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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Wolf, August: Neues aus Venedig, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0132

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247

Nekrologe — Wettbewerbe — Denkmalpflege — Ausgrabungen und Funde

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Bekanntlich war sie ein Opfer des Einsturzes des Cam-
panile. Der Architekt dieser sehr gewissenhaften Rekon-
struktion ist Professor G. Lavezzari. Er benutzte beim
Wiederaufbau alle noch verwendbaren Stücke der präch-
tigen Dekoration, wie zum Beispiel den schönen Putten-
fries und anderes. Neu herzustellen waren die fünf Statuen,
welche das Gebäude krönen. Zwei derselben wurden von
E. Cadorin ausgeführt, zwei von G. Bortotti, eine von
Zanchetta. Von ganz besonders guter plastischer Fern-
wirkung ist die Meernymphe von Cadorin. Zwei der be-
treffenden Statuen sind Reproduktionen der herabgestürzten,
allzustark verstümmelten: die Nackte des Zanchetta und der
Faustkämpfer des Bortotti. Sämtliche Statuen sind in istri-
schem Marmor ausgeführt.

Viel hat in der letzten Zeit hier das Verschwinden des
so wertvollen Gemäldes, unbestrittenes Meisterwerk des
Giorgione, aus dem Palazzo Loschi (jetzt Zileri) in Vicenza
von sich reden gemacht. Kein Kunstfreund verließ Vicenza,
ohne dieses Bild, »Christus, sein Kreuz tragend«, ein Brust-
bild in kleiner Lebensgröße, gesehen zu haben. Daß erst
jetzt Lärm geschlagen wird über den Verkauf des Bildes,
beweist, wie wenig man sich hier und im besonderen in
Vicenza selbst um dieses Juwel kümmerte; denn der Ver-
kauf an Miss Gardner in Boston geschah schon vor acht
Jahren! In Bryans Künstlerlexikon, sowie in anderen Ver-
zeichnissen ist das Bild erwähnt als im Besitze jener Dame.
Jedesmal wenn ein Kunstwerk über den Ozean oder nach
England gegangen ist, dann erst erhitzen sich in Künstler-
und Liebhaberkreisen die Leute und geben zu erkennen,
wie sehr ihnen das verschwundene Kunstwerk, welches
sie in den meisten Fällen nie gesehen haben, am Herzen
lag. Der Ankauf soll damals offen und ohne Heimlichkeit
vor sich gegangen sein, aber — man ist hier wieder um
ein hochbedeutendes Kunstwerk ärmer und die geringe
Zahl für echt gehaltener Bilder des Giorgione ist für Italien
um eine weitere Nummer verringert. Miss Gardner soll 50000
Dollars, welche man damals als Preis verlangte, nicht zu
hoch gefunden und gezahlt haben. AUGUST WOLF.

NEKROLOGE

In Stuttgart ist am 15. Februar der Kunstmaler Eugen
von Hackländer im Alter von 55 Jahren gestorben. Er war
der zweite Sohn des Schriftstellers F. W. von Hackländer;
der ältere Sohn lebt als Gutsbesitzer in Österreich.

In Mailand ist am 6. dieses Monats Vincenzo For-
cella gestorben, dessen hervorragende historische Tätigkeit,
besonders im Sammeln von Inschriftenmaterial, der Ge-
schichte und Kunstgeschichte so große Dienste geleistet hat.

F. N.

Im Alter von 74 Jahren ist in Düsseldorf der Maler
Eberhard Stammel gestorben.

In Paris ist der französische Radierer Paul Chenay
im Alter von 88 Jahren gestorben, der seine Bekanntschaft
beim größeren Publikum hauptsächlich der Verwandtschaft
mit Victor Hugo verdankte, der sein Schwager war. Er
hat das letzte Porträt des französischen Poeten geschaffen,
das den Dichter ohne Bart zeigt und wohl das bekannteste
Victor Hugo-Bild geworden ist.

WETTBEWERBE

In dem vom Kunstverein für die Rheinlande und West-
falen veranstalteten Wettbewerb um die Ausschmückung
des Foyers im Stadttheater zu Barmen ist der 1. Preis,
bestehend in Übertragung der Arbeit, dem Maler Robert
Seujfert zuerkannt worden; den 2. Preis erhielt der Maler
Adolf Lang, den 3. Preis J. König und den 4. Preis Anton
Hackenbroich.

