchc bis in das 14. Jahrhundert zurück-
reichen und deutschen wie außerdeutschen Kupfcrstich-
sanimlungeu entnvinmen wurden. Die Verschiedeuheit
in der Manier der einzelnen Stiche, sowie in der je-
weilig dominirenden Auffaffung ist für den Maler und
Kunsthistoriker von hohem Jnteresie, während für den
cigentlichcn Histvriker mehr das psychologische Moment
in deu Vordergrund tritt und ihm des Anziehenden
und Fesielnden in Hülle und Fülle cntgegenbringt.
Dem Gesagten mbgen Blätter zum Belege dienen wie
van Leydens Maximilian I., Wierx' Philipp II. vvn
Spanien, Olivers Elisabeth von England, de Sil-
vestre's August der Starke, de Leu's Katharina von
Medici, Boze's Marie Antoinette, Tofanelli's Napo-
leon I., von Bodmers Ludwig I. von Bayern und
Jagemanns Herzog Karl August, mit dem wir den
fürstlichen Reigen beschließen.

Sanimlungen und Ausstellungen.

j j Österrcichischer Kunstvercin. Es ist seit langer Zeit
in den Nusstellungen dieses Vereins Gepflogenheit. daß beim
Mangel an guten neuen Bildern bedeutendere Werke aus
Galerien oder Privatsaminlungen entlehnt iverden, um dem
Publikuin künstlerischcn Genuß und Anregung zu verschasfen.
Auch diesmal bildet eine Neihe hervorrägender Bilder aus
der Saniinlung des Herrn Leon Mandel und aus dein Leip-
ziger Museum die Hauptanziehungskraft der Ausstellung.
Dazu gesellen sich einige ältere Makarts, Piloty's „Märtyrerin
in der Arena", gute Genrebilder von der Elite der Mün-
chener Malergilde: also genug ves Sehenswerten, um auch
ein Quantum leichterer Ware init in den Kauf zu nehmen.
Knaus' „Falsche Spieler" aus dem Leipziger Museum be-
dürfen keiner ausführlichen Besprechung; das Gemälde ist in
seiner koloristischen Stiminimg und der frappirenden Charak-
teristik als Meisterwerk bekannt, aber auf eines muß denn
doch wieder, wie unlängst bei einein älteren Bilde von
Calame, hingewiesen werden, nämlich auf den zunehmen-
den Ruin der Malerei. Das Bild trägt das Datum 1851,
und ist bereits total „zerrissen". Wohin mit unserer modernen
Kunst, wenn die Bilder nach 30—40 Jahren entweder ver-
dunkeln oder von der Leinwand fallen? Diese und so viele
andere Beispiele zeigen, welche Wichtigkeit die technischen
Fragen in der Kunst haben und welchen Wert Künstler und
namentlich Kunstschulen auf das Material legen sollen!

