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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Hermanin, Federico: Die römische Kunstausstellung im Palazzo delle Belle Arti
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0226

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435

Nekrologe

436

und Qelli. Die Römer sind viele und vielseitig, aber man
kann von ihnen nicht das gleiche wie von den Lombarden
und Piemontesen sagen. Einige ausgenommen sind sie
mehr Virtuosen als tiefere Künstler, aber unter ihnen sind
einige junge Kräfte, die wohl mit den Jahren, wenn sie
ruhiger und nachdenkender geworden, Hervorragendes
leisten werden, wie Innocenti, Mengarini, Noci, Balla, und
vor allen Coromaldi, welcher mit der gleichen Sicherheit
und Kühnheit die borstige Figur eines Campagnahirten
mit seinen wilden Hunden und das lustige Farbenspiel
einer im Bühnenlicht scherzenden Chanteuse darstellt. Sehr
ernst und schön sind die Nachtbilder von Discovolo und
die poetischen Landschaften von Aristide Sarlorio, der aber
mit einer zu grellen, harten Färbung die feine Zeichnung
sehr oft stört. Francesco Vitalini, der vorigen Herbst bei
seinen Malstudien in den italienischen Dolomiten abstürzte,
haben die römischen Freunde einen besonderen Saal ge-
widmet, wo die ausgestellten Werke des Toten deutlich
zeigen, welcher Verlust sein Verschwinden gewesen ist.
Wenn auch die Bilder aus den Dolomiten, die ihm das
Leben kosteten, den Erwartungen nicht entsprachen, so
zeugen seine römischen Radierungen von einem feinen
Naturgefühl und von einer ausgezeichneten Technik.

Von den Fremden haben die Spanier das meiste aus-
gestellt, Bacarisas, Hörens, Hortiz, Pablo Salinas, Gallegos.
Von den Deutschen sind besonders bemerkenswert Frieda
Menshausen, Roeder, Knüpfer, Richter. Zu den interessan-
testen Erscheinungen der Ausstellung gehört der russische
Maler Ivan Kalmycoff, dessen skizzenhafte Bilder eine ganz
außergewöhnliche Kraft zeigen und eine ganz persönliche
Technik und Auffassung. Den trostlosen Wolgalandschaften
im winterlichen Kleide weiß er durch eigentümliches Licht
einen ganz besonderen Reiz zu geben. Großes Interesse
erregten auch die Bilder von zwei anderen Russen, Egoroff
und [oujanin, und die eigentümlichen Landschaften aus
Californien von Piazzoni.

Was die Plastik anbelangt, so war die Erwartung groß,
weil dieses Jahr der Müllerpreis für das beste Werk eines
deutschen Bildhauers bestimmt war, aber sonderbarerweise
war die Beteiligung sehr gering. Den Preis bekam der
Bildhauer August Krauß für seinen Bocciaspieler. Die
lebensgroße Bronzestatue des jungen Spielers mit den har-
monisch gebildeten Gliedern gibt gewiß ein gutes Zeugnis
von großer Tüchtigkeit und technischem Können, aber in
der Ausstellung sind von anderen jungen deutschen Bild-
hauern Sachen, die etwas mehr als diese Eigenschaften
zeigen, so zum Beispiel das Relief der Iphigenia und die
Statue des Paris von Cristoph Niißlein, in denen sich viel-
leicht eine nicht vollkommene Technik zeigt und wohl auch
mancher Formfehler, aber zugleich ein hoher Schönheits-
sinn und ein tiefes Empfinden für die großen Eigenschaften
der klassischen Kunst, die der Künstler mit großer Liebe
studiert hat.

Ferdinand Seeboeck hat eine Anzahl lebendiger Porträt-
büsten ausgestellt, Joseph Limburg eine minderwertige Büste
Pius' X., Wilhelm Wandschneider einen Sieger in Olympia.
Interessant sind die Skulpturen von Heinrich Olicenstein,
in denen der Künstler eine sehr persönliche und lebendige
Darstellungsweise zeigt, aber leider nicht ebensoviel Ge-
fühl für Formenschönheit. Kraftvoll und sehr ausdrucksvoll
modelliert sind die kleinen Porträtstatuetten von Hans St.
Lerche und die Tiere des Amerikaners Arthur Putman.
Von den italienischen Skulpturen stehen obenan die drei
Büsten: ein Damenporträt, ein Kind und ein Christus von
dem Piemontesen Pietro Canonica, in dem Italien in
den ersten venezianischen Kunstausstellungen fast einen
wiedergeborenen RenaissanceKÜnstler begrüßen zu können
glaubte. Man war so an das skizzenhafte, flüchtige Mo-

