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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Sutter, Carl: Zu Prud'hons Deckengemälden im Louvre
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0089

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVII. Jahrgang 1905/1906 Nr. 11. 5. Januar

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgeweibeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petilzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

ZU PRUD'HONS DECKENGEMÄLDEN IM
LOUVRE

Die Einrichtung des Louvre als Museum begann
unter schlimmen Vorzeichen. Um Raum zu schaffen
für die Aufstellung der Kunstwerke, zerstörte man
zunächst eine große künstlerische Einheit, die im
besonderen Maße bestimmt schien, der Mittelpunkt
dieses französischen Staatsmuseums zu werden. Die
Vernichtung der Galerie d'Hercule mit den vierzig
Kompositionen Nicolas Poussins war kein Jakobiner-
streich. Sie geschah noch unter Ludwig XVI., und
die Verantwortung trugen zwei Männer des ancien
regime, der Direktor der Bauten, Graf Angiviller,
ein echter Aristokrat, und ein anderer, der es sein
wollte, J. B. M. Pierre, premier peintre du roi. Für
diesen Verlust konnte auch die Erhaltung der Apollo-
galerie keinen Ersatz bieten. Der Frevel, den man
an Poussin begangen, wurde gerächt. Denn was
auch die folgenden Regierungen aufwandten, um die
Säle des nationalen Museums mit würdigen Dekora-
tionen auszustatten, führte zu keinem glücklichen Ende.
An den Decken reihten sich die Historien, Mythologien,
Allegorien, »Gloires« und »Apotheoses«. Die aka-
demischen Herren mittleren Schlages führten das Wort
und der Geist des prix de Rome ging schrecklich um.
Als Gesamtheit strömen sie eine so kalte Athmosphäre
von Unpersönlichkeit und von korrekter Unpersön-
lichkeit aus, daß niemand gern zu ihnen hinaufsieht.
Die Besucher des Louvre haben besseres zu tun als
die Plafonds zu betrachten1).

Und doch gab und gibt es dort oben auch Licht-
punkte. Ingres' Homer hat man längst heruntergeholt,
in der richtigen Erkenntnis, daß seine plastischen
Qualitäten nur so zur Geltung kommen. Dieselbe
Ehre möchte ich auch Prud'hons geflügeltem Kinder-
paar im Saal der Antonine wünschen, denn bei der
weiten Entfernung vom Auge des Beschauers geht
das zarte Bildchen in der innerlich fremden Umgebung
fast verloren. Seine Diana dagegen in der Salle
grecque wird man wohl an ihrem Platze nicht missen
wollen. Der kleine schlichte Raum, der die Parthenon-
Fragmente beherbergt, hat Stimmung. Zwar stehen

1) In der Galerie d'Apollon freilich wird dem Publikum
Zeit gelassen, den Raum selbst als Kunstwerk zu empfinden
und so geht es denn auch nicht achtlos unter Delacroix'
drachenbezwingendem Oott vorüber.

hier griechische Skulpturen Prud'hons Interpretation
der Antike gegenüber, sein Plafond wird von den
konventionellen Lünettenbildern zweier nicht eben-
bürtiger Zeitgenossen, Garnier und Merimee, einge-
schlossen und das Licht ist schlecht. Trotz alledem
erreicht Prud'hon eine reine künstlerische Wirkung.
Er ist hier, wie immer, persönlich und er ist dekorativ.
Er bewahrt vom Erbe der Vergangenheit, was den
anderen verloren ging. Man kann daher nur bedauern,
daß nirgends im Louvre eine größere, zusammen-
hängende und geschlossene dekorative Aufgabe von
ihm gelöst wurde.

Über die Aufträge, die Prud'hon für den Louvre
erhalten hat, besteht noch Unklarheit. Im Dezember-
heft der »Gazette des Beaux-Arts«x) erinnert Maurice
Tourneux daran, daß der dänische Kunstliebhaber und
Schriftsteller Bruun-Neergaard, der im Jahre 1801 den
ersten ausführlichen Bericht über Prud'hons Kunst
veröffentlichte, die Behauptung aufstellt, Prud'hon
habe außer den beiden vorhin genannten Decken-
bildern drei weitere für einen anderen »Salon« des
Louvre übernommen. Diese seien aber noch nicht
ausgeführt. »Queis etaient les sujets choisis par
Prud'hon et de quel ,salon' Bruun-Neergaard entend-
il parier? Je I'ignore et je ne crois pas qu'aucun
document publie puisse permettre de trancher la
difficulte.«

Diese Fragen lassen sich, wie ich glaube, beant-
worten. Ich habe im Archiv des Louvre (Correspon-
dance, Copies) folgende Briefe gefunden:

L'administration du Musee Central des arts au
Cen Prud'hon, Peintre au Louvre. 9 Floreal an 9
(=29. April 1801). L'administration du Musee a
l'honneur de vous prevenir Cen que le Mtre de
Plnterieur vient d'arreter que vous seriez charge
d'executer 3 plafonds dans la salle de Diane de la
galerie des Antiques du Musee etc. Les sujets ä
representer dans ces trois plafonds dont l'un rond
portant environ 2 m 60 c. et les deux autres quare
long portant un metre 80 centimetres sur un metre

1) Un projet de Prud'hon pour l'Escalier du Museum
central des arts. Es handelt sich um die Komposition
»Minerve conduisant le Genie des arts au sejour de l'Immor-
talite«, die P. für das unter Napoleon I. von Percier und
Fontaine erbaute und unter Napoleon III. zerstörte Treppen-
haus des Louvre entworfen hat. Prud'hons schöne Zeich-
nung war auf der Exposition centennale von 1900 ausgestellt.
 
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