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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [4]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0187

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357

Nekrologe — Personalien —

Ausgrabungen und Funde

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Straße beschatten. Über dem Qlashause schwebt die
nur mit dem durch den Anstand geforderten wehen-
den Tuche bekleidete Göttin der Freiheit und stößt
in eine Tuba. Gerade unter ihr, in der Mitte des
Gemäldes, tut sich das Tor der Ausstellung auf.
Rechts und links davon ziehen im Gänsemarsch die
enggescharten Maler einher; ein jeder trägt seine
Leinwand unter dem Arme, ein jeder hat einen großen
schwarzen Schlapphut auf dem Kopfe, ein jeder streckt
das linke Bein zum Ausschreiten vor. Außerdem
kommen von rechts und links schön symmetrisch an-
geordnete Wagen an, teils von Tieren, teils von
Menschen gezogen, und schleppen jene Riesenbilder
herbei, die zu groß sind, um unter dem Arme ge-
tragen zu werden. Endlich liegt ganz im Vorder-
grunde ein gutmütiger Löwe und hält einen Zettel
in der Tatze, worauf zu lesen ist: Carriere, Willette
und Henri Rousseau erkennen dich als ihre einzige
Lehrmeisterin an.

Ich vermute, daß damit nicht der Löwe, sondern
die oben schwebende Freiheit gemeint ist. Außer
den Gemälden Rousseaus sind noch sehr viele amüsante
Arbeiten da, aber wenn man sie alle nennen und
beschreiben wollte, müßte man ein dickes Buch
füllen. Und ich glaube, wenn man ein solches Buch
zugleich mit den nötigen Abbildungen ausstatten
könnte, würde man ein ebenso ergötzliches wie lehr-
reiches Dokument für die heutige Kunstgeschichte
geliefert haben. Aber ich fürchte, die betreffenden
Künstler fänden wenig Gefallen an einer solchen
Verewigung ihrer Taten.

NEKROLOGE
Der Landschaftsmaler August Keßler ist in Düssel-
dorf im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war in Tilsit
geboren und im Jahre 1844 nach Düsseldorf gekommen,
wo er bis zu seinem Tode gewohnt hat. Die Düsseldorfer
Künstlerschaft verliert in ihm eines ihrer ältesten Mitglieder
und zugleich einen der Mitbegründer des »Malkastens«.
Als Künstler ist Keßler wenig in die Öffentlichkeit ge-
treten, obgleich zahlreiche Galerien und private Sammlungen
Beispiele seiner Landschaftsmalerei besitzen. Er hat mit
Vorliebe Waldmotive gemalt, die sich durch scharfe Natur-
beobachtung und warm empfundene Farbenpracht aus-
zeichnen.

In London ist vor kurzem Sir Wyke Bayliss, der als
Schriftstellerund Künstler bekannt geworden ist, gestorben.
Er war lange Jahre Präsident der Gesellschaft britischer
Künstler. Als Ästhetiker war er ähnlich wie sein Landsmann
Ruskin ein strenger Verehrer der Gotik, die er selbst auf
seinen Architekturgemälden unzähligemale verherrlicht hat.
Als Schriftsteller hat er durch ein Buch unter dem Titel »Rex
Regum«, das das wahre Aussehen Christi ergründen wollte
und die durch die Tradition überlieferte Auffassung des
Christusporträts für authentisch erklärte, Aufsehen erregt.

Sechsundsiebzigjährig ist in Paris der Bildhauer Au-
guste Roubaud, der Bruder des im Jahre 1876 verstorbenen
Felix Roubaud, verschieden. Er war Schüler von Hippolyte
Flandrin und Duret. Unter seinen Hauptwerken seien der
»Triangelspieler« im Palast zu Fontair ebleau und seine
Statuen der Tragödie und Komödie im Theätre des Celestins
zu Lyon genannt. In Chätillon-sur-Marne befindet sich
sein Denkmal des ersten französischen Papstes Urban II,

In Florenz ist der verdienstvolle Gelehrte E. Gers-

pach, der ehemalige Direktor der Gobelin-Manufaktur in
Paris, 73 Jahre alt, gestorben. Als Gelehrter hat er sich
hauptsächlich durch seine Werke über das Mosaik und über
die koptischen Teppiche verdient gemacht. Gerspach war
in Tann am Niederrhein geboren und lebte seit etwa 15
Jahren zurückgezogen in Florenz.

