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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Neumann, Carl: Rembrandts Nachtwache in ihrer neuen Aufstellung im Reichsmuseum zu Amsterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0265

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von t. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVII. Jahrgang 1905/1906 Nr. 32. 24. August

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

Die nächste Nummer der Kunstchronik erscheint am 21. September.

REMBRANDTS NACHTWACHE
IN IHRER NEUEN AUFSTELLUNG IM REICHS-
MUSEUM ZU AMSTERDAM

Von Carl Neumann.

Die Eröffnung des neuen, für die Nachtwache erbauten
Saales im Reichsmuseum war der Mittelpunkt der Festlich-
keiten, mit denen Amsterdam am 16. Juli 1906 den 300. Ge-
burtstag Rembrandts beging.

Man kann über die Wertung der Nachtwache inner-
halb der Schöpfungen des Meisters verschiedener Meinung
sein und vielleicht Anstand nehmen, sie als seine höchste
Leistung zu bezeichnen: soviel aber bleibt gewiß, daß sie
sein eigenmächtigstes, souveränstes und — man kann in
einer Zeit, die das ganz Individuelle so besonders hoch-
schätzt, hinzufügen, sein individuellstes Werk bildet: damit
hängt nun zusammen, daß sie schlecht in Gesellschaft paßt
und ihre ganz besonderen Daseinsbedingungen fordert.
Es ist zu hoffen, daß das Bild nunmehr endlich die ihm
zusagende räumliche Fassung gefunden hat und dauernd
verankert bleibt.

Die Einweihungsfeier hat in dem alten Rembrandtsaal
stattgefunden. Vor der Wand, an der das Bild früher
hing, war ein niederes Podium aufgeschlagen, auf dem die
Königin-Mutter, Prinz Heinrich der Niederlande und ihr
Gefolge Platz nahmen. Gegenüber, im Saal, eine glänzende
Versammlung, Diplomaten, Minister, Bürgermeister, die
Mitglieder der Kammern, und nun durfte man angesichts
all der Farben, Toiletten, Uniformen, Gold- und Silber-
stickereien zum letztenmal und mit Befriedigung sich sagen,
wie ungünstig dieser Raum der Nachtwache gewesen war.
All dieses vom Oberlicht stark und stimmungslos belichtete
Publikum konkurrierte wenigstens nicht mehr mit den
wunderbar destillierten Farben und Tönen der Nachtwache,
und man konnte mit ungetrübtem Humor genießen, wie
das Licht prall auf die zahlreichen kahlen Schädel fiel, in-
des die Damen doch ihre Hüte auf dem Kopf behielten
und somit vor den Unliebenswürdigkeiten des Oberlichtes
besser geschützt waren. Von den Herren erfreuten sich
nur der türkische, persische und chinesische Gesandte des
gleichen Vorzugs, indem Fez, Lammfellmütze und Chinesen-
hut das Vorrecht der Unabsetzbarkeit genießen.

Ich erwähne diese kleinen Beobachtungen, denn sie
bilden die Folie für den Hauptvorzug des neuen Saales,
seine Dunkelheit, die das Publikum verschluckt, genau so
verschluckt, wie das moderne Theater den Zuschauerraum
zugunsten der hellbeleuchteten Bühne in Nacht hüllt. Denn
das ziemlich hohe Seitenlicht, das durch ein fünfteiliges
Fenster in den Saal fließt, ist verhindert, sich gleichmäßig

darin auszubreiten, indem an den Pfosten sämtlicher Fenster-
teile Läden in einer Richtung angebracht sind, die das
Licht auf das Bild hin kanalisiert und gegen den Zuschauer-
raum absperrt. Damit ist der gesamte rückliegende Raum
des neuen Saales in Dämmerung getaucht, welche die
früher so widerwärtig wirkenden Farbenkleckse der Toi-
letten der Besucher aufsaugt. Ist dies nun eine beseitigte
Störung, so darf man weiterhin die positive Hauptsache
feststellen, daß die neue Beleuchtung aus dem Bild heraus-
holt, was irgend möglich ist. Steht man der Nachtwache
gerade gegenüber, so sind freilich die Reflexe auf der
oberen Bildfläche noch vorhanden; sie verschwinden aber,
sobald man seinen Platz an der Fensterwand nimmt, und
dann steht die ruhige, dunkle obere Hälfte mit der leb-
haft farbigen und beleuchteten unteren Figurenhälfte in
vollkommenem Gleichgewicht.

Über die allgemeine Anordnung des neuen Raumes
habe ich mich auf Grund des Planes, der dem offiziellen
Bericht an die Königin (1902) beigefügt war, in der zweiten
Auflage meines Rembrandtbuches S. 648 f. geäußert. Es
ist ein Oblongum von mäßiger Größe. Über die Dekoration
des Saales war in jenem Bericht nichts genaueres mitge-
teilt worden. Nun sie vollendet ist, erübrigt sich die Frage,
ob diese Dekoration dem damals ausgesprochenen Pro-
gramm »einfach, aber deftig« entspricht, und ob sie die
Wirkung der Nachtwache steigert. Die Wände des Saales
sind bis zu einer gewissen Höhe mit mattem dunklem
Eichenholz getäfelt, über dem die grünblau schablonierte
Wand aufsteigt. Diese beiden Wandstreifen, der getäfelte
und der schablonierte sind vertikal zusammengefaßt durch
eine große Ordnung korinthischer Pilaster von demselben
Eichenholz wie das Getäfel, die ein volles Gebälk mit
Sims tragen, auf das eine Hohlkehle folgt und die flach
kassettierte braune Holzdecke. Im Ton ist das alles sehr
gut. An der den Fenstern gegenüberliegenden Langwand
ist die Mitte der Wand durch eine sehr breite Öffnung
unterbrochen, welche eine gemusterte grüne Portiere ver-
schließt. Als in den Julitagen das steile Südwestlicht
zwischen 1 und 2 Uhr auf den Fußboden des Saales fiel,
wirkte das Grün der Portiere unangenehm blendend. Es
ist aber klar, daß bei der Neuheit der ganzen Einrichtung
die Diener noch nicht genügend mit der Handhabung der
Fenstervorhänge vertraut waren und ihre Instruktionen
noch nicht genau befolgten. Hilft die Abdämpfung des
direkten Lichtes nicht genügend, so kann man die Portiere
gegen eine anders getönte auswechseln. Hierin kann man
sich getrost auf den trefflichen Direktor des Museums,
Herrn van Riemsdyck, verlassen.

Völlig entgegen meinen Wünschen ist die Nachtwache
nur wenig über Fußbodenhöhe aufgestellt. Man hat sich
 
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