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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Bredius, Abraham: Die Jordaens-Ausstellung in Antwerpen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0025

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

1905/1906

Nr. 3. 27. Oktober

Neue Folge. XVII. Jahrgang

TXtßr^Z scheint «1, Beiblatt zur .Zeitschrift für büdende Kunst, ^^'^^'^^^trSchXlTr "e
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 N»™^J?\.*™>ndt werden, leisten Redaktion und
Kunst, erhalten die Kunstchronik kostenfrei. - Für Zeichnungen, Manuskripte usw die u n ^erlangt e nges ße • Anzeigen 30 pf. für

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die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung d^Annoncene^eduio^n^on Haasenstein « .

DIE JORDAENS-AUSSTELLUNG IN ANTWERPEN

Erst van Dyck, jetzt Jordaens. Es kann nicht
anders sein, wenn man Vergleiche anstellen will, muß
Jordaens den Kürzeren ziehen. Daher bei manchen
Besuchern dieser Ausstellung eine kleine Enttäuschung.
Doch bleibt es ein äußerst dankenswerter Versuch,
eine Anzahl Werke eines so bedeutenden viamischen
Malers, wie Jordaens dennoch war, zusammenzu-
bringen. Manches von seinem Besten konnte man
leider nicht aus öffentlichen Sammlungen bekommen,
und unter den 135 ausgestellten Bildern wären einige
besser weggeblieben. Trotzdem bietet diese Jordaens-
Ausstellung manches Interessante.

Zwei Bilder, die zu den besten gehören, welche
man hier sehen kann, fallen so ziemlich aus den
anderen heraus und wirken befremdend. Es ist in
erster Linie die Anbetung der Hirten von Fürst Lich-
nowsky (Kuchelna), Nr. 4 des Katalogs. Von einem
viel kräftigeren Helldunkel, welches fast an Carravaggio
erinnert, ist dabei die Malweise fast die des jungen
van Dyck, das heißt in Rubensscher Art, aber mit sehr
starkem Impasto. Die Hände der Madonna sind z. B.
genau mit den hellroten Schatten, den starken Lichtern
behandelt, wie wir es auf den Bildern van Dycks m
den Jahren 1617—1620 finden. Nun soll sich genau
dasselbe Bild in Stockholm befinden, und dieses tragt
allerdings die volle Signatur Jordaens und das Datum
1618. Wie schade, daß dieses bezeichnete Bild nicht
auf der Ausstellung ist! Jetzt will's mir nicht aus
dem Kopf, daß dieses Bild doch ein früher van
Dyck sein könnte — und das Stockholmer Bild vielleicht
eine Wiederholung durch Jordaens, der es dann be-
zeichnet hat. Aber das sind nur kühne Vermutungen,
welche sehr leicht unrichtig sein können. In Braun-
schweig soll dann noch ein drittes Exemplar des
Bildes sein.

Das zweite Bild, welches mir auch von den anderen
abweichend zu sein scheint, ist der Christus am Kreuz
aus der St. Paulskirche in Antwerpen. Der herrliche
Gekreuzigte mit dem idealen Kopf, der den schönsten
Christusköpfen van Dycks nicht nachsteht, der schöne
Körper, der edle Ausdruck der Maria (die Magdalena
hat dagegen schon etwas vulgäres) alles weicht merk-
würdig ab von ähnlichen Jordaensbildern. Auch hier
ist ein feineres Helldunkel, eine schönere Lichtwirkung
als auf fast allen anderen Bildern wahrzunehmen. Man

vergleiche auf der Ausstellung nur den anderen Ge-
kreuzigten (Nr. 19) aus der Fondation Teiminck in
Antwerpen Wie viel lebloser sind hier die Figuren,
wie ganz anders ist das Kolorit, wie viel nüchterner
ist das ganze Bild! Ein drittes, ganz ähnliches Werk,
befindet sich im Museum von Rennest). Auf diesem
Bilde ist die Komposition dem Teirninckschen ver-
wandt und weit weniger dramatisch und empfunden
als auf dem der Paulskirche, aber die glänzende
Farbenpracht und Tiefe hat mich, so oft ich es sah
(ich war häufig in Rennes), zu großer Bewunderung
hingerissen. Nun soll die Urheberschaft des schönen
Bildes aus der Paulskirche durch Dokumente fest-
gestellt sein; dabei ist es das früheste Bild, welches
von Jordaens nachweisbar ist (1617) —■ welche rätsel-
haften Komplikationen! Sind in der Tat alle diese
Bilder von Jordaens, so kann ich daraus nur die Folge
ziehen, daß er am größten war in seiner Frühzeit,
um 1617—18, als er also ca. 25 Jahre alt war,
und daß seine Bilder in dieser Periode den frühen
Werken van Dycks außerordentlich ähnlich sehen.
Ein wohl etwas verputztes Bild, Meleager und Atalante,
welches unter dem Einfluß des Rubensschen Pracht-
bildes dieses Gegenstandes der Sammlung Rud. Kann
entstand, wäre das einzige, welches sich diesen Früh-
werken anschlösse. Die Typen sind aber unangenehm
und vulgär (Nr. 34).

Es würde mich zu weit führen, die weiteren Bilder
alle zu besprechen. Wir können sie in drei Arten
verteilen: kirchliche Gegenstände, weltliche, Genre-
und mythologische Bilder, und Porträts. Unter den
kirchlichen sind die meisten überfüllte, unruhige Kom-
positionen, zum Teil recht unangenehme, wüste Ge-
mälde, wobei ein krasser Realismus vorherrschend
ist. Als besonders unangenehmes Beispiel nenne ich

1) Dr. M. Friedländer hat die interessante Entdeckung
gemacht, daß dieses Bild genau identisch ist mit der großen
Kreuzigung auf meinem Delfter Vermeer (Mauritshuis)
bekannt unter dem Namen: das Neue Testament. Vermeer
besaß, urkundlich, einen großen »Christus am Kreuz«. Ob
das eine Wiederholung oder eine Kopie nach diesem Jordaens
gewesen ist, müßte noch ausgemacht werden.

2) Abgebildet in L. Gonses Chefs- d'Oeuvre des Mus/es
de France, der es als ein großes Meisterwerk ausführlich
beschreibt und für ein frühes, dem Rubens näher stehendes
Bild erklärt. Es wurde von den Franzosen aus der Domini-
kanerkirche zu Antwerpen geraubt.
 
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