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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [2]
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0163

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309

Neues aus Venedig — Nekrologe — Personalien

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ein, da sie einerseits die Tradition und Verbindung mit
der altenglischen Schule, der Akademie und den Prä-
raffaeliten aufrecht erhält, aber auch zugleich als Mäcenas
jedem echten, unabhängigen Talent zur Anerkennung zu
verhelfen sucht. Das von ihr ausgestellte Bild »Girl
Singing«, mit einer präraffaelitischen Note und einem An-
klang an Leighton, gehört zu den besten hier zur Ansicht
dargebotenen Werken. Auch Holman Hunt beschickte die
Ausstellung mit drei Gemälden. Mrs. Barrington hat kürz-
lich ein Buch, ihre Erinnerungen an Watts, herausgegeben
und wird ferner eine Biographie über Leighton verfassen,
die uns besonders interessieren muß, da das Kapitel über
des letzteren Jugendepoche 41 Briefe enthält, die der spätere
Lord Leighton von Frankfurt a. M. aus, während seines
Aufenthaltes im Städelschen Institut, als er dort unter
Steinle studierte, geschrieben hat.

Mrs. Watts hat für die »National Gallery« das von
ihrem verstorbenen Gatten herrührende Gemälde »Echo«,
mitunter auch »Nymphe« oder »Dryade« genannt, gestiftet.
Das Bild stammt aus dem Jahre 1847 und stellt eine nackte
Figur in einer schönen, einsamen, mit Bäumen und Fluß
versehenen Landschaft dar. Die sinnende Gestalt mit dem
träumenden Blick scheint unentschlossen und der Wieder-
hall des Echos zum Antwortruf noch nicht erweckt zu sein.
Nach dem, was mir Watts seinerzeit über dies Gemälde
mitteilte, resp. mich erraten ließ, wäre es wohl geeignet,
als Unterlage zu einem Roman zu dienen.

Der bei Agnew ausgestellt gewesene Velasquez »Venus
und Cupido« ist nunmehr für 900000 Mark in den Besitz
der englischen Nation übergegangen. Zwei Mitglieder der
600 Personen zählenden Vereinigung »The National Art
Collection Fund« zeichneten allein je 300000 und 160000
Mark! — Ausnahmsweise hat die königliche Akademie
diesmal zwei Kupferstecher, Mr. Frank Short und W. Strang,
zu den ihrigen erwählt. o. v. schleinitz.

NEUES AUS VENEDIG
Aus der sehr weitläufigen, öffentlich abgelegten Be-
richterstattung der Baukommission des Markusturmes über
den Fortgang der Arbeiten kann folgendes als wichtig mit-
geteilt werden: Die Verstärkung der Fundamentierung
durch Pfahlrost sowie durch in weitem Viereck ringsum
genau ineinander gefügter Marmorblöcke, bis zur Tiefe von
fünf Meter versenkt, ist beendet. Diese Arbeit hat
258638 Lire gekostet. Für Weiterführung des Baues sind
weitere 35844 L. verausgabt. Andere indirekte Ausgaben
sind mit 38597 L. verzeichnet. Man hat für die Fertig-
stellung des ganzen Turmes auf 1800000 Lire veran-
schlagt, von welchen bereits 333120 Lire verausgabt wur-
den. Die Kommission verspricht den Bau im Innern auf
Grund der neuesten Errungenschaften der Bautechnik
auszuführen, so zwar, daß das Gesamtgewicht um ein gutes
Teil verringert werde, das heißt sich wie 11:14 verhalten
wird, im Vergleich zur Last des alten Campanile, wodurch
erreicht werde, daß die Last auf Untergrund und Funda-
mentierung statt 9,93 kg auf je 2 qcm, wie beim ein-
gestürzten Turme, nunmehr nur noch einen Druck von
4,3 kg ausüben werde. Trotzdem soll der Bau in seiner
Erscheinung aufs allergenaueste dem eingestürzten Turme
entsprechen, ebenso, genau wie früher, die Loggetta sich
anlehnen. Letzthin hat sich eine Polemik darüber ent-
sponnen, ob statt der drei früher sichtbaren Basisstufen
auch die beiden, durch stete Erhöhung der Pflasterung des
Platzes verschwundenen, wiederhergestellt werden sollten.
Das Programm lautet: »Der Turm muß wieder aufgebaut
werden wo er war und wie er war (,dove era e coine
era')«. Die Extremen glauben nun, daß durch die bereits

hergestellten fünf Sockelstufen statt drei das Programm
verrückt worden sei. Es steht zu hoffen, da man nun
endlich der in der Tiefe waltenden Naturkräfte, Wasser-
läufe, Quellen usw. Herr geworden und der Sockel sich be-
reits über dem Boden erhebt, der Weiterbau möglichst
rasch gefördert werde.

