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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Neueste Veränderungen des römischen Stadtbildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0036

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55

Nekrologe —

Personalien

56

eigentlich nur eine Löwinnenmumie. Ein ganz anderes
Los ist dem Palazzo di Venezia beschieden; man hat ihn
selbst nicht angetastet. Zwar wird man ihm bald
seines jüngeren Bruders, des Palazzetto, berauben, aber
er wird wohl sein finsteres Aussehen bewahren und
die rechtwinkligen guelfischen Zinnen werden noch
durch die Jahrhunderte von der päpstlichen Macht
und Pracht reden. Dagegen hat er es sich gefallen
lassen müssen, daß wie zum Hohn ihm gerade gegen-
über ein zweiter Palazzo di Venezia erwachsen ist,
von einer Lebensversicherungsgesellschaft erbaut und
mit schwalbenschwanzförmigen ghibellinischen Zinnen
gekrönt, die der Mietskaserne ein kriegerisches und
vornehmes Aussehen geben sollen. Wenn es sich
bei dem neugebauten Kastell S. Angelo nur noch um
eine Löwenmumie handelt, so werden wir auf der
Piazza di Venezia den in der Löwenhaut versteckten
Esel sehen können. Ein Jammer, daß der alte Pa-
lazzo Torlonia diesem neuen hat weichen müssen.
Auch ohne ein Bewunderer der Kunstrichtung, die
in Rom um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
herrschte, zu sein, mußte man zugeben, daß der
Palast ein harmonisches und wertvolles Monument
jener Zeit an Architektur, Malerei, Skulptur und
Dekoration war. Podestis, Coghettis und Gagliardis
Fresken sind jetzt in Via Margutta käuflich und meter-
weise verkauft der Antiquar die prachtvollen Stuck-
dekorationen, mit denen Canova den Saal geschmückt
hatte, an dessen Ende er seine mächtige Gruppe des
rasenden Herkules, der den Lica tötet, aufgestellt
hatte. Die Gruppe, die lange in einem Hofe des
Palazzo Corsini gestanden hat, wird jetzt in einem
zu diesem Zweck an der Galerie zu erbauenden
Saal aufgestellt werden. Wie kann man nun erwarten,
daß die Häuschen des Rione Ponte, im Herzen des
Cinquecento-Rom geschont werden, wenn der groß-
artige Palast des Prinzen Torlonia der Erneuerungswut
hat weichen müssen. Man disputiert schon darüber,
ob das mittelalterliche Albergo deä'Orso einer
Straßenregulierung zum Opfer fallen soll, und doch
könnte mit leichter Arbeit das altertümliche Haus mit
den feinen Backsteindekorationen restaurirt werden. —
Eine gerade Straße soll vom neuen Justizpalast, diesem
imposanten, aber unschönen Koloß, bis zu Piazza
Navona geführt werden, und schon sind Häuser ein-
gerissen worden und das Licht strömt in die kleinen
Gassen bei der Maschera d'Oro, wo so mancher
Palazzetto bisher in vornehmer Verborgenheit stand
und nur dem verständnisvollen Romkenner seine
Schönheit offenbarte, so manches Haus mit inter-
essanten Sgraffiti und Fresken.

Damit die originelle Form von Piazza Navona
nicht ganz verloren gehe, wird man die neue Straße
unter den Häusern am westlichen Ende des Platzes
durchführen, aber nun denkt man schon an die Mün-
dung der Straße am östlichen Ende und bleibt un-
schlüssig, denn um das enge Gäßchen zu erweitern,
muß man zwischen der Zerstörung eines schönen
Palazzetto aus dem 16. Jahrhundert und einen Schnitt
in Palazzo Braschi wählen.

Und nun eine Nachricht, die wohl alle Freunde

der Moral a toiit prix erfreuen wird, aber auch nur
sie, nämlich die, daß Pius X. ein großes Haus an
der nördlichen Grenze des Vatikans bauen will, um
dort allen Beamten, die jetzt mit ihren Familien im
päpstlichen Palast selbst hausen, Wohnung zu geben.
Natürlich wird es wohl mit den lustigen Stelldicheins
der Schweizer Leibgardisten und der Gendarmen mit
Köchinnen und Kammermädchen auf den Treppen
und in den Höfen der heiligen Residenz ein Ende
haben und manche Lästerzunge wird sich zum
Schweigen gezwungen sehen, aber ein sechsstöckiger,
langweiliger Bau, da wo jetzt das päpstliche Schloß
sich so eigentümlich auftürmt bis zur herrlich alles
krönenden Kuppel, wird wohl einen ähnlichen Ein-
druck hervorrufen, wie die andere wunderschöne
Kombination am Corso Victorio Emanuele, wo die
schöne Kuppel von S. Andrea della Valle über der
kolossalen Reklame eines Zahnarztes gen Himmel ragt.

Am Zentralbahnhof soll ein großer Palast für die
Generaldirektion der Staatsbahnen gebaut werden und
die mächtigen Reste der Serviusmauern, um die jetzt,
wie einst die wiehernden Kriegsrosse und das Klirren
der Waffen, die Lokomotiven schnauben und die
Güterwagen dumpf dröhnen auf den Schienen, werden
nach den Projekten der Eisenbahningenieure recht
zahm in einen großen Hof eingeschlossen und irgend
ein Kunstgärtner wird wohl mit buntfarbigen Blatt-
pflanzen Beete mit dem geflügelten Rad als Muster
um sie ziehen. Mit jedem Jahr zeigt es sich mehr,
wie schwer es ist, Rom dem modernen Leben anzu-
passen und man kann es den Bürgern der ewigen
Stadt gewiß nicht verargen, daß sie nach Möglichkeit
den Anforderungen der Hygiene, der Bequemlichkeit
und des Verkehrs gerecht zu werden suchen, doch
könnte man wohl manchmal etwas behutsamer sein
und da nur Hand an historische Bauten legen, wo
es durchaus nicht anders möglich ist. FED. H.

NEKROLOGE

Der Maler und frühere Professor an der Akademie
der bildenden Künste in Wien, Karl Josef Geiger, ist
im Alter von 81 Jahren gestorben. Ursprünglich Buch-
illustrator, gelang es ihm durch einige künstlerisch aus-
geführte Huldigungsadressen, an höchster Stelle Aufmerk-
samkeit zu erregen, so daß ihm Gemälde für den Stephansdom,
die Kapelle der Weilburg und die Elisabethkirche, sowie
Glasmalereien für die Votivkirche, allegorische Bilder für
die Paläste des Herzogs von Coburg, des Herzogs Philipp
von Württemberg und des Fürsten Kinsky übertragen wurden.
Neben ausgesprochen kunstgewerblichen Werken hat Geiger
durchweg Historienbilder geschaffen.

Der Künstler Pierre Miciol, Ehrenpräsident der Societe
lyonaise des beaux arts ist im Alter von 72 Jahren gestorben.
Künstlerisch hat er sich mehr durch Zeichnungen und Ra-
dierungen, als durch Ölgemälde hervorgetan und eine Reihe
tüchtiger Porträtstudien von Zeitgenossen hinterlassen.

PERSONALIEN
Der Maler Franz Thiele, der bisher außerordentlicher
Professor an der Kunstakademie in Prag war, ist zum
ordentlichen Professor ernannt worden. Desgleichen sind
Konstantin Laszoska und Joseph von Mehoffer, bisher
außerordentliche Professoren an der Kunstakademie in
Krakau, zu Ordinarien ernannt worden.
 
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