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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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125

Stiftungen — Vermischtes — Bücherschau

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STIFTUNGEN
Eine Anzahl rheinischer Kunstliebhaber hat dem Ver-
band der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein die
Mittel zu einer Wilhelm Schreuer-Stiftung bewilligt.
Schreuer soll mit diesen Mitteln eine Reihe von Bildern
malen, deren Motive der kölnischen Geschichte entnommen
sind. Gleichzeitig wurde dem in Düsseldorf lebenden
Landschafter Ernst Hardt von demselben Verband ein
Ehrengehalt für 1906 bewilligt.

VERMISCHTES

Der Verein Berliner Künstler hat fast einstimmig
einen von dem Maler Müller-Kurzwelly begründeten An-
trag auf eine Revisionsinstanz für die Jurierung der Werke
bei der großen Berliner Kunstausstellung angenommen.

Der Schweizerische Kunstkalender 1906 ist so-
eben erschienen. Sein Herausgeber Dr. C. H, Baer betont
als Hauptzweck dieses Unternehmens die Pflege der künst-
lerischen Vergangenheit in der Schweiz. Neben prächtigen
Illustrationen von alten Kunstdenkmälern bringt der Text
einige bemerkenswerte Beiträge, die als Forschungsergebnisse
auf dem Gebiete der schweizerischen Kunstgeschichte das
Interesse sämtlicher Kunsthistoriker beanspruchen dürfen.
Das Titelbild des Kalenders zeigt den Bannerträger von
Aarberg und ist in leuchtenden Farben nach einem Glas-
gemälde von 1515 reproduziert.

BÜCHERSCHAU
Moderne Illustratoren. Von Hermann Eßwein. In zwölf
Heften. München u. Leipzig. R. Piper & Co. Heft I—VI.

Von den schwer in Leder gebundenen Folianten mit
ihrem prächtigen, rauhen, weißen Papier und den meist
mehrfach gefalteten, oft mehr schön als wahr ausgeführten
Kupfertafeln ist das Publizieren von Kunstwerken dank
den Erfindungen der letzten Menschenalter schnell auf
handlichere Formate und sichere, oft tötlich sichere Re-
produktionsweisen gekommen. Ein Betrag, für den man
kaum eine Mahlzeit erhandeln kann, genügt jetzt, um eine
Portion maßgebendes Urteil über Praxiteles, Velazquez
oder Dürer mitsamt den hübsch auf den Raster gesetzten
Lichtern und Schatten ihrer Hauptwerke zu beschaffen.
Und das alles geht bequem in die Rocktasche. Nur ein
Schritt weiter wäre die kunsthistorische Erziehung mittelst
täglich ins Haus gesendeter Ansichtspostkarten. Man
abonniert bei der Post auf ein Jahr. Der Neujahrstag
bringt dem artigen Kinde etwa den ägyptischen »Dorf-
schulzen« mitbeigedruckterleichtfaßlicherErklärung, i4Tage
später rückt das Löwentor von Mykene an, die ersten
Frühlingswinde wehen die Kathredale von Chartres und
Giottos Arenafresken herbei, im August marschiert Rem-
brandts Nachtwache auf und die Weihnachtstage beglücken
den fleißigen Schüler parteilos mit Begas und Degas. Ich
möchte beinahe auf die Idee Patent nehmen.

Von dieser leicht fertigen, oft leichtfertigen Art, Er-
scheinungen hoher Kunst einer kampflosen Bildungsspielerei
auszuliefern, ist Eßweins Unternehmen weit, vielleicht zu
weit entfernt. Ein Mensch, der in energischer Denkarbeit
alle ihm wichtig erscheinenden Macht- und Krankheitszüge
unserer Zeit in sich aufgenommen hat, ein muskelstarker
Kopf, vielleicht nur allzusehr von einem derben Positivis-
mus erfüllt, sucht in den Werken einer Reihe unserer besten
satirischen und ornamentalen Zeichner sein Weltbild wieder-
zufinden. Der Auswahl, die er bisher getroffen hat, wird
man zum mindesten nicht den Vorwurf der Einseitigkeit
machen können. Thomas Theodor Heine, Hans Baluschek,
Henri de Toulouse-Lautrec, Eugen Kirchner, Adolf Ober-
länder und Ernst Neumann hat er bisher in je einem Hefte
behandelt, sechs weitere Hefte sollen uns noch sechs neue

