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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Michel, W.: Münchener Frühjahrs-Sezession
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0156

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295

Nekrologe — Personalien — Denkmäler — Wettbewerbe

Stilleben und Freilichtporträts Kraft und Frische mit Zart-
heit und aller möglichen Delikatesse. Die Pleinairakte von
Schräder-Velgen gehen bei aller Verve über das Studien-
hafte nicht hinaus. Rudolf Nissls »Bierpolitiker« erfreuen
durch Kraft und Glut der Farbe, sowie durch meisterliche
Licht- und Luftschilderung. Ganz graphisch gedacht ist
dagegen wieder Kurl Ullrichs »Mädchen in Weiß«. Manche
andere Namen wären noch zu nennen, wollte man nur
das Beste aus der Fülle des Guten herausgreifen. Mit
Hinblick auf das oben über Niveau Gesagte wird man mir
die eine oder andere Unterlassungssünde zugute halten.

Im Saal für Plastik ist eine kleine, erlesene Kollektion
des frühvollendeten Bildhauers August Hudler versammelt.
Sie spiegelt einen reifen, feinen Geist und ein lebhaftes
Gefühl für jenen inneren Rhythmus im Menschenkörper,
das sich nicht mit einer gefälligen Silhouette begnügt. Am
rein optischen Wohllaut der Linie findet Hudler keine Be-
friedigung. Seine Gestalten sind von einer verschwiegeneren,
geistigeren Eloquenz. Ihre Schönheit liegt in ihrem Leben,
und ihr Leben ist so suggestiv, so entzückend prägnant
erfaßt, daß man unwillkürlich mit seinem »Bogenschützen«
die Glieder reckt, mit seinem »Christus« in fassungsloser
Ergebung zusammensinkt, mit seinem lauschenden »Narziß«
die Schritte hemmt und mit seinem trefflichen »Adam« in
forscherischer Neugier die Stirne runzelt. Unmittelbares
Leben, im sprechendsten Momente festgehalten, wird bei
Hudler ohne eine merkliche Zwischenstufe zur reifen Schön-
heit. Das ist ein großes Wort, aber es trifft in vollem
Umfange zu. Zur direkten Größe erhebt sich Hudler in
der gewaltigen, monumentalen Ruhe einer überlebens-
großen Jünglingsgestalt, deren schmale Hüften einen pracht-
vollen Oberkörper mit spielender Leichtigkeit balanzieren.
Eine Anlehnung an die Antike ist hier wohl nicht zu ver-
kennen, aber nur wenige, die von der Antike zu lernen
vorgaben, sind bis zu dieser energischen Verarbeitung und
Umsetzung ihrer Vorbilder durchgedrungen. Im übrigen
bietet die Plastik nicht viel Erfreuliches, abgesehen vielleicht
von Hans Schwegeries Bildnisbüste »Felix Noeggerath« und
der Gipsmaske »Margarete Beutler«.

Unter den graphischen Arbeiten, deren geringe Anzahl
überrascht, trägt wohl der Farbenholzschnitt den Preis da-
von. Sämtliche Holzschnittkünstler, die hier vertreten sind,
haben sich die schöne Münchener Holzschnitt-Tradition mit
Erfolg zunutze gemacht. Die größte Reife und Sicherheit
zeigt Martha Cum in ihrem Blatte »Auf der Messe«, das
ein pikantes Beleuchtungsproblem sehr frisch und tempera-
mentvoll löst. In Ousty v. Becker begrüßt man ein neues
Talent von vielversprechenden Ansätzen. Karl Petersen-
Dachau bringt, besonders in seinen »Katzen«, höchst cha-
rakteristische Tierschilderungen, nur ist nicht recht einzu-
sehen, warum er die Handkolorierung dem regelrechten
Farbenholzschnitt vorzog. Von den übrigen graphischen
Blättern seien nur noch die Porträtstrichradierungen von
W. W. Rudinojf, der sich nicht ohne Geschick Anders Zorn
zum Vorbild nimmt, und die Farbenradierungen von Olaf
Lange erwähnt, deren Effekt sich vielleicht materialgemäßer
durch eine Verbindung von Radierung und Farbenholz-
schnitt erzielen ließe. w. michel.

