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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Waldmann, Emil: Simon de Vlieger und Rembrandt
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Kühl, Gustav: Das Virchow-Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0211

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405

Das Virchow-Denkmal

406

Figuration in einem entscheidenden Punkte geändert. Rem-
brandt hat dem streng diagonal geneigten Hauptmast ein
starkes Liniengewicht dadurch gegenüber gesetzt, daß er
den Quermast genau entgengesetzt neigt. Simon de Vlieger,
der Marinemaler von Beruf, hat diesen Quermast aus
seiner so wichtigen Lage herausgenommen und ihn in
derselben Richtung, die der Hauptmast hat, geneigt, nur
schwächer. Es ist dadurch etwas Schiefes in das Bild
hineingekommen, es geht nicht richtig in den Gewichten.
Auch hat er das Format breiter genommen als Rembrandt.
Im übrigen hat er sich ziemlich genau an sein Vorbild
gehalten; einige besonders ausdrucksvolle Figuren Rem-
brandtscher Erfindung, die in ihrer Bewegung und ihrem
Tun mit der ganzen Schärfe der damaligen Rembrandtschen
Charakterisierungskunst gegeben sind, hat er an auffälligere
Stelle gerückt, als der jüngere Meister selber es getan
hatte. Was ihn aber neben diesen spezifisch Rembrandtschen
Erfindungen besonders anzog, ist die dramatische Behand-
lung der Elemente, die meisterhafte Darstellung von Wasser
und Luft. Daß es ihm vor allem darum zu tun war, be-
weist schon die Weglassung der Hauptfigur. In diesen
Dingen hat er gar nicht geändert, hier hat er sich genau
an die Gestaltung der Massen und an die Verteilung von
Hell und Dunkel gehalten.

Wann Simon de Vlieger diese Kopie gemalt hat, läßt
sich, bei der Verstümmelung der Jahreszahl, nicht fest-
stellen. Wahrscheinlich muß man die Entstehungszeit des
Bildes zwischen 1638 und 1649 annehmen, denn damals
war Simon de Vlieger in Amsterdam, während er vorher
in Delft, wo er 1634 Mitglied der Malergilde ward und
1637 ein Haus kaufte, das Original kaum gesehen haben
dürfte. Ausgeschlossen ist aber dennoch nicht, daß er
schon vor seiner endgültigen Übersiedelung nach Amster-
dam diese große Weltstadt einmal besuchte und bei der
Gelegenheit das Bild kennen lernte. Als spätestes Datum
für seine Kopie muß man aber wohl 1649 ansetzen. Da-
mals ging er nach Weesp, wo er 1653 verstarb. Man
kann also das Göttinger Bild, das höchstens 15 Jahre
später entstand als das Original, eine gleichzeitige Kopie
nennen.

Dies Gemälde hat, wie es scheint, auch sonst großes
Interesse bei den Zeitgenossen erweckt. Es existiert
nämlich ein gegenseitiger Kupferstich von Jan Ossenbeck
nach ihm1), und zwar nicht nach dem Original, sondern
nach der Vliegerschen Kopie. Jan Ossenbeck war ein
Rotterdamer, ein Landsmann de Vliegers; er wurde un-
gefähr 1627 geboren und starb 1678 in Regensburg. Ossen-
beck war kein Marinemaler, und die Wiedergabe dieses
Sturmbildes ist ihm schwer genug geworden. Er hat
sich mit der Darstellung des Segelschiffes gar nicht so
recht abfinden können, er hat das Takelwerk wesentlich
einfacher genommen, und das Steuerruder hat er aus
Platzmangel so stark auf die Seite des Schiffes gesetzt,
daß es absolut untauglich wäre. Wir gehen daher in der
Vermutung wohl nicht fehl, daß diese Wiedergabe nicht
dem Interesse des Künstlers ihre Existenz verdankt, sondern
dem Besitzer des Bildes, einem Herrn von Wenzelsberg,
der in einer Inschrift auf der Margue genannt ist, die
folgendermaßen lautet: »Deila GaW" del mol:*o ili™ Sig-.re
Gio: de Wenzelsberg Cons: et Quartiennaist:ro dl Corte di
Sa Mßta Ces:a<. Links davon: 5. de Fliger in:, rechts:
/. Ossenbeck f. Der Name S. de Vlieger ist auch in der
Darstellung selber mit kopiert, er befindet sich ebenso wie
auf dem Göttinger Bild, auf einer schwimmenden Tonne
verzeichnet. Ossenbeck hat aber auch wohl das Rem-
brandtsche Original gesehen, denn bei ihm ist die Figur

1) Bartsch 30.

