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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Lehrs, Max: Eduard His
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0042

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Eduard His f

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Künsten zu. Anläßlich seines ersten Aufenthaltes in
Mailand, wo er 1841—42 in einem Seidenhause tätig
war, malte er Aquarellporträts und trieb einige Jahre
später in Basel die Miniaturmalerei, eine Kunst, in der
bezeichnenderweise der auf das Gefällige gerichtete
Zeitgeschmack sein adäquatestes Ausdrucksmittel fand.
1853 wurde er Mitglied der Kommission für die
öffentliche Kunstsammlung, deren Präsidium er nach
dem Rücktritt Wilhelm Wackernagels im Jahre 1866
übernahm. Er bekleidete diese Würde bis zu seinem
Rücktritt von der Sammlung im Jahre 1888.

Seiner Tatkraft ist es zu danken, daß die Baseler
Sammlung nach einer Periode beschaulicher Ver-
borgenheit dem Kunstgenießen weiterer Kreise und
namentlich der Benutzung von Seiten der kunstge-
schichtlichen Forschung zugänglich gemacht wurde.
His selber war eifrig bemüht, die vergrabenen Schätze
der alten Sammlung zu heben und er trat bereits
1863 mit der wichtigen Entdeckung an die Öffentlich-
keit, daß die aus dem Kabinett
Fäsch stammenden sechs Bilder mit
Darstellungen aus dem Marienleben,
die bis dahin als Arbeiten Sigmund
Holbeins gegolten hatten, vielmehr
von Hans Fries herrührten. His er-
warb noch zwei andere Altartafeln
desselben Freiburger Künstlers, ent-
deckte zwei weitere zum Baseler
Marienleben gehörige Bilder im Ger-
manischen Museum, wo sie auf Grund
der Veränderung des Monogramms
H. F. in H. B. dem Burgkmair zu-
geschrieben waren, und brachte
das Werk des Fries, den er im
zweiten Band von Zahns Jahrbüchern
in die Kunstgeschichte einführte, all-
mählich auf zwanzig Gemälde.

1865 lernte er in Berlin Alfred Wolt-
mann kennen, und aus dem gemein-
samen Interesse für Hans Holbein
entwickelte sich eine lebhafte und folgenreiche Korre-
spondenz zwischen beiden, die His zu sorgfältigen
Nachforschungen über den großen Baseler Meister in
den dortigen Ratsarchiven anregte. Er fand alsbald
einen alten Lederband mit der Aufschrift »Der 3H
Herren Gedenkbüchlein 1515«, der unter anderen
wertvollen Dokumenten den Kontrakt der Vorgesetzten
des Bauamtes mit Holbein, die Wandgemälde des
neuerbauten Rathauses betreffend, enthielt. Eine syste-
matische Durchsicht der Manuskripte, Ausgaben- und
Missivenbücher des Archivs brachte reiche Ausbeute
an teilweise überraschenden Aufschlüssen über die
Familienverhältnisse des Malers. Die Ergebnisse dieser
Forschungen veröffentlichte His 1865 in den Bei-
trägen zur vaterländischen Geschichte unter dem
Titel »Hans Holbeins des Jüngeren Geburt, Leben und
Tod« mit einem durch die Auffindung zweier wichtiger
Briefe von 1545 über Holbein veranlaßten Nachtrag:
»Philipp Holbein, ein Sohn Holbeins des Jüngeren«.

Zu Anfang 1870 entdeckte er neue Holbein-
quellen in dem Archiv des Gerichtsgebäudes und

EDUARD HIS

fand alsbald höchst wichtige Aufschlüsse über Hol-
beins Besuch in Basel 1528—31, seinen Ankauf
zweier Häuser in der St. Johannvorstadt, den Tod
und die Hinterlassenschaft seiner Frau (i549)> die
Namen und Schicksale seiner Söhne und Töchter,
die Familienverhältnisse des Bürgermeisters Jacob Meyer
zum Hasen, des Stifters der Darmstädter Madonna.
All das veröffentlichte er im dritten Band von Zahns
Jahrbüchern. Der vierte Band dieser Zeitschrift brachte
einen neuen inhaltsreichen Beitrag zurHolbeinforschung:
»Alte Zweifel und neue Vermutungen über den Ur-
heber der Sebastiansaltartafel«.

Auf Grund dieser wichtigen Forschungen und
Entdeckungen wurde His 1872 von der Universität
Zürich zum Dr. phil. honoris causa ernannt. Er
wandte sich im folgenden Jahre eingehenden Unter-
suchungen über Urs Graf zu, dessen Lebensbild er
mit einem ausgezeichneten Oeuvrekatalog der Kupfer-
stiche, Radierungen, Niellen und Holzschnitte des
wein- und rauflustigen Baseler Künst-
lers im fünften und sechsten Bande
der Zahnschen Jahrbücher publizierte.
Auch ein Aufsatz in den »Mittei-
lungen der Zentralkommission« über
die Statue Rudolphs von Habsburg
im Seidenhof zu Basel muß an
dieser Stelle erwähnt werden. His
fand in den Amerbachschen Papieren
einen Briefwechsel aus den Jahren
1578—80 über die »Abconterfeh-
tung« der Statue in Lebensgröße
durch Hans Bock, die er denn auch
tatsächlich in der Ambraser Samm-
lung zu Wien wiederentdeckte.

Die 1885 und 86 erschienenen
großen Lichtdruck - Publikationen:
»Feder- und Silberstiftzeichnungen
Hans Holbeins des Älteren« und
»Dessins d'ornements de Hans Hol-
bein« bildeten den Abschluß und die
Krönung seiner Lebensarbeit, die, wenigstens für ein
begrenztes Gebiet der Kunstgeschichte, von grund-
legender und bleibender Bedeutung war. Er verband
die strenge wissenschaftliche Methodik des nach Wahr-
heit suchenden Forschers mit einem vorzüglichen
Blick und feiner Kennerschaft.

Der modernen Kunst stand er fremder gegen-
über, was wohl erklärlich ist, wenn man erwägt,
daß die Jahre seiner besten Kraft den alten Meistern
gewidmet waren, und die Kämpfe um die neue
Kunst bereits in jene Periode seines Lebens fielen,
wo der Blick mehr der Vergangenheit zugekehrt
zu sein pflegt, als der Zukunft, wo die Erinne-
rung an die eigene Jugend dem alternden Sterblichen
so gern vortäuscht, daß es nur eine gute alte Zeit
gegeben habe, aber keine gute neue geben könne.
Immerhin muß anerkannt werden, daß in der Zeit,
da die Oberleitung der Öffentlichen Kunstsammlung
in seinen Händen lag, nicht nur die Fresken Böcklins
im Treppenhaus des Museums entstanden, sondern
auch sechs Bilder des Meisters, darunter die Pietä,
 
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