NEKROLOGE
Der Landschaftsmaler Jean Alfred Desbrosses, Präsi-
dent der Societe des peintres de montagnes, ist am 7. März
im Alter von^ji Jahren in Paris gestorben. Desbrosses
war geborener Pariser und hatte das Glück, bei Beginn
seiner künstlerischen Laufbahn in Chintreuil einen Lehrer
und einen ihm sehr wohlgesinnten Genossen zu finden.
Seine Landschaften zeichneten sich durch eine ungewöhn-
lich feine malerische Behandlung und eine tiefe Natur-

stimmung aus. Ohne Impressionist zu sein, hatte Des-
brosses dennoch ein sehr zartes Gefühl für Licht und
Atmosphäre, und speziell auf seinen kleinen Gemälden, die
häufig episodische Motive verwerten, macht sich diese
farbige Behandlung des Lichts und der Luft besonders
geltend. Desbrosses war Mitglied der Societe des artistes
francais und hatte in den achtziger Jahren mehrfach Me-
daillen im Salon davongetragen.

PERSONALIEN

Oberbaurat Gustav Halmhuber, Professor der Ar-
chitektur an der technischen Hochschule zu Stuttgart, hat
einen Ruf als Direktor der Kunstgewerbe- und Handwerker-
schule in Köln erhalten und angenommen.

Der Präsident der Kaiserlichen Archäologischen Kom-
mission Graf Alexis Bobrinski wurde zum Stadtverord-
netenvorsteher von St. Petersburg ernannt. -chm-

DENKMÄLER
f.- In Genf wird Philibert Berthelier, einem der Führer
in den Kämpfen der Stadt um ihre Unabhängigkeit vom
Hause Savoyen im 16. Jahrhundert, ein Denkmal errichtet
werden. Die nötige Summe ist gesammelt.

St. Petersburg. Am 6. 19. Februar, dem hundertjährigen
Geburtstage des Komponisten Glinka, wurde auf dem
Theaterplatz, zwischen dem Marientheater (Opernhaus)
und dem Konservatorium, sein Denkmal enthüllt. Glinka war
bekanntlich der Schöpfer der neuen national-russischen Musik
und Komponist der Opern »Russlän und Ludmilla« und »Das
Leben für den Zaren«. Der Enthüllung wohnte der Präsi-
dent der Kaiserlichen Musikalischen Gesellschaft S. K. H.
der Großfürst Konstantin bei. Das Denkmal ist eine Arbeit
des Bildhauers Bach. -chm-

WETTBE WERBE

Der Rat der Stadt Dresden eröffnet für den bildne-
rischen Schmuck am neuen Rathaus einen Wettbewerb
unter den in Dresden wohnenden Künstlern. Es werden
11 sitzende, an die Frontwand angelehnte und 13 stehende
hohe Figuren für die Brüstung des Hauptgesimses verlangt;
18 Figuren werden später noch ausgeschrieben. Die
sitzenden Gestalten sollen die Wissenschaften im Dienst
der Stadt, Rechtspflege, Armenwesen, Baukunst usw.,
darstellen, die stehenden Figuren Gewerbe und Stand des
städtischen wissenschaftlichen Lebens verkörpern. Ein-
sendungstermin bis zum 1. Mai 1906; alles Nähere durch
den Rat der Stadt.

Für den Neubau einer Synagoge in Frankfurt a. M.
ist unter den deutschen Architekten ein Wettbewerb aus-
geschrieben worden, für den die Entwurfskizzen bis zum
1. September eingeliefert sein müssen. Es sind drei Preise
von 4500, 3000, 1500 Mark ausgesetzt. Der Jury gehören
unter anderen Professor Hofmann in Darmstadt, Baurat von
Hofen in Frankfurt, Professor Hocheder in München an.

Das deutsche Museum in München veröffentlicht
ein Preisausschreiben, das die Errichtung eines Gebäudes
für seine Zwecke durch einen öffentlichen Wettbewerb be-
trifft. Unter den deutschen Architekten sollen Projekte für
die Grundrißanordnung und den architektonischen Aufbau
eines Museumgebäudes gewonnen werden. Die mit Kenn-
wort versehenen Entwürfe nebst Erläuterungsbericht und
Kostenüberschlag sind bis 20. September d. J. bei dem
deutschen Museum München, Maximilianstr. 1, einzureichen.
Zur Verteilung kommen drei Preise in Höhe von 15000,
10000 und 5000 Mark.
 
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