Zur Erweiterung des alten Rathauses am Markt
in Dortmund hatte die Stadt einen engeren Wettbewerb
ausgeschrieben. Bedingung war, etwa zwanzig Häuser
am alten Rathause passend zu gestalten. Die Stadtbehörde
will bei Neubauten möglicherweise Vorschriften über die
künstlerische Gestaltung der Schauseiten machen. In diesem
Wettbewerb erhielt Regierungsbaumeister P. Drescher in
Friedenau den ersten und zweiten Preis.

St. Petersburg. Bei dem Wettbewerbe um das Grab-
denkmal für den Ingenieur Schuljatschenko war die Be-
teiligung sehr rege. Allein aus Petersburg waren 47 Projekte
vorgestellt worden, aus der Provinz etwa 20. Den ersten
Preis erhielt Architekt Kidtner, den zweiten stud. archit.
Paul Nachmann. Diese Entwürfe, zur Ausführung in Beton
bestimmt, werden in einem der nächsten Hefte der Zeit-
schrift ;>Sodtschi (Architekt)« publiziert werden. .chm-

DENKMALPFLEGE

Das Eisenacher Lutherhaus soll mit seinem ge-
samten historischen Inventar und seinen Dokumenten ver-
kauft werden. Es ist Gefahr vorhanden, daß die denk-
würdige Erinnerungsstätte, die zum großen Teil noch den
Geist der deutschen Reformationszeit widerspiegelt, einer
Terrainspekulation zum Opfer fällt und für immer vom
Erdboden verschwindet. Hier hat die Denkmalpflege eine
Aufgabe zu erfüllen.

Eine gründliche Restaurierung des Abendmahls von
Lionardo soll endgültig in Angriff genommen werden
und zwar wahrscheinlich nach der Renovierungsmethode,
die schon vor etwa zwei Jahren der Mailänder Professor
Cavenghi bei einem Ausschnitt des Werkes versucht hat,
das heißt in der Weise, daß jedes der sich ablösenden
Farbenteilchen durch farblosen Leim befestigt wird.

Spoleto. Die uralte Basilika von San Salvatore soll
vollständig restauriert werden. Daß man ans Werk gehen
kann, ist dem Professor Sardini zu verdanken, der die Sache
angeregt hat, und dem Ingenieur Morani, welcher die Mittel
liefern wird. F. H.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Rom. Im Frühjahr dieses Jahres werden mit der größten
Wahrscheinlichkeit die im April igo4 unterbrochenen Ausgra-
bungen der Ära Paris Augustae wieder aufgenommen wer-
den. Die Arbeit kann jeden Augenblick begonnen werden,
denn die Maschinen zum Auspumpen des Wassers sind
bereit und brauchen nur wieder an den bestimmten Stellen
aufgestellt zu werden. Den Lesern der Kunstchronik wird
es wohl interessant sein zu erfahren, wie die schwierigen
unterirdischen Ausgrabungen zwischen den Fundamenten
von Häusern und in einem höchst wasserreichen Boden
mit so viel Glück und reichem Erfolg ins Werk gesetzt
worden sind. Professor Angelo Pasqui, dem als tech-
nischer Ratgeber der Ingenieur Canizzaro zur Seite gestellt
worden war, beschloß nach Auffindung der ersten Ara-
fragmente den ganzen Bereich des großen Monumentes
durch Galerien zu untersuchen, um den genauen Plan auf-
zunehmen und die Skulpturenfragmente wieder ans Licht
befördern zu können. Unaufhörlich mußten die Pumpen
dabei arbeiten, um das immer reich sprudelnde Wasser
abzuleiten. Die Galerien wurden in einer Tiefe von 9—10
Metern unter dem Straßenniveau gegraben, so daß die For-
schung auf dem Boden der augusteischen Zeit von statten
gehen konnte. Die angegrabenen Galerien wurden dann
immer ausgemauert und überwölbt. Auf diese Weise
konnte man den mittleren Kern aus Tuf, auf welchem der
Altar stand, auffinden, und ungefähr die Hälfte der Um-
fassungsmauer, die den heiligen Platz umschloß. Diese
 
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