Wenn heuts schon Bilder von Knaus der Zerstörung an-
heimfallcn, ältere Arbeiten von Gab. Mar in die Nestaurir-
anstalt wandern müssen, die schönsten Makarts bereits bedenklich
zu dunkeln beginnen, was bleibt von all unseren Herrlichkciten
dcr Nachwelt? So viel Erfolgs die Chemie auf anderen
Gebieten errungen hat, auf den Paletten der Maler hat sie
viel Unheil angerichtet, und beizeiten sollte, gerads von Seite
dieser Wissenschaft aus, das Verhalten der gemischten Pig-
mente auf Bildern studirt werden, wsiin nicht'daS Mißtrnuen
gegen unsere modernen Bilder in dieser Hinsicht sich noch
sleigern soll. — Über Piloty's „Märtyrerin unter der Arena"
wurde inr vorigen Jahre von München aus berichtet. Die
koloristischen Vorzüge des Gemäldes kommen in der ge-
dämpften Beleuchtung derKunstvereins weitaus besser zur Gel-
tung, als zur Zeit im Münchener Glaspalaste; doch die
Schönheit der Malerei entschädigt nicht für die sonstige Leere
des Werkes. Man wird manch herrlich gemaltes Detail be-
wundern, die akademische Korrektheit der Komposition aner-
kennen, geht aber ruhig seines Wegss, ohne einen weiteren
Eindruck von dem Gemälde mitzunehmen. Wie fesselt da-
gegen das kleine Bilv von Gentz: „Die Gedächtnisseier des
Rabbi Isaak Barchischat"! Die ganze Scenerie ist so klar
und wahr in Zeichnung und Farbe, daß man die Natur in
der eaiaeig. odseuia. zu schauen meint. Das Gemälde ist
ebenfalls Eigentum des Leipziger Stadtmuseuins. Desgleichen
wurde L. Pohle's Porträt Ludwig Nichters vom Leipziger
Stadtrat dem Kunstverein zur Ausstellung llberlassen. Das
edle Haupt blickt uns so seelen- und gemütvoll entgegen, wie
die Kunst des unvergleichlichen MeisterS eS stets gewesen.
Das Bildnis ist in seiner geistvollen Zeichnung und seinem
schlichten, natürlichen Vortrag ein Muster sür die moderne
Porträtmalerei, die leider nur zu ost das Nebensächliche zur
Hauptsache macht, um damit zu brilliren. Nebenan hängen
zwei reizvolle Bilder von Beyschlag: „Tantchens Besuch"
und „Großmutters Besuch". Der traute Frieden glücklichen
Familienlebens, das holde Glück der jungen Frauen findet
in der Kunst wohl kaum irgendwo einen liebenswürdigeren
Dolmetsch, als in Beyschlag ; er sucht keine malerischen Esfekte
und geht auch jedem Asfekt sorgsam aus dem Wege, aber um
so mehr sprechen seine Bilder zum Herzen. Seine Gestalteu
sind immer voll Anmut und Grazie, die Ausführung ist bis ins
nebensächlichste Detail voll Liebe und Sorgfalt. Jm länd-
lichen Genre leuchtet ein kleines Bildchen von Hugo Kauff-
mann als Stern erster Größe hervor. Am Herde in einer
Alm steht ein schmuckss Dirndl; sis ist mit Kochen beschäf-
tigt; daneben am Tisch haben aber zwei- etwas zudringliche
Älpler Platz genommen und treiben mit der Schönen „be-
denkliche Späße". Sie würde gern die Flucht ergreifen —
kann aber nicht, wegen der siedenden Knödel, und muß den
derben Huldigungsn Stand halten. Noch selten hat der tresf-
liche Künstler als Lumorist so geistreich gezeichnet, wie in
dieser kleinen Scene. Das Bildchen ist selbstverständlich in
festen Händen. Auch in F. Streitts „Notsignal", einer köst-
lichen Straßenscene mit wandernden Musikanten, ist der Humor
von ergötzlicher Wirkung. Dieses ist wohl weniger bei Aurel
Zimmermanns „Verunglückter Staffette" oder besser „ver-
unglückter Jdee zu einem Bilde" der Fall. Über Stock und
Stein rast ein scheues Pferd und am Steigbllgel hängt der
dem Tode geweihte Reiter! Daß die Kunst eine andere
Mission hat, als mit solchen Schreckensscenen den Beschauer
zu quälen, sollte doch jedem, der Pinsel und Palette führt,
geläufig sein. Um das Unglück voll zu machen, ist das mehr
als merkwürdige Bild recht gut gemalt. Originsll in seiner
Art und ganz vorzllglich der Natur abgelauscht ist Wolski's
„Nussischer Bauernhof" niit reicher Staffage. Die Stimmung
ist trüb, winteriich; die verschiedenen Typen sind mit unge-
schminkter Treue dem Leben abgesehen. Im Salongenre
glänzt diesmal namentlich de Jonghe mit einer äußerst
kühlen „Liebeserklärung", lediglich in der feinen Mache
interessant. „Julia in der Verbannung", ein größeres Ge-
mälde von Paul Swedowski in Rom, erhebt sich nicht weit
über eine einfache Modellstudie. Es ist zu viel Stosf und
zu wenig Figur in dem Bilde; doch zeugt die Konzeption von
Talent. Hermann Nigg wäre für sein nächstes Bild ein ein-
facherer Vorwurf zu empfehlen; Kompositionen, wie „Faust
und Helena am Hofe des Kaisers", beherrscht sein Pinsel
dermalen noch nicht. Zu Ehren Makarts wurden der Aus-
stellung einige seiner bekannten Bilder eingereiht, darunter
 
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