Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

DOI article:
Hermanin, Federico: Die römische Kunstausstellung im Palazzo delle Belle Arti
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0225

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVII. Jahrgang 1905/1906 Nr. 28. 8. Juni

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewei beblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE RÖMISCHE KUNSTAUSSTELLUNG IM
PALAZZO DELLE BELLE ARTI

Man sagte schon überall in Rom, daß die Kunstlieb-
habergesellschaft es dieses Jahr wohl unterlassen würde,
die gewohnte große Frühlingsausstellung einzurichten, um
gegen Stadtverwaltung und Regierung zu protestieren, die
schon seit Jahren den Raum im Ausstellungspalast immer
mehr eingeschränkt haben, so daß jetzt nur das Eidgeschoß
für die Ausstellungen frei bleibt und statt dessen das helle
Obergeschoß zur Aufnahme der Kgl. Nationalgalerie mo-
derner Kunst eingeräumt worden ist. Im Stadtrat wurde
debattiert, die Regierung versprach so halb und halb, die
Galerie wo anders hin zu transportieren, aber da man erst
den nötigen Palast bauen soll und die Künstler mit ihrer
Ausstellung wohl zu lange warten müßten, so ist die sechs-
undsiebzigste Ausstellung eröffnet worden und man kann
wohl sagen, daß sie zu den besten zu rechnen ist, die wir
in den letzten Jahren gehabt haben. Aus allen Provinzen
Italiens sind Werke geschickt worden und wenn sich auch
weniger Fremde beteiligt haben, so sind gerade darunter
diesmal sehr gute Kräfte. Wie immer, wenn man Kunst-
werke aus Süd-, Mittel- und Norditalien beisammen sieht,
überrascht einen die innere Verschiedenheit dieser Künst-
ler, ihre Auffassungsweise, ihr Ausdruck. Von den leuch-
tenden, sinnlichen Bildern der Sizilianer und Napoletaner
bis zu den ernsten, sinnreichen der Piemontesen und Lom-
barden, die so manches nordische Element in sich halten
und einen inneren Drang zeigen, durch das Kunstwerk mehr
auf das Gemüt, als auf die Sinne zu wirken, welch ein
Unterschied! Für die nordischen ist Polizza da Volpedo
charakteristisch und sein Frühlingsreigen, wo muntere
Knaben und Mädchen auf grünem Rasen, zwischen blühen-
den Obstbäumen tanzen, scheint so recht herausgegriffen
zu sein aus der kindlichen Freude, die der Nordländer für
das Wiederkehren des Frühlings nach dem Winter fühlt.
Die gleiche kindliche Freude des Meisters an der Natur
sieht man in seinem anderen Bilde, wo ein langer Zug
Schafe auf einem schmalen Damm durch einen Sumpf geht.
Dem engen Winterleben in der Lombardei, in den Stuben,
in welche der Widerschein des Schnees hereinleuchtet,
entnimmt Angelo Morbelli seine Bilder alter Armenhäus-
lerinnen, die aber durch dreifache Wiederholung von Typen
und Farben monoton wirken. Farbenkraft und Darstellung
inneren Lebens weiß Antonio Rizzi meisterhaft zu ver-
einigen in einem großen Bilde mit Männern und singenden
Frauen, die bei untergehender Sonne von der Feldarbeit
heimkehren. Die wenigen Gestalten sind so freudig schön,
das Licht so wahr, daß man den engen, gar zu engen
Rahmen sprengen möchte und das Auge über das Weite,
in der Abendsonne funkelnde Stoppelfeld schweifen lassen.

Die junge Kraft Antonio Rizzis ist mehr als ein Ver-
sprechen. —

Von Lombarden sind noch Gola zu nennen, Bazzaro
und Mariani. Von den Piemontesen sind nicht viele da,
aber unter den wenigen einige Ausgezeichnete, wie Car-
paneto, Giuseppe Sachen mit seinen effektvollen farbigen
Zeichnungen, Filiberto Petiti und Giovanni Mochi.

Neu erscheinen einem jetzt die Venezianer, nicht so
wegen der Maler, die aus der Lagunenstadt selbst stammen
und immer noch zu sehr an den farbenprächtigen Dar-
stellungen ihrer Kanäle, Paläste und Kirchen festhalten,
als wegen der Venezianer der Terra Ferma, die mehr An-
lehnung an die nahen Lombarden zeigen und die ruhige,
innerlich reichere Art vorziehen wie Francesco Sartorelli,
welcher den einsamen Kanälen der äußeren Lagunen innige
Schönheiten abzulauschen weiß, die nicht im Glänze der
Sonne sprießen, wohl aber im stillen Dämmerlicht von
Nebel, ruhig glänzendem Wasser unter wolkigem Himmel.
Wer die Kanäle bei Torceilo und Burano gesehen hat und
wie die helle Sommersonne auf den üppigen Granatäpfeln
glänzt, die sich von den Gartenmauern auf das blaue Wasser
neigen, dem erscheinen die Bilder Inverno und S. Francesco
nel deserto von Sartorelli wie melancholische Träumereien
eines Kindes der Sonne, aber wie viel innerlicher Gehalt
ist in diesen grauen intimen Bildern, in denen die Land-
schaft, die der Fremde nur in lachenden Farben sehen
möchte, den Einheimischen, der den langen strengen Winter
Norditaliens kennt, anheimelt. Ernst und intim sind die
Sachen von dem Veronesen Dall'Oca Bianca, und auch
Fragiacomo hat interessante Nebelbilder ausgestellt. Es
ist dies wie ein gewolltes Suchen nach stillen Farben, nach
innigen Szenen aus dem intimen Leben, was viele junge
italienische Künstler jetzt verfolgen. Man schaue sich ein
Bild, was neben diesen Venezianern hängt, an. Ein kleiner
runder See liegt still unter dem dämmerndem Himmel, auf
dem ein blasser Mond aufgestiegen ist. In der großen
Ruhe nur zwei Hasen, die am Ufer hocken und neugierig
aus dem dürren Gras herauslugen. Und der Maler dieses
farblosen, grauen Bildes, welcher wohl auch ein Deutscher
sein könnte, dem die ganze süße Märchenwelt bei der
stillen Naturbetrachtung im Herzen wach geworden wäre,
ist ein Kind des farbigsten Südens, Alceste Campriani aus
Neapel.

Ein feiner, sinniger Künstler ist sonst auch immer der
Bolognese Majani, der in seinen kleinen Bildern einen so
tiefen Sinn für Natur und Leben auszudrücken weiß. Dieses
Jahr hat er leider nur zwei Landschaften und ein Porträt
ausgestellt, die man nur wegen der Eigentümlichkeit, daß
sie blau in blau gemalt sind, anschaut. Luigi Bompard, der
gefeierte bologneser Porträtist, stellt zwei kräftige, aber
unsympathische Porträts aus. Unbedeutend ist die toska-
nische Gruppe, bis auf einiges von Gioli, Nomellini, Chini
 
Annotationen