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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Die Liste der Denkmäler
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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0074

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Pariser Brief

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jenes Gesetz in Hessen für die Praxis weit weniger
wirksam sei als »anderswo« ein guter Verwaltungs-
apparat. »So, wie die Dinge heute liegen, handeln
die Staaten immer noch besser, die einstweilen den
Denkmalschutz auf administrativem Wege pflegen«.

Wir erwarten von gesetzlicher Festlegung der
Denkmalpflege nach ihrem vollen Umfange vielmehr ihre
Fesselung, Verknöcherung und Schwächung; ja schon
von jedem Versuche zu solcher Festlegung eine Schädi-
gung. Von der Denkmalliste aber können wir uns nur
dann etwas Gutes versprechen, wenn sie auf Aufführung
von Gegenständen beschränkt wird, die seither von
Rechts wegen der Willkür Einzelner unterworfen sind.
Daß die Aufstellung solcher Listen möglich ist, soll
nicht bestritten werden; wer sich aber einbildet, eine
solche Liste könne und werde mit Gesetzeskraft be-
bekleidet werden, der hat eine starke Einbildungskraft.

PARISER BRIEF

Von Karl Eugen Schmidt

Die Bilder des verkrachten Zuckerkönigs Cronier,
die jetzt versteigert worden sind, haben außerordent-
lich hohe Preise erzielt, und an der Spitze steht ein
Bild von Fragonard, das mit 420000 Franken bezahlt
wurde. Degas, der bekannte Maler und Ironist, pflegt
zu sagen, seit es Maler gäbe, habe man noch kein Bild
gemalt, das mit 12000 Franken nicht reichlich bezahlt
sei. Zum Glück für die Händler gibt es Leute, die
anderer Ansicht sind. Dieses Bild von Fragonard hat dem
Versteigerer die Kleinigkeit von 42000 Franken ein-
gebracht. In der gleichen Versteigerung kamen Bilder,
Wandteppiche und sonstige Kunstwerke unter den
Hammer, die zusammen 5200000 Franken brachten.
Der Versteigerer erhält davon zehn Prozent, also
etwas mehr als eine halbe Million. Und das verdient
er an einem einzigen Tage, gewissermaßen im Hand-
umdrehen. Die Versteigerer bilden in Paris eine ge-
schlossene Körperschaft, welche das Monopol der
öffentlichen Auktionen ausübt, genau wie auch die
Börsenagenten, die Advokaten und andere Leute im
Lande der Bastillestürmer und der Freiheit und Gleich-
heit vom Staate garantierte Monopole ausüben. Es
gibt nur sechzig Auktionatoren in Paris, und diese
sechzig einigen sich, wie sie wollen, über die Be-
dingungen der Versteigerungen. Nun gärt es schon
seit vielen Jahren in den Kreisen der Künstler gegen
dieses Monopol. Man kann die Ursache dieser Gä-
rung sehr wohl verstehen, denn schon der Fragonard
für 420000 Franken gibt uns ein Beispiel dafür.
Fragonard ist vor hundert Jahren in Elend und Armut
gestorben, das »Billet doux«, welches jetzt mit nahe-
zu einer halben Million bezahlt worden ist, wurde
vor achtzig Jahren von dem Schriftsteller Feuillet de
Conches in einer Gerümpelbude entdeckt und für
ein paar Franken gekauft. An ähnlichen Beispielen
fehlt es nicht: Bilder von Millet, von Rousseau, von
Daubigny, von Daumier usw., die jetzt mit 20000,
ja 100000 Franken bezahlt werden, haben ihren Ur-
hebern nicht den zehnten Teil dieses Preises einge-
bracht. Die Künstler möchten also, daß bei den

Versteigerungen und bei den sonstigen Weiterver-
käufen nicht nur die Händler, sondern auch die
Urheber der Gemälde oder ihre Angehörigen profi-
tieren. Und zwar schlagen sie vor, daß von den
zehn Prozent, welche die Versteigerer einstecken, in
Zukunft ein Prozent dem Urheber oder seinen Erben
ausgezahlt werde. So bescheiden diese Forderung
aussieht und in Wirklichkeit ist, handelt es sich dabei
doch um sehr bedeutende Summen, denn in Paris
finden im Winter tagtäglich mehrere Gemäldever-
steigerungen statt, und der jährliche Umsatz beläuft
sich ohne Zweifel auf mehrere hundert Millionen.
Gerade aber, weil so im Laufe des Jahres eine be-
trächtliche Summe zusammenkäme, die aus den Taschen
der Auktionatoren fließen müßte, werden die Stimmen
der Künstler verhallen wie die Stimme des Predigers
in der Wüste. Die Monopolisten des Hotel Drouot
werden sich hüten, freiwillig einen jährlichen Tribut
von mehreren Millionen herzugeben, und im Parlament
hat man wichtigeres zu tun, als sich um solche
Lappalien zu kümmern. Eines der modernen Bilder
der Sammlung Cronier, »Der Waldweiher« von
Rousseau, ist mit 110500 Franken bezahlt worden,
und dabei erinnert man sich daran, daß wenige
Wochen vor dem Tode Rousseaus zwei Pariser
Händler den ganzen Inhalt seines Ateliers, einige
vierzig Bilder und Tausende von Skizzen und Zeich-
nungen, für etwas mehr als die Hälfte von dem ge-
kauft haben, was jetzt ein einziges dieser Bilder
bringt. Aus all dem geht hervor, daß es besser ist,
mit Bildern zu handeln, als sie zu malen. Aber das
gleiche kann man auch von jedem anderen Berufe
sagen: überall verdient der am meisten, der mit der
Arbeit der anderen den Markt bezieht.

Der Louvre hat durch die Stiftung der »Freunde
des Louvre« eine außerordentlich schätzenswerte Be-
reicherung seiner Sammlungen erhalten. Es handelt
sich um eines der vorzüglichsten Gemälde der primi-
tiven französischen Schule, der sogenannten Schule
von Avignon. Avignon war schon unter seinem
kunstsinnigen König Rene ein Zentrum der bildenden
Kunst und überhaupt der damaligen Kultur, und in
höherem Grade traf dies noch ein, als die Päpste
hierher übersiedelten. Bis in unsere Tage hinein
schenkte man jedoch der Kunst aus jener Zeit nicht
die geringste Aufmerksamkeit, und die französische
wie die deutsche Kunst hat sich ihre Beispiele nicht
im eigenen Lande, sondern in Italien geholt. Während
man David und Winckelmann blindlings folgte, ver-
achtete man die primitive deutsche und französische
Kunst. Eher noch als Frankreich besann sich Deutsch-
land auf seine primitiven Künstler. In Frankreich hat
man erst in allerjüngster Zeit angefangen, der franzö-
sischen Kunst des 14. und 15. Jahrhunderts, also vor
der Überschwemmung der italienischen Renaissance,
die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Die
im vorigen Jahre im Louvre zusammengebrachte
Ausstellung der französischen Primitiven förderte da-
bei überraschende Resultate zutage, und besonders
Avignon offenbarte frühe Meister, die man mit den
gleichzeitigen Niederdeutschen, mit van Eyck, Memling
 
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