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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schleinitz, Otto von: Die Winterausstellung in der Londoner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0122

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Die Winterausstellung in

der Londoner Akademie

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und dessen Werke oft kaum von seinen Vorbildern
zu unterscheiden sind, ist William Dobson (1610 bis
1646). Ganz in dem Stil van Dycks gehalten, sehen
wir von ihm ein Porträt König Karls I., während ein
anderes Gemälde (105), dem Herzog von Northum-
berland gehörig und mit dem Titel versehen »Sir
Charles Cotterell, W. Dobson und Sir Balthasar Ger-
bier«, neben dem Einfluß des ersteren unzweifelhaft
auch seine Eigenart erkennen läßt. Die Porträtgruppe
besitzt außerdem noch Interesse, weil der Künstler
sich selbst mit abgebildet und sein Porträt auch
durchgeführt hat, was er sonst nur selten tat. Er ist
das Bindeglied zwischen der niederländischen und
modernen englischen Schule. Hogarth ist auf der
Ausstellung durch fünf Werke vertreten: »Porträt
des Hon. Edward Montagu«, aus der Sammlung des
Grafen von Sandwich, »Porträt von Mrs. Desaguliers«,
»Porträt von James St. Aubyn«, Hektor de Courcelles
gehörig, »Empfang in Wanstead House« und das
Bildnis von des Malers Frau. Daß der grimme Sati-
riker gelegentlich auch weicheren Gefühlen und einer
freundlicheren Stimmung Raum geben konnte, beweist
das letztgenannte Werk, aber der Gesellschaftsabend
in Wanstead House bleibt doch der charakteristische
Hogarth. Das Gemälde besitzt allgemeineres Interesse
durch den Umstand, daß hier einige Dutzend hervor-
ragender Zeitgenossen porträtiert sind.

Kneller und Lely, die beiden Hofmaler, bekannt
durch ihre Serien von Porträts berühmter Schön-
heiten, lassen zwar den Einfluß van Dycks erkennen,
ohne ihn indessen zu erreichen und wurden mehr ihres
schönen Kolorits und der dargestellten Sujets wegen
geschätzt. Ersterer ist durch das Bildnis der Gräfin
Lisburne, letzterer durch das Gruppenbild des Grafen
und der Gräfin Cornbury gut vertreten. Prachtvolle
Landschaften von Richard Wilson, Consiable, Crome
und Qainsborough bilden eine Zierde der Ausstellung,
nicht minder die von George Morland herrührenden
Genrebilder mit landschaftlicher Szenerie. Die drei
vom Grafen von Harrington geliehenen Arbeiten
von Reynolds sind zwar durch Kupferstich bekannt,
jedoch bisher nicht öffentlich gesehen worden. Diese
sind: »Porträt Lincoln Stanhopes«, »Porträt Leicester
Stanhopes« und »Porträts of Jane Countess of Har-
rington mit Viscount Petersham und Lincoln Stan-
hope«. »Miss Adney (Nr. 18), ein frühes Werk von
Gainsborough aus dem Besitz von Sir John Milburn
lohnt allein schon eine Pilgerfahrt zur Ausstellung.
Das Porträt des Violinisten »Feiice de' Giardini«, von
demselben Meister, war gleichfalls bisher nicht aus-
gestellt worden. Von den Zeitgenossen wurde Rey-
nolds die Palme für seine Kunstleistungen zuerkannt
und auch für das, was er als Präsident der Akademie
tat, jedoch der Genius, die Natürlichkeit und das
Magische in Gainsboroughs Kunst stellen ihn den
letzteren ebenbürtig an die Seite seines großen Rivalen.
Auch Romney, Hoppner und Raeburn sind erstklassig
repräsentiert. Von Turner sehen wir 20 Bilder zur Stelle,
das interessanteste jedoch betitelt sich »Venus und
Adoiiis«. Es ist in der Tat ein äußerst seltener Ge-
nuß, Turner als figürlichen Maler bewundern zu

können und wenn man das Bild im übrigen nicht
in unmittelbarer Nähe beschaut, glaubt man einen
Tizian vor sich zu haben. Adonis zur Jagd aufbrechend
verabschiedet sich von der ruhenden Venus, die sich
vor dem Hintergrunde, der eine herrliche im großen
Stil gehaltene Landschaft zeigt, plastisch abhebt. Das
Gemälde befindet sich im Besitz von Sir W. Cuth-
bert Quilter.

Unter ausgestellten Werken erst kürzlich oder
vor nicht allzulanger Frist verstorbener Künstler sind
solche von dem älteren Richmond, Rossetti, Millais,
Leighton, Val Prinsep, Burne-Jones, Watts und Si-
meon Solomon vorhanden. Rossetti ist repräsentiert
durch »Die Braut«, »DasGedächtnis«, dargestellt durch
eine weibliche Figur, »Bocca Baciata« mit der In-
schrift des Künstlers: »Bocca baciata non perde Ven-
tura, anzi rinuova come fa la luna«, aus Boccaccio
entnommen, »Der heilige Gral«, »Die Laube« und
»Das Weihnachtslied«. Das von Mrs. Henry Joachim
ausgestellte Porträt »Miss Nina Joachim« von Lord
Leighton, dem früheren Präsidenten der Akademie
gemalt, entbehrt nicht des Interesses, und das von
demselben Künstler herrührende, aus dem Besitz von
Mr. E. N. Buxton stammende Gemälde »Cleobulus
unterrichtet seine Tochter« halte ich — mag man
nun die Richtung Leightons gelten lassen oder nicht
— jedenfalls für eins der besten Bilder, das er je
herstellte und das typisch seinen Klassizismus zu er-
kennen gibt. Die Werke von Burne-Jones versetzten
uns wiederum in eine vollständig anders geartete Welt.
In seiner »Georg und der Drache« betitelten und
vor ca. 15 Jahren in München ausgestellten Serie,
für die er dort die goldene Medaille erhielt und zu-
erst in Deutschland in weiten Kreisen bekannt wurde,
steigen Phantome herauf, die in stiller Größe auf
Symbole und Mysterien hindeuten. Von desselben
Meisters Hand befinden sich auf der Ausstellung die
beiden erstklassigen Werke: »Laus Veneris« und
»Liebe unter Ruinen«. Millais »The Knight at the
Ford«, oder auch »Sir Isumbras« genannt, ist vielleicht
sein charakteristischstes Bild aus der präraffaelitischen
Epoche und auch interessant wegen der vielfachen
Abänderungen, Umarbeitungen und Ausbesserungen
von Beschädigungen, die das Werk erlitt. Zuerst
hielt man das Pferd des Ritters für viel zu klein und
als Millais es größer gestaltet hatte, war die Kritik
einstimmig darüber, daß es jetzt zu mächtig sei. Hier-
auf änderte der Künstler das Roß abermals in dem
gewünschten Sinne. Doch ist nunmehr offenbar, daß
der Kopf des Pferdes wiederum zu klein geriet. Von
Watts ist nur ein, aber bisher nicht gesehenes Ölbild
»Die Dame mit dem Bernsteinhalsband« auf der Aus-
stellung, dagegen gewähren ca. 80 Kreidezeichnungen
und Studien des Altmeisters, die dieser in seiner ge-
wohnten generösen Weise der Akademie zum Eigen-
tum überwies, das außerordentlichste Interesse.

O. v SCHLEINITZ.
 
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