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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Die Auswanderung der Werke alter Kunst aus Deutschland
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Bode, Wilhelm von: Alfred Beit als Sammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0250

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Alfred Beit als Sammler

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gezeigt haben sollten, tut dann bei uns der Staat
oder tun die Staaten — das Reich kümmert sich
ja noch nicht um Kunst! — ihre Schuldigkeit? Hat
man in Hamburg, hat man in Berlin oder Köln die
Gelder zur Verfügung gestellt, um die genannten
Sammlungen oder doch wenigstens die wichtigsten
Stücke daraus für die Museen zu erwerben? Wir
haben allen Grund, daran zu zweifeln! Man ahnt
bei uns in den maßgebenden Kreisen die Gefahr
gar nicht, man achtet sie vor allem nicht. »Was ist
ihm Hekuba?« Wenn wirklich einmal ein Minister
Verständnis für die Bedeutung der alten Kunst hätte,
wenn er offene Börse dafür haben würde, wären unsere
Kammern dafür zu haben? Und wenn überall der
gute Wille, wenn sogar Geld zur Verfügung stände,
können wir denn in Deutschland irgendwelchen Ein-
fluß dahin üben, daß die Kunstwerke nicht ins Aus-
land gehen, daß sie zunächst unsern Museen ange-
boten werden müssen? Die alten Kunstländer: Grie-
chenland, Italien, Spanien, die Türkei, selbst Japan,
haben längst ihre Ausfuhrgesetze (zum Teil mit den
rigorosesten — offen gesagt recht törichten Bestim-
mungen); selbst in England regt sich die öffentliche
Meinung, die Zeitungen und Zeitschriften diskutieren
die Notwendigkeit eines Kunstausfuhrverbotes und die
Art, wie es sich ohne Ungerechtigkeit handhaben läßt:
bei uns ist dagegen nichts geschehen, um dem Übel
zu steuern, ja man hat es künstlich großgezogen!
Bisher war wenigstens Fideikommißgut vor der Ver-
nichtung geschützt; das neue Gesetz verlangt aber
bloß Zustimmung der Interessenten zur Aufhebung
der lästigen Fideikommißbestimmungen — wer wäre
aber nicht bei amerikanischen Angeboten interessiert?
Wie lange werden also Fideikommißsammlungen wie
die Specksche bei Leipzig, die Carstenjensche in Berlin
und andere mehr noch vor der Veräußerung in das
Ausland sicher sein? Steht es aber etwa mit öffent-
lichem Besitz besser? Wer hindert unsere Städte,
wer hindert die Kirchen, daß sie ihre Kunstschätze
verkaufen? Schon verlautet, daß die Stadt Osnabrück
ihren schönen Becher an einen fremden Händler ver-
kaufen wolle, der 350000 Mark dafür geboten habe!
Und wie lange wird's dauern, bis Herr Pierpont
Morgan auch für den Domschatz in Aachen, in Essen,
Limburg und so fort Angebote macht, auf die man
lauschen wird? — Caveant Consules!

ALFRED BEIT ALS SAMMLER

Kurz nach den beiden leidenschaftlichsten und
glücklichsten Sammlern alter Bilder in Frankreich, den
Brüdern Rudolf und Moritz Kann in Paris, ist auch
der bedeutendste Bildersammler in England, der ihnen
befreundet war und dem jüngeren Kann auch ge-
schäftlich ganz nahe stand, Alfred Beit, gestorben.
Beit hat in der Finanzwelt eine Rolle gespielt, wie
wenige Männer vor ihm; er hat auch in der Politik
eine hervorragende Stellung eingenommen, so wenig
er sie suchte: nannte man ihn doch, seit dem Tode
seines Freundes Cecil Rhodes, den König von Süd-
afrika. Durch sein finanzielles Genie und das außer-

ordentliche Vermögen, das er ihm verdankte, hatte
er auch politisch eine Stellung erlangt, die dem ein-
fachen und bescheidenen Manne sehr wenig nach
dem Sinn war. Er hat sie seinem gutherzigen,
liebenswürdigen Charakter entsprechend zu benutzen
gesucht, um Not zu lindern, Schwierigkeiten auszu-
gleichen, vor allem die Rivalität zwischen England
und Deutschland in die gesunden Bahnen ersprieß-
licher Konkurrenzarbeit lenken zu helfen. Wenn man
in den Nachrufen an den bedeutenden Mann immer
wiederholt findet, er sei bei allen seinem Reichtum
nicht glücklich gewesen, so ist das gerade soweit
richtig, wie für jeden anderen Mann, der höhere Ziele
anstrebt. Gerade daß es ihm nicht gelungen ist, diese
Eifersucht zwischen den beiden größten germanischen
Nationen, denen er, der einen nach der Geburt,
der anderen nach der Wahl, angehörte, wieder in
das richtige Geleise bringen zu helfen, daß er mit
ansehen mußte, wie durch törichte Hetzerei auf bei-
den Seiten und mit Hilfe fremder Nationen und der
Konkurrenz allmählich ein sinnloser politischer Haß
großgezogen wurde, der nur zum Schaden beider
Nationen sich entladen kann und den Feinden von
beiden zum Nutzen kommen wird; wie in Südafrika in
neuester Zeit eine Politik betrieben wird, welche alles
andere als die Heilung der schweren Wunden, als die
Versöhnung der verschiedenartigen Elemente erreichen
wird: alles das hat ihm die letzten Jahre getrübt und
verbittert und hat ihm, neben dem Gefühl der schweren
Krankheit, die seit drei Jahren, seit dem Anfall in
Natal, an ihm zehrte, jenen melancholischen Zug
gegeben, den man an ihm bemerkt haben will, und
der gelegentlich in der Tat bei ihm zum Durchbruch
kam. Aber gerade in den letzten Jahren hat der
Verstorbene auch sehr viel Freude und wahren Genuß
gehabt, und dadurch waren eben diese letzten Jahre
wohl die glücklichsten seines Lebens. Alfred Beit
hat vor etwa sechs Jahren sein Haus in Park Lane
bezogen, und vor vier Jahren hat er einen kleinen
englischen Herrensitz Tewin Water, neben Panshanger,
und wie dieses Eigentum des Earl Cowper, in Erb-
pacht übernommen. Das Stadhaus behaglich und
geschmackvoll einzurichten und das in einem präch-
tigen alten Parke gelegene Landhaus mit alter Kunst
auszustatten, den Garten und die Gewächshäuser aufs
reichste herzurichten und zu erweitern, war seither
eine Lieblingsbeschäftigung und Erholung des Mannes,
der unter der Menge und Wichtigkeit der Geschäfte
doch nie ermüdete. Seine größte Freude war aber
die Vervollständigung und Veröffentlichung seiner
Kunstsammlungen, die ihn in Tewin Water und vor
allem in seinem Londoner Stadthause umgaben. Nur
seiner Tätigkeit als Sammler der Schätze, die er zu-
sammengebracht hatte, soll hier gedacht werden, da der
Verfasser dieser Zeilen ihm beim Sammeln von seinen
ersten Anfängen an zur Seite gestanden hat. Von
seinem Leben und seiner Tätigkeit sonst sind ja alle
Zeitungen erfüllt.

Alfred Beit wohnte, bis er vor etwa fünf Jahren
sein eigenes Haus in Park Lane bezog, in einem
kleinen Hotel des Pall Mall, gegenüber Marlborough
 
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