Seit fünf Jahren vorbereitet, ist endlich das Verzeichnis
aller hiesigen Baudenkmäler, sowie sämtlicher in die Bauten
eingefügter Fragmente, Inschriften usw. erschienen. (»Elenco
degli edifici monumentali e dei Frammenti storici e artistici
della cittä di Venezia.« C. Ferrari 1905.) Diese vom Bür-
germeisteramte besorgte schöne Publikation ist mit der
größten Sorgfalt gearbeitet und in allen Buchhandlungen
zu haben. Die ganze stattliche Masse ist aufgezählt nach
den sechs Stadtteilen, den Inseln. Sie verteilt sich folgen-
dermaßen: Monumentalbauten und Fragmente 2880, und
zwar im Stadtteil S. Marco 475 (allwo der Dogenpalast
und die Markuskirche mit je einer Nummer figurieren),
580 Castello, 638 Cannaregio, 280 S. Polo, 235 Sta. Croce,
387 Dorsoduro, 85 die Giudecca- und andere Inseln. Die
Zahl der Kirchen beläuft sich auf 114, Paläste 526, davon
189 gotisch und maurisch-gotisch des 14. und 15. Jahr-
hunderts, 387 der Renaissance und anderen Stilarten an-
gehörig. 1651 Nummern begreifen die Fragmente usw.
in sich. Der Zweck der Publikation ist, auf Grund des
Verzeichnisses alles Vorhandene genau überwachen zu
können, und weiteren Opfern der Spekulation vorzubeugen.
Man ist leider mit diesem Verzeichnis um mindestens 60
Jahre zu spät gekommen. Doch immer besser spät als
: gar nicht.

* ■ • *


Gegenüber der Akademie, im Palazzo Contarini, ist
soeben eine permanente Ausstellung eröffnet worden auf
Grund einer Vereinigung einiger der hervorragendsten
hiesigen Künstler. An der Spitze stehen die Maler O.
j Ciardi, E. v. Blaas und L. Nono. Sie waren so glücklich,
I einen Kapitalisten zu finden, der das Lokal aufs schönste
ausgestattet hat. Vielleicht gelingt es, den Fremdenstrom
dahin zu leiten. Die für einen Vorteil gehaltene Nähe der
Akademie ist vielleicht gerade das Gegenteil. Die Ver-
einigung nennt sich im Gegensatz zu dem bestehenden
Künstlerverein Vereinigung der Künstler (Societä degli artisti).
Die Teilnehmer müssen sich verpflichten, nichts in den
Verkaufslokalen des Markusplatzes auszustellen. Sie wer-
den einen schweren Stand haben. a. wolf.

NEKROLOGE

Rom. Der Ingenieur Giulio de Angelis, Direktor des
Ufficio regionale per la conservazione dei Monamenti ist ge-
storben. Seiner Tätigkeit als geschmackvoller, gewissen-
hafter Restaurator verdanken wir unter anderen die Wieder-
herstellung des Palazzo Vitelleschi in Corneto und der
Loggia dei Papi in Viterbo. f. h.

In Paris ist im Alter von 78 Jahren der Lithograph und
Karikaturenzeichner Etienne Carjat, der gleichzeitig Photo-
graph, Schriftsteller und Poet war, gestorben. Dort starb
ebenfalls die Witwe Manets, 73 Jahre alt, die einer alten
holländischen Künstlerfamilie namens Leenhoff entstammte.

PERSONALIEN
Adolf von Hildebrand hatdieministerielleZustimmung
zur Abhaltung privater Lehrkurse an der Münchener Kunst-
akademie erhalten. Da er die Stelle eines Akademiepro-
fessors als Nachfolger des verstorbenen Professors Ruemann
 
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