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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Der Pariser Herbstsalon
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Neueste Veränderungen des römischen Stadtbildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0035

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Neueste Veränderungen des römischen Stadtbildes

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lung, erfreuliche Ruhepunkte, obschon das Knallen
und Knattern der überlaut schreienden Nachbarn die
ruhigen Leute nur schwer zur Geltung kommen läßt.
Von den vorzüglichen Büsten Rodins habe ich schon
gesprochen. Auch einige seiner Marmorfiguren sind
technisch außerordentlich schön. Von anderen Skul-
pturen nenne ich das edel empfundene und tempera-
mentvoll durchgeführte Denkmal für Luise Michel
von Emil Derre, den prachtvoll modellierten weib-
lichen Akt und das charakteristische Doppelbildnis
der beiden Schwestern von Bernhard Hötger, die
reizenden Tierstatuetten von Rembrandt Bugatti, die
kleinen Statuetten von Damen der Gesellschaft von
Louis Dejean, die sehr hübsch und weich patinierte
Kinderstatuette von Albert Marque und die äußerst
geschmackvollen silbernen Beschläge des Spindes von
Jules Desbois.

Unter den Malern sind zunächst die Altmeister
Carriere, Raffaelli, Renoir zu nennen. Raffaelli hat ein
vor dreißig Jahren gemaltes Bild: eine Volksversamm-
lung mit Clemenceau als Redner ausgestellt, eine stark
an Manet erinnernde, allzu schwarze Arbeit; daneben
zeigt er neuere Sachen, worunter das kleine helle
Bildnis eines jungen Mädchens wohl das beste sein
dürfte. Carriere ist mit seiner »Mutterliebe«, seinen
Bildnissen von Anatole France und Elysee Reclus
und den drei Frauenköpfen der alte große Meister,
über den sich nichts Neues mehr sagen läßt. Renoir
bleibt zart und duftig in der Farbe, wird aber etwas
gar zu nachlässig in seinen Formen. Von jüngeren
Leuten nenne ich Albert Belleroche, der eine ganze
Wand mit Gemälden in zart abgetönten, hellen und
frohen Farben und mit kräftig abgestuften Lithogra-
phien einnimmt; Maxime Dethomas, dessen charak-
teristische Pastellzeichnungen mehr Eingehen ver-
dienten, als ihnen hier geboten werden kann; Desire
Lucas, der sich in einigen Landschaften und Genre-
szenen sehr glücklich von dem dunkeln Galerieton
losgemacht hat, ohne darüber die ihm eigenen intimen
Reize einzubüßen; Raymond König und Stephan
Haweis, zwei ausgezeichnete Landschafter voll farben-
frohem Geschmack; Louis Bracquaval, der in seinen
nordfranzösischen Städtebildern dem besten Lehr-
meister, Eugen Boudin, folgt; Alfred Maurer, dessen
Ball Bullier wieder eine Farbenkomposition von ebenso
starker wie erfreulicher Wirkung ist, und Adolph
Willette, der ein dekoratives Gemälde von großem
Reiz ausgestellt hat.

Endlich seien auch noch die Griffelkünstler ge-
nannt, deren Arbeiten mir als besonders hübsch auf-
fielen. Außer dem schon erwähnten Albert Belle-
roche sind es Jacques Villon mit mehreren farbigen
Radierungen, Manuel Robbe, dessen farbige Radie-
rungen sich längst der verdienten Anerkennung er-
freuen, Alexander Lunois, der zur Abwechselung
Spanien verlassen hat, um in Nordafrika die gleichen
leuchtenden Farbeneffekte für seine Lithographien zu
finden, Ernst Marie Herscher, der in den alten Pariser
Gassen und in Holland wirkungsvolle Motive zu
schwarzen Radierungen gefunden hat, und Jacques
Beurdeley, der in seinen Blättern von der Themse

und aus Venedig in die Fußtapfen Whistlers tritt,
eines Meisters, wie man sich ihn nicht besser wünschen
kann. KARL EUGEN SCHMIDT.

NEUESTE VERÄNDERUNGEN DES RÖMISCHEN
STADTBILDES

Nach einer ansehnlichen Reihe von Jahren, in
welchen nach der furchtbaren Baukrisis die Bautätig-
keit in Rom zu sehr kleinen Proportionen zusammen-
geschrumpft war, ist jetzt wieder seit einiger Zeit ein
Aufschwung eingetreten, der aber leider für die alte
Stadt gefährlich zu werden droht, weil man sich
nicht begnügt, Neues zu errichten und die Stadt auf
diese Weise baulich zu bessern und zu vergrößern,
sondern sich energisch daran macht, vieles Alte ge-
waltsam zu zerstören oder umzubauen. Die öffent-
liche Gesundheitspflege, stellenweise auch der Schön-
heitssinn, der Mangel an bequemen Wohnhäusern und
an großen öffenlichen Gebäuden gerade in der Alt-
stadt, wo doch auch das ganze politische Leben und
der größte Verkehr zusammenströmen, lassen radikale
Änderungen erwünscht erscheinen, die in einer Stadt
wie Rom, die nicht nur reich an großen Monumenten,
sondern auch an charakteristischen und kunsthistorischen
Winkeln ist, doch nicht so leichtweg zu machen sind,
und oft, wenn auch die Bauten keine hervorragenden
Monumente sind, knüpft sich doch allerhand aus Ge-
schichte und Sage daran, was ihnen Interesse gibt,
so daß man sie nicht wie irgend einen alten Kasten
abtragen oder umändern kann. Bei den Änderungen
und sogenannten Restaurierungen von Monumental-
bauten ist das Schlimme, daß je nach dem herr-
schenden Geschmack, oder nach der Vorliebe des
Restaurators für eine oder die andere Zeit, einfach
dasjenige weggeräumt und umgestaltet wird, was
gerade dem betreffenden Fachmanne in der von den
Jahrhunderten überlieferten Gestalt nicht gefällt. Ein
interessantes Beispiel für solche Restaurationsarbeiten
ist die Engelsburg, wo nach den Ausgrabungen, die
im Inneren gemacht worden waren und die zur Ent-
deckung der großen Rampe führten, man sich nun
an die Änderungen des Äußeren gemacht hat. Die
alte Burg soll zu der Form zurückgeführt werden,
die Alexander VI. ihr am Ende des 15. Jahr-
hunderts gab, darum müssen die achteckigen Bastio-
nen Urbans VIII. fallen, um neu nach alten Stichen
und Zeichnungen aufgebauten, runden Quattro-
centotürmen Platz zu machen. Warum aber, könnte
man fragen, dann nicht weiter abtragen von den in
so vielen Jahrhunderten um den festen Kern ange-
häuften Bauten und das Grabmal des Hadrian bloßlegen?
Auf was ist die Vorliebe für die Türme und Zinnen
Alexanders VI. gegründet, wenn nicht auf das halt-
lose Vorurteil, alles was nach der Renaissancezeit
entstanden, als minderwertig anzusehen. Bald wird
also die Engelsburg die Bastionen verlieren, die wie
zwei Pranken einer Löwin gegen die Brücke vorge-
streckt sind. Dabei muß eben bedacht werden, daß
sie ja nur noch eine gezähmte Löwin ist, ja sogar,
da doch ein Museum darin eingerichtet werden soll,
 
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