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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0140

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2Ö3

Nekrologe — Denkmalpflege und Heimatschutz

264

stellen wohlanständige Bildnisse aus, und die Besucher
freuen sich, die berühmten Leute also wenigstens in
effigie kennen zu lernen. Blanche, der gerade nicht
besser wird, hat Frau Colette Willy tief ausgeschnitten
gemalt, aber doch nicht ganz so tief ausgeschnitten,
wie sie von ihrem eigenen Eheherrn in seinen Claudine-
büchern geschildert worden ist. Dieses Porträt von
Blanche wird wohl das beste in der Ausstellung sein,
aber aufregend ist es auch nicht. Ganz ausgezeichnet
wie alle Freilichtstudien dieses Meisters sind zwei
Bilder von Alfred Roll, und sie allein entschädigen
uns für den Besuch dieser im übrigen recht wenig
interessanten Veranstaltung.

Auch von der Ausstellung der Arts reunis ist
recht wenig zu sagen. Am interessantesten sind noch
die kleinen Bildchen von Devambez, aber auch bei
ihnen überwiegt das anekdotische und humoristische
Interesse, obschon Devambez ein keineswegs gering
zu schätzender Künstler ist. Besonders wie er eine
Menge zu handhaben versteht, verdient aufrichtige
Bewunderung, und hie und da gelingen ihm auch
recht hübsche koloristische Effekte. Aber alles in
allem genommen bringen die gegenwärtigen Pariser
Ausstellungen zwar multa, aber nicht multum. Es
wimmelt von Ausstellungen, von Bildern und Skulp-
turen, aber aus der ganzen Menge läßt sich kaum
etwas als des Festhaltens und Aufbewahrens wert
herausheben. Denn schließlich ist ein Maler doch
nicht interessant, wenn er weiter nichts ist als ein
braver, meinetwegen ein tüchtiger Handwerksmann.
Der Künstler, die ihr Handwerk verstehen und die
gangbare und leicht verkäufliche Ware liefern, gibt
es viele tausende in Paris, und in diesem Augenblick
feiern sie die Vorbereitung zu der entsetzlichen Orgie
der drei großen Salons des Frühjahres. Und wie
in jedem Jahre sagt man sich betrübt, daß es in der
Kunst geht wie in allen anderen Dingen: da sind
eine Menge braver Leute, aber die ganzen Kerle, die
uns auf die Kniee niederzwingen, sind gar selten, und
wenn so einer alle halb Jahrhundert auf die Welt
kommt, muß man herzlich froh sein und sich beim
lieben Gott bedanken.

NEKROLOGE
Karl Oraff f- Am 25- Februar ist in Dresden im
62. Lebensjahre der Geheime Hofrat Karl Graff, der frühere
Direktor der Königlichen Kunstgewerbeschule und des
Kunstgewerbemuseums, gestorben. Graff wurde am 4. Mai
1844 zu Grabow geboren und studierte Architektur auf dem
Polytechnikum zu Hannover unter dem Gotiker Hase und
auf der Bauakademie zu Berlin unter Lucä, Strack und Ende.
Ursprünglich Gotiker, arbeitete er an der Restaurierung der
alten Dome zu Güstrow und Schwerin und an Entwürfen
von Kirchen unter Krüger und Daniel. Von Tatendrang
getrieben, ging er nach Wien wo er die leitende Stellung
im Architekturbureau von Hasenauer erlangte. Hier ent-
standen 1870—73 zahlreiche Entwürfe zu Gebäuden der
Wiener Weltausstellung. Auch wurde er für einen großen
Teil des österreichischen Kunstgewerbes der installierende
Architekt. 1874 im Alter von 30 Jahren wurde er als
Direktor der Kunstgewerbeschule nach Dresden berufen.
Seitdem war er vornehmlich auf dem Gebiete des Kunst-
gewerbes tätig und hat sich um den Ausbau der Kunst-
gewerbeschule entschiedene Verdienste erworben. Auch

das Kunstgewerbemuseum ist hauptsächlich nach seinen
Absichten entstanden. In seinen eigenen Entwürfen folgte
er dem Renaissancestil und hier hat er im Sinne archaisti-
schen Schaffens Tüchtiges geleistet.