dellieren gewöhnt, daß dieser ernste Piemontese, welcher
eine treue durchgeistigte Wiedergabe der Natur mit sorg-
fältiger fast virtuoser Ausführung vereinigte, als ein Meister
gefeiert wurde. Man kann gewiß nicht von Canonica
sagen, er habe das Versprechen nicht gehalten, aber er
muß doch den stillen und gerechten Vorwurf über sich
ergehen lassen, daß er fast nicht über die Büsten hinaus-
gekommen ist, daß er sich noch nicht an die monumentale
Kunst gewagt hat und daß er mit der Zeit vielleicht zu
sehr ins Virtuosenhafte und in einen etwas übertriebenen
Affekt gefallen ist. So ist sein Christuskopf gewiß sehr an-
regend, aber doch etwas theatralisch im Ausdruck. Leben-
dig und fein dagegen die Porträtbüste einer Turiner Fürstin.

Noch ganz an der alten skizzenhaften Art hängend er-
scheint uns Giovanni Prini, dessen lebendige Kindergruppen
berühmt sind. Er gibt uns dieses Jahr einige Büsten und
Charakterfiguren, darunter eine Gruppe von Schmieden,
die an Rodinsche Vorbilder erinnern, wie überhaupt Rodin
neben Meunier sehr viel Nachahmer findet zwischen den
italienischen Bildhauern, wie man auch in dieser Ausstel-
lung sieht. Ein jüngerer Künstler, welcher diesmal die
Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist Carlo Fontana,
dessen riesiger Farinaia degli Uberti im großen Kuppelsaal
zeigt, wie voll der junge Bildhauer die Form beherrscht.
Der jungen hoffnungsreichen Gruppe gehören auch Benti-
negna, Leotardi, Malvani, Pelini, Parisi an. Alle voll Kraft,
aber etwas unbändig, während kraftvoll und sicher in den
Formen und dem Ausdruck demente Origo ist, dessen
Sonderausstellung zum schönsten der diesjährigen Aus-
stellung gehört. Er hat mehr als zwanzig Gruppen und
Statuen eingeschickt mit Darstellungen aus dem Leben der
Menschen und der Tiere in der römischen Campagna. In
dem großen Buttero zu Pferd, in den Hirten, Jägern, in
all den unbändigen Tieren und urwüchsigen Menschen
hat er den ganzen poetischen Inhalt der großen Einsam-
keiten zu verkörpern gewußt. Es ist ein ganzes Lebens-
werk, was hier vor einem steht, ein Lebenswerk, an welchem
man sieht, daß der Künstler alles Gesehene wirklich mit-
erlebt hat. Aus dem eigenen Land und Leuten Anregung
schöpfen und Schönes schaffen, ist doch verdienstreicher
als sie in fremdem Land, wie so viele unserer jungen Künst-
ler es tun, zu suchen. Die Formen, der Charakter, alles
ist echter und man möchte alle die Meunier- und Rodin-
nachahmer auf das Beispiel Origos aufmerksam machen.

FEDERICO HERMANIN.

NEKROLOGE

Am 16. Mai starb der dänische Schriftsteller Dr. phil.
Theodor Bierfreund in Kopenhagen, 51 Jahre alt. Seine
Arbeiten auf dem Gebiete der Kunstgeschichte, der er sich
in den letzten Jahren widmete, unter anderen >Rembrandt. En
Studie« (10,00) und »Florens I: Monumenter og Mennesker;
II: Billedkunst (in drei Teilen) (1901 — 1903) sind nicht frei
von manchen positiven Fehlern und paradoxen Ansichten,
aber in ihrer echten Kunstbegeisterung von einnehmender
Frische und Wärme, nirgends langweilig, so daß er sich
einen weiten Leserkreis im Norden gewann. Sein Buch
über Michelangelo, das zum Werk über Florenz den Ab-
schluß bilden sollte, ist nun unvollendet geblieben.

In London wurde der junge dreißigjährige Kunst-
maler Wakley in einem Haus in Bays-Water auf unauf-
geklärte Weise ermordet. In der diesjährigen Ausstellung
der Royal Academy wurde ein Gemälde des Künstlers,
»Dornröschen«, viel beachtet.

In Paris ist am 18. Mai im Alter von 77 Jahren der
Maler Alfred-EIoi Auteroche gestorben. Ehemals Schüler
von Cogniet und Brascassat, hatte er sich früh der Land-
schaftsmalerei zugewandt, in der er mit Vorliebe die Natur-
schönheiten der Auvergne geschildert hat.
 
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