In Groß-Lichterfelde ist im Alter von 87 Jahren
Friederike Rietschel, geb. Oppermann, die Witwe des
Bildhauers Ernst Rietschel, gestorben. Ihren Gatten hat
die Verstorbene um 45 Jahre überlebt.

Brüssel. Nach jahrelangem, schweren Leiden starb
hier die Wittwe Konstantin Meuniers, seine treue Lebens-
genossin. Französin von Geburt, war sie lebhaften und
tapferen Gemütes, die eigentliche Pfadfinderin für den end-
lichen Durchbruch des Genies ihres Gatten. In den schwär-
zesten Stunden — und Meister Meunier hat der Schicksals-
schläge nicht wenige erlebt — hat sie ihm den Mut hoch-
gehalten. Seit ihrer letzten schweren Krankheit, die vor
zwei Jahren begann, ging es auch mit Meunier selbst
bergab. Seit seinem Tode zog sie sich von allen zurück,
ihr Körper war ohnehin so hinfällig geworden, daß es
Pein machte, die Arme so leiden zu sehen. Noch kurz
vor ihrem Tode überwies sie die Bronze ihres Mannes,
»Eine Arbeiterfrau« als Geschenk für die deutschen Retter
von Courieres, dem zu Ehrung derselben in Paris gebil-
deten Komitee. a. R.

Im 80. Lebensjahre ist in Prag der Kunsthändler
Nikolaus Lehmann, der für die künstlerische Entwickelung
seiner Vaterstadt eine hervorragende Bedeutung gehabt
hat, gestorben. Literarisch hat er unter dem Pseudonym
Nikolaus Mau eine Reihe von Schriften künstlerischen Ge-
haltes veröffentlicht.

PERSONALIEN

Zu Ordentlichen Mitgliedern der Berliner Akademie
sind gewählt und vom Kurator der Akademie, Staats-
minister Dr. Studt, bestätigt worden der Maler Otto
H. Engel, der Bildhauer Louis Tuaillon und der Architekt
Stadtbaurat Ludwig Hoffmann, sämtlich in Berlin. Mit
dieser Wahl hebt sich die Zahl der in Berlin wohnhaften
Ordentlichen Mitglieder der Akademie, Sektion für die
bildenden Künste, auf 55 gegenüber einer bedeutend
höheren Zahl zu Ende des vorigen und Anfang dieses
Jahrhunderts, da die Zahl nahezu 80 erreichte. Als aus-
wärtige Ordentliche Mitglieder gehören gegenwärtig 58
bildende Künstler der Akademie an.

Die Jury der Societe des beaux Arts in Brüssel hat
dem Maler Leon Fr6de>ic die goldene Medaille zuerkannt.

Aus der Wiener Sezession sind folgende korrespon-
dierende Mitglieder ausgetreten: Dill, Hodler, Kalckreuth,
Klinger, Kuehl und Minne.

Venedig. Seinem Wunsche gemäß wurde der bisherige
GaleriedirektorCantalamessa seiner hiesigen Stelle enthoben
und an die Galerie Borghese in Rom berufen. Allgemein
wird der Weggang des vortrefflichen Mannes beklagt. Pian-
castelli, der bisherige Direktor der Galerie Borghese, ist
auf seinen Wunsch in den Ruhestand getreten Es dürfte
schwer sein, einen Ersatz für Cantalamessa für Venedig
zu finden Sein organisatorisches Talent, gestützt auf außer-
ordentliches Wissen, ist jedoch derBorghesegaleriezu gönnen
und seine Nähe in Rom für das Ministerium ein großer
Gewinn. August Wolf.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Das älteste Gemälde auf Leinwand. Nachdem man
vor einigen Jahren Stoffe mit eingewebten Hieroglyphen
und sonstigen eingewebten Zeichnungen aus dem neuen
Reich des alten Ägyptens gefunden hatte; nachdem bei
 
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