DENKMALPFLEGE UND HEIMATSCHUTZ
Denkmalpflege in Dänemark. Im »Architekten« 1905,
12g ff. macht Dr. Mackeprang, Assistent am Nationalmuseum,
über die vor einiger Zeit geschehene Behandlung einer
seeländischen Kirche Mitteilungen, die uns lebhaft genug
den bei uns vor zwanzig Jahren geschehenen Vorgang, der
die Kirche von Hütten bei Eckernförde betroffen hat (»Kunst-
chronik« 1882, 236), ins Gedächtnis rufen. Die ländliche
Kirche zu Borup, ein gotischer Bau aus Ziegeln und Kreide-
quadern, war zuerst schmal rechteckig angelegt gewesen;
dann hat sie in spätgotischer Zeit eine Veränderung dadurch
erfahren, daß sie unter Hinausrückung der Nordmauer
doppelte Breite erhielt. Der gegliederte Ostgiebel ist dabei
in heiterer Weise dem neuen, größeren, auch gegliederten
einverleibt, der breite Innenraum aber über drei oder vier
Stützen gewölbt worden. — Wie nun 1902 eine Besichtigung
und Aufnahme des interessanten zweischiffigen Baues statt-
finden sollte, tat er sich als ein kahler, öder, reinlicher
Raum auf. Man hatte die Kirche »in sehr zufriedenstellender
Weise« restauriert, mit Zementboden, glatten Wänden,
glatter Putzdecke, mit Eisenträgern unterzogen. Kurz ein
Gräuel. Von den Gewölben kaum Erinnerung, keine Auf-
nahme, keine Nachricht. Dr. Mackeprang knüpft daran aller-
hand Betrachtungen und untersucht, wie solches nur mög-
lich gewesen sei unter Gültigkeit des ausgezeichneten be-
rühmten dänischen Denkmalschutzgesetzes, das seit 1861
in Kraft ist. Es trifft ja Vorkehrungen dahin, daß kein
Eingriff geschehen kann, ohne die gehörige Besichtigung
und ohne Prüfung und Genehmigung zuständiger Seite.
Er schließt damit: »Es sind nicht Gesetze, worauf es an-
kommt, es muß eine Kontrolle geben, eine Gewähr für ihre
Einhaltung. Hier ist eine Lücke, die baldigst ausgefüllt
werden muß. Gehört auch ein Fall wie der Boruper nicht
zu den alltäglichen, wissen wir doch alle, daß binnen Jahr
und Tag so manches gute Stück Architektur zugrunde ge-
richtet wird; und wir haben deren nicht viele zu verlieren.
Hand in Hand mit der Kontrolle müßte freilich Aufklärung
der weitesten Kreise gehen, Verständnis für den Wert der
Denkmäler als Stücke der nationalen Kultur erweckt werden;
sonst könnte das Gesetz auch noch trotz der Kontrolle toter
Buchstabe bleiben.« — Die Lücke, von der Dr. Mackeprang
spricht, geht einen wunden Punkt aller Denkmalpflege
an. Auch uns drückt hier der Schuh am meisten. Da
man aber im ganzen in der gesetzlich geregelten dänischen
Denkmalpflege wohl das vollkommenste und für uns nach-
ahmenswerteste Vorbild hat, das es heute gibt, ist zu
hoffen und zu erwarten, daß unsere Gesetzgebung aus
jener und ihren Erfahrungen möglichst viele Lehren ent-
nehme. Wenig bekannt ist es übrigens, daß das dänische
Gesetz in einem Teile Schleswig-Holsteins noch heute in
Kraft und Geltung steht, freilich, da fast alle Ausführungen
und Ergänzungen erst nach der Abtrennung Schleswigs
von Dänemark erlassen sind, nur in Verkümmerung als
verborgenes Blümchen blühend. In Dänemark selbst wird
gegenwärtig mit aller Kraft auf eine Revision der ganzen
Denkmalgesetzgebung hingearbeitet. Diese Bestrebungen
sind erst recht wert, von Deutschland aus mit Aufmerksam-
keit verfolgt zu werden. Hpt

f.- In der aargauischen Presse wird Protest erhoben gegen
die Absicht, das Schlößchen Maudach am Rhein bei
Zurzach niederzureißen, um dort ein schweizerisches Zoll-
gebäude zu errichten. Es wird bemerkt, daß in jener
Gegend bereits vor einigen Jahren das Schlößchen Schwarz-
 
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