Christi vorhanden, die bei de Vlieger fehlt. Auch ist er
in einigen unwesentlichen Details genauer als Simon de
Vlieger. — Der Kupferstich ist eine unerfreuliche Arbeit.
Er ist hart und trocken in der Linienführung, aber auch
das Bildliche daran ist grob und unvollkommen. Man
sieht so deutlich, was den Besteller der Arbeit besonders
interessierte: die springende weiße Welle am Bug des
Schiffes. Sie ist sehr übertrieben auf diesem Stich, sie
nimmt über zwei Drittel der ganzen Bildhöhe ein und ist
genau so groß, wie das ganze Segel des Schiffes.

Wenn Ossenbeck, wie wir sahen, das Original von
Rembrandt kannte, mußte er die Zusammengehörigkeit
der beiden Bilder bemerken. Wenn er auf seinem Stich
Simon de Vlieger als Inventor angibt und nicht Rembrandt,
so tritt einen Augenblick die Frage nahe, ob hier nicht
ein Fall vorliegt, daß Rembrandt ein Bild des um fünf
Jahre älteren und noch mit der älteren Malergeneration
zusammenhängenden Simon de Vlieger1) benutzte und für
ein religiöses Bild verwendete. Daß er überhaupt fremden
Anregungen zugänglich war, zeigt sein Verhältnis zu Her-
kules Segers, von dem angenommen wird, daß er viel-
leicht Rembrandt erst auf die Landschaftskunst hingewiesen
habe2). Aber für den vorliegenden Fall muß diese Frage
doch verneint werden. Denn das Göttinger Bild ist nicht
so gemalt, wie Simon de Vlieger sonst zu malen pflegt;
es steht allein in der Reihe seiner Gemälde und da
anderseits die malerische Haltung für Rembrandt nichts
Auffälliges hat, wird man Rembrandt die Priorität zu-
schreiben. Dies ist ja auch von vornherein naheliegend
und wird schon durch die chronologischen Verhältnisse
wahrscheinlich gemacht.

Wie das Bild von Simon de Vlieger in die Sammlung
Zschorn, die am Ende des 18. Jahrhunderts nach Göttingen
geschenkt wurde, gekommen ist, darüber sagt Fiorillos
Katalog nichts aus. Daß es im 17. Jahrhundert in der
Sammlung des Herrn von Wenzelsberg war, lehrt die
Beischrift unter Ossenbeeks Kupferstich. Jedenfalls ist es
ein glücklicher Zufall, daß von dem so weit entrückten
Rembrandtbilde nun doch wenigstens eine wie es scheint
einigermaßen treue Kopie in Deutschland verblieben ist.

Dr. E. WALDMANN.

DAS VIRCHOW-DENKMAL

Der preisgekrönte Entwurf von Fritz Klimsch zum
Virchowdenkmal wird, wie es heißt, nicht ausgeführt
werden; eine Nachricht, über die man in Künstlerkreisen
mit einigem Recht indigniert ist. Aber doch nur mit
einigem. Fraglos war dieser Entwurf — ein viereckiges
Postament mit fußlosen Ecksäulen, mit einem kleinen Profil-
bild des Gelehrten geschmückt, und darauf eine plastische
Gruppe, ein Herkules, der irgend ein Ungeheuer würgt
— fraglos war dies der beste Entwurf; zwar entsprechen
sich Sockel und Gruppe nicht ganz nach ihren Verhält-
nissen und ihrer Schwere; aber auf das ausgeführte Ori-
ginal der Gruppe hätten wir uns als auf eine erst-
klassige Arbeit freuen dürfen, und für sich betrachtet ist
auch das Postament wirklich schön. Allein es hilft nichts,
ein Denkmal ist nun einmal nicht Selbstzweck und alle
ästhetischen Beweise, wie, daß ein solches Kunstwerk
dekorativ zu wirken habe und weiter nichts, zerfallen vor
dem unbeirrbaren Instinkt des naiven Menschen, der da
sagt, es handelt sich nicht um den und den Straßenaspekt,

1) Arent Arentz und Jan Porcellis.

2) Siehe »W. Bode, Jahrbuch der preußischen Kunst-
sammlungen 1903« und »Johanna de Jongh, Die Hollän-
dische Landschaftsmalerei«. S. 105. Berlin 1905, Cassirer.
 
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