Gestalten bringen. Vielleicht Forain, Willette, Bruno Paul,
Beardsley? Der Haupteinwand, den man erheben könnte,
wäre etwa der, daß in all den Büchern ein wenig zu sehr
von dem eisernen und doch hippokratischen Gesicht unserer
Zeit die Rede ist und ein bißchen zu wenig von Kunst.
So wird etwa in der ersten der Monographien das in
seinem zarten Linienschwung, in seiner glücklichen Ver-
bindung rosiger, brauner, weißer, grüngelber und blauer
Töne dem Referenten in starker Erinnerung gebliebene
Bild Heines »der Dichterling« in geistvoller und gründ-
lichster Weise auf seinen Gedankeninhalt hin zerlegt; nur
schade, daß nach dieser Zerlegung von der prachtvoll leise
bunten, halb komischen, halb tragischen Vision des Künstlers
nicht viel mehr übrig bleibt als ein Bilderrätsel, eine Hiero-
glyphe. Der bildende Künstler, der wirklich diesen Namen
verdient, denkt eben bei dem, was den eigentlichen Wert
eines seiner Werke ausmacht, gar nicht mehr in Begriffen,
sondern schon gleich in Farbengruppierungen, in Linien-
schwüngen. Die Aufgabe des Kunstschriftstellers ist dann,
durch eine fein nachspürende Darstellung, eine sorgfältige
Wahl der Worte, einen ganz bestimmten Rhythmus der
Sätze alle diese farbigen und linearen Erregungen auch
im Leser lebendig werden zu lassen. Es sind intellektuell
außerordentlich starke, wenn auch etwas schwere, massiv
gebaute Bücher, die uns Eßwein hier bietet; nur beginnt
sich aber gerade in unseren Tagen der alte Philosophen-
wahn, daß dem Intellekt eine Herrschaft zukomme, daß
er etwas anderes sei als ein Mittel zum Zweck, als ein
Briefträgerzwischen verschiedenen Reichen des Empfindungs-
lebens, allmählich zu lösen. Eßwein macht an einigen
Stellen den Künstler ein wenig zum Briefträger.

Es gibt kaum einen Autor, auf den die Bezeichnung
»deutsch« in gutem wie im schlimmen Sinne so deckend
paßt, wie auf Eßwein. So wird ihm in der Erscheinung
I Thomas Theodor Heine die merkwürdige Dreiteilung in
dem mit kurzstrichiger fleckiger Ölfarbe Landschaften und
Porträts in zerteiltem Licht malenden »Impressionisten«,
in dem Virtuosen der langgezogenen tänzelnden Umriß-
linie, der im Empire den ihm verwandten Stil ei kennt und
in dem mit rauhen, heftigen Strichen fanatische Anklage-
bilder hervorstotternden Simplizissimuszeichner nicht recht
deutlich, obgleich er ungescheut zu ihrer Erklärung die
semitische Abkunft des Künstlers mit heranzieht. So ver-
fällt er gegenüber den mit monumentaler Sicherheit der
Linie, mit äußerster Sparsamkeit der Mittel hingeworfenen
Visionen Toulouse-Lautrecs leicht in eine unnatürliche Auf-
geregtheit des Stiles. Man wundert sich, wenn das fein
und diskret in flimmerndem blendenden Licht hingeworfene
Porträt der Schauspielerin Marcelle Lender apostrophiert
i wird: »Da bist du nun, töte sie, töte alle, die zu dir
! kommen, denn siehe, ich sterbe und ich weiß nicht warum.«
Weit besser schon ist Hans Baluschek erfaßt, der wuchtig-
sichere, aber nicht gerade durch allzuviele Siebe der
künstlerischen Selbstverwandlung hindurchgegangene Schil-
derer der stumpf rohen Freuden des vor sich hinstolpernden
Genießens jener Berliner Unterschicht, die literarisch wohl
ihre kürzeste und prägnanteste Verherrlichung in folgender
Inschrift einer Destille der südlichen Friedrichstraße fand:
»Hier kann jeder Mann für 10 Pfennig zweimal trinken, ein-
mal Bier und einmal Schnaps.«

Eugen Kirchners Kunst würde ich mehr, als Eßwein
dies tut, aus der Anschauung von holzgeschnitztem rund-
füßigen, bunt angestrichenem Kinderspielzeug zu erklären
suchen, so versteht man die scharfe Plastik, die Einsamkeit,
die auch in den reichsten Gruppen eine jede Figur bei
ihm hat. Die Feinheit der Licht- und Luftstimmungen,
die dieser Humorist, dem die Welt wohl recht kugelrund
erscheinen mag, dabei in Blättern, wie das Kaffeehaus, die
 
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