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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Dülberg, Franz: Münchener Brief
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Wulff, Oskar: Der Erhaltungszustand des ravennatischen Mosaiks im Kaiser Friedrich-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0012

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Der Erhaltungszustand des ravennatischen Mosaiks im Kaiser-Friedrich-Museum

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seiner Kunst ganz italienischen Bildhauers Fürsten
P. Trubetzkoi aus Moskau zu sehen. Den hat man
einen Impressionisten der Skulptur genannt, weil er
die Zufälligkeiten einer eilfertigen Ton- oder Wachs-
modellierung im Bronzeguß starr werden läßt, eine
recht arge Vergewaltigung so edlen Materials. Einen
Versuch zu großem Stil gibt er in seinem Entwurf
eines Dantemonuments, der Dichter in langem, die
Arme verdeckenden Mantel auf einem abgebrochenen,
mit Flachreliefs gezierten Obelisken. Die anderen
Sachen, eine Dame, die auf dem Rasen liegt, ein
Rind, das sich kratzt, eine sich umschauende Dame
mit einem Fächer, eine Mutter, die ihr Kind an sich
drückt und liebkost, haben alle eine gewisse lebhafte
Augenblicklichkeit, sind aber eigentlich mehr »resches«
Gebäck als Plastik. Wie überreich Lenbach war,
sieht man am besten daraus, daß trotz der gleichzeitig
stattfindenden großen Gedächtnisausstellung noch
mehreres von ihm in derselben Stadt bei Kunst-
händlern zu sehen ist, hier unter anderen das große
Bildnis einer schönen, stolzen, gedankenlosen Frau
mit den Händen auf dem Rücken, turbangeschmückt,
und ein in seiner angenehm kühlen Haltung besonders
erfreulicher Moltke, nach links gewandt. Von Gysis
sah man ein 1870 entstandenes Bild eines Mädchens,
das im Frühling mit einem Blütenzweig im Grase
liegt. Der gute Gegensatz eines braunen Tuches zu
dem dunkelgrünen Rasen erinnert an Courbet und
den frühen Trübner. Gleichfalls französisches Kunst-
blut spürte man vor Faber du Faurs orientalischem
Reiterzug. Das Bild ist undeutlich, zum Teil mit
Spachtel und Messer gearbeitet, aber die Leuchtkraft
des matten Rot, des Orange, Violett und Grün vor
blauweißgestreiftem Himmel läßt an die Gluten des
Delacroix denken. Von Gabriel Max gab es neben
vielem Seifigen ein tiefgestimmtes Farbenkonzert mit
dem Merkspruch »Zeit und Raum — Lebenstraum».
Eine Frau in loser weißer Gewandung schaut prüfend
in einen Spiegel. Ein dunkelvioletter Vorhang und
bräunliche Abendlandschaft umrahmen die bleiche
Erscheinung. Von F. A. v. Kaulbach sah man wieder
ein großes Porträt der »Guerrero«, diesmal in langem,
weißen, beblümten Gewand, von Stuck, der im Glas-
palast diesmal leider arg hinter seinem Aufschwung
vom vorigen Jahre zurückbleibt, das etwas selbst-
gefällige Profilbild des Künstlers beim Malen, eine
Dame in rotem Gewand, die mit einem Kettchen
spielt, und ein durch die Technik interessantes Stück:
eine Frau mit unsympathischem vordringlichen Ge-
sichtsausdruck, die die Hände vor der Brust spreizt.
Hier ist alles aus einer weißlich graugrünen Grund-
farbe breit herausgearbeitet, nur einige hineingewirrte
rote Fäden deuten die Gewandfarbe an. Endlich sei
noch ein edelsteinartig funkelndes Stück von Zügel
erwähnt, Kühe an einem Waldsee mit dem einge-
schlafenen Hirten (intensives hellviolettes Leuchten
des besonnten Bodens, lichtgrünes Laub im Hinter-
grund), ein feiner Gotthard Kühl, die Dresdener Elb-
brücke im Winter, mit stahlblauem Wasser und zarter
Farbensymphonie der schmelzenden Schneeflächen,
hervorgehoben, eine Reihe guter Sachen von Hans

