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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0153

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von t. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVII. Jahrgang 1905/1906 Nr. 19. 23. März

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petilzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 8t Vogler, Rud.Mosse usw. an.

PARISER BRIEF

Von Karl Eugen Schmidt

Nach der Unendlichkeit der langweiligen und wenig
interessanten Ausstellungen, die uns in den Winter-
monaten beschert wurden, werden uns jetzt mit einem
Schlage an einem und dem nämlichen Orte gleich
drei Ausstellungen geboten, deren Besuch sich lohnt.
Die eine der drei ist allerdings so viel interessanter
als die beiden anderen, daß diese beiden kaum die
gebührende Beachtung finden. Bei Durand-Ruel stellen
gegenwärtig aus: der holländische Maler und Radierer
Philipp Zücken, der von der Rose-Croix seligen An-
denkens bekannte Maler Odilon Redon und endlich
kein anderer als Eduard Manet. Die Gefahr ist groß,
Zücken und Redon über Manet zu vernachlässigen,
und um das zu vermeiden, wollen wir mit den beiden
anderen beginnen. Zücken hat zwar ein paar Radie-
rungen im Luxembourg, aber trotzdem ist er in Frank-
reich so gut wie unbekannt. Außer einigen fünfzig
Radierungen hat er einige zehn Ölgemälde ausgestellt,
aber seine Stärke ist offenbar die Radierung. Hier
erinnert er an Felix Buhot und an Whistler, an den
letzteren besonders, was den feinsinnigen Ausschnitt,
die raffinierte Mise en page anlangt. Er ist vor allem
Landschafter und gibt die holländischen Kanäle mit
ihren Windmühlen, die Marinen und Strandbilder
ebenso feinfühlig wieder, wie Pariser Straßenansichten,
venezianische Kanalszenen, provenzalische und alge-
rische Stimmungen. Seine Radierungen zeugen nicht
nur von großer technischer Fertigkeit, sondern, was
bei dieser nachdenklichen und spintisierenden Kunst
die Hauptsache ist, sie zeigen Zücken als einen zart-
besaiteten Dichter, der die Melodie in uns nachklingen
läßt, welche ihn vor der Landschaft durchzitterte.

Odilon Redon ist kein Unbekannter. Als Josephin
Peladan, der sich damals den Titel »Sär« beilegte,
den Geheimorden der »Rosenkreuzer« erneuerte, war
Odilon Redon einer der Hauptpfeiler der neuen
Gründung. Die Rosenkreuzer des 17. Jahrhunderts
hatten die Religion veredeln wollen, die »Rose-Croix«
strebte eine Reform des ästhetischen Geschmackes an.
Dazu veranstaltete sie Vorlesungen, Ausstellungen
usw., welche Veranstaltungen den offiziellen Namen
»Geste esthetique« führten. Unter dem mystischen
Mumpitz, womit die Rosenkreuzer sich verbrämten,
stak doch mancher gute Kern, und einige recht tüch-

tige Künstler sind erst durch die »Rose-Croix« dem
Publikum vorgestellt worden, unter ihnen z. B. der
jetzt allwärts bekannte Pointiiiist Henri Martin, Aman-
Jean, Odilon Redon und einige andere.

Nach der Auflösung des Ordens schlössen sich
diese Leute den bestehenden Kunstgenossenschaften
an. Aman-Jean ist jetzt ein einflußreiches Mitglied
des Champ de Mars, Henri Martin spielt die erste
Geige in der alten Gesellschaft, Odilon Redon, der
sich zuerst vornehm abschloß, ist eine Leuchte des
vor drei Jahren gegründeten Herbstsalons. Jetzt hat
er bei Durand-Ruel eine Anzahl Pastelle, Zeichnungen,
Ölgemälde und Radierungen ausgestellt. Diese Aus-
stellung zeigt uns wieder, daß Redon ein sehr großes
koloristisches und dekoratives Talent ist, und daß er
gut daran täte, den Mystizismus aufzugeben und einzig
den Schönheiten der Farbe nachzugehen. Leider ge-
fällt er sich im Ausbrüten möglichst verworrener und
unklarer Themen, die dem Beschauer, weil unverständ-
lich, tief und erhaben scheinen. In Wirklichkeit zeigt
diese gewollte Unklarheit weniger Tiefe als Flachheit
des Denkens. Die wirklich tiefen und erhabenen
Denker haben sich stets bemüht, und es ist ihnen
stets gelungen, ihre Gedanken klar und einfach aus-
zusprechen. Und wenn Klarheit und Einfachheit so
selten sind, so kommt das einfach daher, daß nichts
schwieriger ist als die Einfachheit, nichts leichter als
die komplizierte Verwirrung. Nur Leute, die keine
Ahnung von den Tatsachen haben, können glauben,
daß es leichter ist, einfach und klar als dunkel und
verwickelt zu sein. Für diese Leute aber sollten
Künstler wie Odilon Redon nicht arbeiten. Denn
Odilon Redon ist bei all seinen mystischen Mätzchen
doch ein sehr talentierter Künstler. Zwar zeigt er
sich in seinen koloristischen Versuchen japanischen
Einflüssen allzu zugänglich dergestalt, daß diese de-
korativen Bilder fast genau aussehen, wie von leuch-
tenden Farben schillernde, mit prächtigen Gold- und
Süberstickereien bedeckte orientalische Gewänder, aber
es ist doch nicht zu leugnen, daß diese Farbenfreude
vom allerfeinsten Geschmack begleitet ist, und daß
diese Arbeiten ein wahrer Augenschmaus sind, wie
er von keinem unserer modernen Koloristen funkeln-
der und sprühender geboten wird.

In Paris hat sich in den letzten sechzig oder
siebzig Jahren eine Gattung von Liebhabern und
Sammlern ausgebildet, die einerseits wohl aus Ver-
 
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