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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Bode, Wilhelm von: Alfred Beit als Sammler
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0251

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485

Neues aus Venedig

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House. Die drei oder vier bescheidenen Räume, die
ihm hier zur Verfügung standen, hatte er, als ich ihn
Ende der achtziger Jahre kennen lernte, mit einigen
modernen Bildern wie Tito Lessi, daneben auch mit
ein paar netten Bildern von Guardi, Zeeman, van Ooyen
und anderen ausgestattet. Gerade damals begann er
den Bau eines Hauses in Hamburg als Wohnung
für seine Mutter und eigenes Absteigequartier, wenn
er, wie regelmäßig mehrmals im Jahre, seine Vater-
stadt besuchte. Für die Ausstattung dieses geräumigen,
aber ganz im Anschluß an andere Hamburger Bauten
im Alsterviertel errichteten Hauses wünschte Beit teil-
weise alte Einrichiungsgegenstände: wir beschafften
alte Renaissancemöbel, persische Teppiche und gute
dekorative Gemälde in Italien und zum Wandschmuck
eine Sammlung von Majoliken, Emails, Bronze und
so fort aus der Renaissancezeit, die er aus der mit
den Berliner Museen zusammen erworbenen Samm-
lung Falcke in London übernahm. Dieser 1892 ge-
machte Ankauf, aus dem Beit die wertvollsten Stücke
in seine Londoner Wohnung nahm, erweckte die
Lust zum eigentlichen Sammeln. Zunächst in be-
scheidenem Maße und mit beschränkten Mitteln, da
ihm, so freigebig er sonst war, jedes Protzen mit
Geld und unnötige Ausgaben im Grund zuwider
waren. Ein »rontje« von Frans Hals und ein ganz
kleines Bild eines jungen Mädchens am Klavier vom
Delftschen Vermeer waren die ersten Erwerbungen
von Werken großer Meister; daneben suchte er die
Majoliken und Bronzen durch gute Stücke zu ver-
vollständigen. Den Anstoß zum Sammeln im großen
Stil gab aber erst der Entschluß, ein eigenes Heim
in London zu errichten.

Beit hat ohne Zaudern zugegriffen, wo sich be-
sonders günstige Gelegenheit bot: aus der Sammlung
Dudley, vor allem aus der Galerie Walters und Lord
P. Clinton Hope hat er die wertvollsten Stücke ge-
wählt, und diesen Bestand durch einzelne glückliche
Käufe bereichert. Ähnlich hat er es mit den Werken
der Kleinkunst gemacht.

Das neue in der Mitte von Park Lane gelegene
Haus, mit dem Ausblick in den Hyde Park, gibt das
beredteste Zeugnis für den Geschmack und die Ge-
sinnung seines Erbauers. Im Stil später nordischer
Renaissance ist es sehr solid und geschmackvoll, aber
bescheiden in Umfang und Formen gehalten; und
dem Äußeren entspricht die innere Einrichtung, die
stilvoll und reich, aber ohne jeden Prunk und vor allem
behaglich ist. Die Halle zeigt Renaissancestil und hat
in einem prächtigen Marmorkamin von Rovezzano,
einem stattlichen Doppelporträt von Veronese und
einigen klassischen Florentiner Möbeln und Bronzen
die vornehmste Ausstattung, die reicher Blumenflor
farbig belebt. Alle anderen Räume des Erdgeschosses
sind im Regencestil gehalten, die kleineren Räume
des ersten Stockes haben dagegen einfachere moderne
englische Einrichtung, die zum Teil der alten Woh-
nung entlehnt sind oder sich ihr anschließen. Sämt-
liche Zimmer sind mit Kunstwerken ausgestattet. In
dem Arbeitszimmer sind die Wände mit der be-
kannten Folge der Geschichte des verlorenen Sohnes

von Murillo aus der Sammlung Dudley bedeckt. Das
Eßzimmer schmücken ein paar stattliche Damenbild-
nisse von Nattier. Der vordere Drawing Room ent-
hält ausschließlich englische Gemälde des 18. Jahr-
hunderts, meist Porträts, sämtlich Meisterwerke von
Sir Joshua Reynolds, Hopner, Romney und so fort.
Das anstoßende Zimmer, mit dem Ausblick in den
Wintergarten, enthält als Wandschmuck die gewähl-
testen Bilder der holländischen Genremaler, darunter
zwei der schönsten Bilder Metsus: den »Briefschreiber«
und die »Briefleserin«, die »Milchmagd« von N. Maes,
den bekannten »Brief« von Jan Vermeer, mehrere Ge-
mälde von A. van Ostade von ähnlicher Qualität und
andere mehr. Das Billardzimmer birgt an den Wän-
den verschiedene große Landschaftsgemälde, welche
auch nach Qualität als die Meisterwerke von
Jacob Ruisdael, Hobbema und Willem van de Velde
bezeichnet werden können. In den oberen Zimmern
sind von Jan Steen, Ph. Wouwerman, Rembrandt
(darunter ein spätes herrliches Porträt), Isaac van
Ostade, Jacob Ruisdael, D. Teniers und anderen Werke
von ähnlicher Trefflichkeit aufgestellt.

Der Sammlung der Gemälde kommt die der
Majoliken an Zahl und Güte gleich: neben italieni-
schen Majoliken der besten Zeit eine im Privatbesitz
wohl einzig vollständige Sammlung von hispano-
mauresken Fayencen. Und mindestens von gleicher
Bedeutung ist die Kollektion der Bronzen, zumeist
italienische Bronzestatuetten, darunter Meisterwerke von
Pollaiuolo, Riccio, Bellano und so fort, wie sie im
Privatbesitz sich nur noch in den Sammlungen Sal-
ting und Morgan finden.

Von der ganzen Sammlung, die voraussichtlich in
der Hand seines einzigen Bruders, Otto Beit, bei-
sammen bleiben wird, hat der Unterzeichnete vor ein
paar Jahren einen reich ausgestatteten räsonierenden
Katalog angefertigt, der die Schätze und ihren be-
geisterten Sammler auf die Dauer in der Erinnerung
erhalten wird. Daß sein Name auch in den großen
öffentlichen Sammlungen stets dankbar genannt werde,
dafür hat er durch Legate seiner beiden herrlichen
großen Bildnisse von Sir Joshua Reynolds an die
National Gallery in London und an das Kaiser-Fried-
rich-Museum in Berlin gesorgt, wie er diesen Samm-
lungen und vor allem den Museen seiner Vaterstadt
Hamburg auch schon bei Lebzeiten wertvolle Geschenke
gemacht hat. W. BODE.

NEUES AUS VENEDIG

Es ist nun doch gelungen, den verdienstvollen Aus-
stellungssekretär on. Fradeletto hier festzuhalten, nachdem
er das ihm angebotene Unterrichtsministerium als mit
seinen Ansichten nicht vereinbar abgelehnt hat. Bereits
ist das neue Ausstellungsprogramm für 1907 veröffentlicht.—

An der Spitze der hiesigen Bauunternehmungen steht
natürlich der Glockenturm von S. Marco. Endlich war
man auf zwölf Meter Höhe angekommen, da mußte
die Arbeit eingestellt werden, weil die Stadtverwaltung,
welcher der Bau unterstellt ist, genötigt wurde eine Kom-
mission einzuberufen, um über die bereits mitgeteilte Streit-
frage der fünf Basisstufen (statt drei) ihr Urteil abzu-
geben, ebenso alles bisher Geleistete zu prüfen. Die Korn-
 
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