v. Bartels gerühmt und zum Schluß auf zwei farbig
besonders zarte Arbeiten jüngerer Künstler hingewiesen.
Max Kuschel erzählt mit einiger Anlehnung an Gaspard
Poussin die Geschichte eines Fauns, der eine Nymphe
bei Gewitterstimmung durch einen Bergbach trägt.
Wie gut ist das flackernde Licht auf den gepeitschten
Bäumen des Hintergrundes gegeben! Aber der Frauen-
leib ist ganz weiß, allzu weiß. Walter Geffcken hat
diesmal in der großen Ausstellung, wohl vornehmlich
für ein interessant gruppiertes, aber in der Farbe
etwas gesüßtes und in den Ähnlichkeiten nicht ein-
wandfreies Doelenstück, das ihn mit drei Freunden
darstellt, einen zweiten Preis bekommen. Der kolo-
ristisch schwerer bewegliche Karl Bauer würde den
Kern einer solchen Aufgabe besser getroffen haben.
Hier gewährt Geffcken die reinsten Freuden durch
ein kleines Bild, das »Andromeda« heißen mag. Das
zarte Mädchen sitzt auf dem grünschimmernden Fels.
Durchsichtiger Schleier in einem ganz seltenen Schar-
lachrosa verdeckt sie kaum. Der etwas spitzige
Drache mit rosigem Kamm und tellerartigen glasigen
Augen sitzt hinter ihr. Eine Robbe springt aus dem
Wasser empor und macht ihre Reverenz. Und wie
viel delikate Sachen von allerhand Grün und Rosa
sind in der Malerei des Wassers und des Himmels
ausgepackt!

DER ERHALTUNGSZUSTAND
DES RAVENNATISCHEN MOSAIKS
IM KAISER-FRIEDRICH-MUSEUM.

Im Septemberheft der Rassegna d'Arte bespricht Corr.
Ricci die ehemalige Kirche S. Michele in Affricisco zu
Ravenna und das im Jahre 1844 abgenommene, seit 1851
in Berlin befindliche Mosaik ihrer Tribuna. Seine Mittei-
lungen bringen wichtige Daten zur Geschichte des Baues
vor dessen im Jahre 1805 erfolgter Säkularisierung und
sind von mehreren älteren Ansichten des Denkmals (von
1848, 1860 und 1875) begleitet, wie nur Ricci sie aus
seinem einzigartigen Spezialarchiv ravennatischer Kunst
geben konnte. Für diese Gabe gebührt dem hochver-
dienten Erforscher seiner Vaterstadt unser vollster Dank.
Das Mosaik betreffend gibt Ricci einen ausführlichen Aus-
zug aus der von mir nach aktenmäßigem Material abgefaßten
Darstellung der wechselvollen und leider nur allzu traurigen
Peripetien seiner Abnahme und wiederholten Restauration.
Er zieht dann daraus den kurzen Schluß, daß die ursprüng-
lichen Stücke nur einen minimalen Bruchteil des jetzigen
Bestandes ausmachen und daß sich Berlin in Wahrheit
nicht des Besitzes eines byzantinischen Mosaiks freuen
könne, wenn auch Ravenna ein solches verloren hätte.
Zum Glück, — nicht nur für das Berliner Museum, sondern
auch für die Kunstgeschichte, — hinkt diese Antithese doch
ein wenig.

Ich war in meiner Untersuchung zu einem sehr viel
tröstlicheren Ergebnis gekommen, und da Ricci auf diesen
Teil meiner Ausführungen gar nicht eingegangen ist, so
muß ich angesichts der Autorität, die er mit Recht genießt,
nochmals kurz die Tatsachen hervorheben, auf die sich
mein Urteil gründet1). Es ist richtig und sollte nach der
freimütigen Absicht der Redaktion des Jahrbuchs der

1) Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein Versehen
betreffs der Maßangabe der Apsisweite von S. Michele
 
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