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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Das Budget der bildenden Kunst in Frankreich
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Hermanin, Federico: Römischer Brief, [1]: (neue Ausgrabungen auf dem Forum Romanum - Das Museum)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0098

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179

Römischer Brief

180

Man fragt sich oft, was denn eigentlich aus diesen
Ankäufen wird. Im Luxembourg ziehen nicht zehn
Prozent davon ein, und diese zehn Prozent genügen
schon, um der Mittelmäßigkeit zu ihrem Rechte zu
verhelfen. Von dem großen Reste geht das meiste
in die Provinzmuseen oder sonst in die öffentlichen
Gebäude der Provinz: wenn man ein Bild von einem
aus Pontoise gebürtigen Maler gekauft hat, so wird
das der Gemeinde Pontoise zum Geschenk gemacht,
und wenn die Gemeinde kein Museum hat, so hängt
sie es eben in das Stadthaus oder in den Schulsaal.
Auf diese Weise wird für die Ausbreitung mittel-
mäßiger Kunst über ganz Frankreich gesorgt. Dabei
fällt mir ein, daß auf diese Weise das Mainzer Mu-
seum eine sehr schöne alte Kopie von Dürers Adam
und Eva und mehrere andere gute Bilder erhalten
hat, als das linke Rheinufer noch zum französischen
Kaiserreich gehörte. Die Bilder, die keinen Abnehmer
finden, denn mitunter wehren sich die Direktoren der
Provinzmuseen und weigern sich, derartige Geschenke
anzunehmen, verschwinden in den Speichern und
Kellern, wo sie vermodern und verfaulen oder aber
nach einem halben Jahrhundert plötzlich wieder zur
Auferstehung ans Tageslicht gefördert werden.

Zum Glück für den Paris besuchenden, oder hier
lebenden Kunstfreund kauft nicht nur der Staat, sondern
auch die Stadt Paris, und obgleich auch hier politische
Einflüsse mitspielen, sind sie doch nicht so aus-
schlaggebend wie bei den Anschaffungen des Staates.
Außerdem braucht die Stadt keine Rücksicht auf die
Akademie zu nehmen, während der Staat natürlich
gezwungen ist, die Leute, die auf der staatlichen
Akademie die Preise erhalten haben und auf Staats-
kosten nach Rom gegangen sind, auch fernerhin zu
bedenken. Denn täte er das nicht, so würde er ja
indirekt zugeben, daß es mit Akademie und Rom-
preis nur fauler Zauber ist. Das städtische Museum,
das seit vier Jahren in dem von der Weltausstellung
erhalten gebliebenen kleinen Palast an den Champs
Elysees untergebracht ist, hat sich denn auch schon
in den wenigen Jahren seines Bestehens so heraus-
gemacht, daß sein Besuch mehr Genuß gewährt, als
der des Luxembourg. Alle wirklich wichtigen mo-
dernen Künstler sind im Petit Palais vertreten, die
meisten mit ganz ausgezeichneten Arbeiten, und man
braucht nicht einen ganzen Ozean von Mittelmäßigkeit
auszufischen, um endlich an eine Perle zu gelangen.

Unter diesen Umständen, angesichts des schlechten
Prinzips, wonach der Staat seine Einkäufe macht,
weiß man nicht recht, ob man die Armseligkeit des
Museumsgebäudes im Jardin du Luxembourg bedauern
soll oder nicht. Die Gefahr liegt nahe, daß mehr
und größere Räume nur zur Aufnahme von mehr
langweiligen und mittelmäßigen Arbeiten dienen
würden. Die unglaubliche Beschränktheit des Raumes
legt den Leitern des Luxembourg die Verpflichtung
auf, die angekauften Sachen durch ein Sieb mit sehr
engen Maschen gehen zu lassen, und obgleich da
immer noch viel durchgeht, was nicht in den Luxem-
bourg gehört, so wird doch immerhin ein allzustarkes
Sinken des Niveaus verhütet.

Der Budgetberichterstatter befaßt sich, wie alle
seine Vorgänger seit fünfundzwanzig Jahren, mit der
Frage des modernen Museums. Denn ein gutes
Vierteljahrhundert ist es her, daß man von einem
neuen Museumsbau spricht, der das Gewächshaus
des Luxembourg ablösen soll. Nur hat es noch nie
ein Budgetberichterstatter und auch sonst kein einfluß-
reicher Politiker gewagt, einfach das nötige Geld zum
Baue eines Museums zu verlangen. Stets wird irgend
ein Ausweg gesucht, gegen den stets ebensoviel ein-
zuwenden ist wie gegen das Luxembourger Gewächs-
haus. Dem Plane Marets wird es da wohl auch
nicht besser gehen. Er hat ein Gebäude in Paris
entdeckt, das groß und stattlich ist und jedenfalls
Raum genug bietet, sowenig es auch sonst den An-
sprüchen genügen mag, die man an ein Museum
stellen muß. Es ist dies das Jesuitenkollegium, das
unfern dem Luxembourg an der Place St. Sulpice
gelegen ist. Die Jesuiten gehören zu denjenigen
geistlichen Orden, die von der Regierung aufgelöst
worden sind, und die deshalb Frankreich verlassen
müssen. Wenn also die Jesuiten, was bisher noch
nicht geschehen ist, das Kolleg an der Place St. Sul-
pice verlassen haben, so braucht das Gebäude, das
an den Staat fällt, nur hergerichtet zu werden, um
den Inhalt des Luxembourg aufzunehmen.

Die Sache hat freilich einen sehr großen Haken:
das Gebäude ist eingerichtet wie ein Kloster und ent-
hält einige zweihundert oder noch mehr kleine Zellen,
die sehr schlecht belichtet sind. Und die größeren
Räume des Kollegs eignen sich zu Museumszwecken
nicht viel besser als diese Zellen. Man müßte also,
um die Sache gut zu machen, das ganze Kolleg ab-
reißen und an seiner Stelle einen neuen Bau aufführen.
Und damit sind wir wieder bei der Hauptfrage ange-
langt, nämlich bei dem Geld, das die Regierung der
Patrie des arts nicht hergeben will. Es ist also nicht
wahrscheinlich, daß wir den Tag erleben werden, wo die
moderne Kunst endlich einen ihrer würdigen Museums-
bau in Paris erhält. KARL EUGEN SCHMIDT.

RÖMISCHER BRIEF

(Neue Ausgrabungen auf dem Forum Rpmanum —
Das Museum)

Die Entfernung des Travertinpflasters bei den
Bases honorariae, zwischen dem Lacus Curtius und
dem Equus Domitiani, hat Giacomo Boni zu einer
höchst interessanten Entdeckung geführt, die um so
wichtiger ist, als sie zur genaueren Deutung und Er-
klärung anderer Forumsmonumente beiträgt. Unter
den Travertinquadern sind die Fundamente eines
Baues zum Vorschein gekommen, welcher, wie Boni
annimmt, aus einem ungefähr drei Meter hohen ge-
wölbten Unterbau bestand, von dem noch der Marmor-
fußboden und Bruchstücke der Stuckdekoration der
Wölbung erhalten sind, und aus einer oberen unbe-
deckten Loge. Neben dieser höheren Tribüne glaubt
Boni noch eine niedrigere annehmen zu können.
Das Ganze deutet er als das von Trajan errichtete
Tribunal; die obere Loge, das suggestum, für den
 
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