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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon des Champ de Mars
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0202

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Der Salon des Champ de Mars

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haft unterscheidet Leider hat er geglaubt, diesen
Raum auch mit eigenen dekorativen Bildern schmücken
zu müssen, indessen sind diese nicht so störend, wie
sie sein könnten, und die geschmackvolle Zusammen-
stimmung des Wandbelags und des Teppichs macht
einen sehr guten Eindruck.

In dem einen dieser Räume ist, von Dubufe ab-
gesehen, Oaston La Touche der König. Er hat drei
dekorative Arbeiten ausgestellt, von denen die größte
für das Elysee bestimmt ist. Alle drei haben erstens
den feinen Farbengeschmack, sodann auch im Sujet
das gemein, daß der Künstler hier moderne Menschen
mit antiken Fabelwesen in die Welt des Rokoko ver-
setzt. In dem großen Bilde wird ein Nachtfest in
Versailles dargestellt, die Springbrunnen rauschen,
die architektonisch verschnittenen Bäume spiegeln sich
im Weiher, eine Gondel, geziert mit leuchtenden
Papierlaternen, gleitet über den Wasserspiegel. Ein
Satyr führt das Ruder, ein modern gekleidetes Paar
schmiegt sich liebend aneinander. Das Silber der
Wasserstrahlen, das Grün der Bäume und Hecken,
das Gold der Lampions und des Feuerwerkes ist
famos zusammengebracht, und ich glaube nicht, daß
La Touche seine dekorative Begabung je besser ge-
zeigt hat. In der »Hochzeitsreise« des nämlichen
Malers sehen wir eine hochrote Rokokokarosse durch
den herbstlich bunten Wald fahren. Durch die Fenster
erblicken wir wieder ein modernes Liebespaar und
auf dem Rücksitz hockt ein fröhlicher Faun. Im
»Bade« ist es ein nacktes Mädchen, das einer Sänfte
des 18. Jahrhunderts entstiegen ist und sich nun
seiner modernen Hülie entledigt hat, um in das
Wasser zu steigen, während sich lüsterne Faune in
der Nachbarschaft zu schaffen machen. Diese Arbeiten
von La Touche werden wohl das beste sein, was
uns der diesjährige Salon gebracht hat.

Ein ganzer Raum ist dem Maler Gustav Colin
gegeben worden, obgleich weder seine von früher
bekannten Arbeiten, noch die hier gezeigten Werke
eine solche Ausnahmestellung erklären und rechtfertigen.
Ein »Clou« ist dieser Saal also eigentlich nicht.
Dagegen muß noch ein dritter oder vierter »Clou«
genannt werden, der sogar unser besonderes Interesse
verdient, weil es ein deutscher »Clou« ist. Zum
ersten Male wird auf einer französischen Ausstellung
das gezeigt, wovon man auf den deutschen Aus-
stellungen mehr als genug sieht: ein Porträt des
deutschen Kaisers. Von diesem Porträt ist in den
deutschen wie in den französischen Blättern schon
seit Monaten die Rede. Es hieß da, Herr Felix
Borchardt habe es verstanden, den Kaiser von seiner
Abneigung gegen die »neue Richtung« zu bekehren
und ihm Freilicht und Impressionismus schmackhaft
zu machen. Wenn das wirklich wahr ist, dann mag
man wohl sagen: tant pis pour plein-air et impressio-
nisme! Die in diesem Bilde gezeigte neue »Richtung«
gehört wirklich zu der Gattung, wovon Böcklin sagte:
Nichtskönnen ist noch lange keine neue Richtung!
Eine aus Holz geschnitzte, harte, eckige, steife,
lebensgroße Figur steht auf einem Bergesgipfel in
und über den Wolken. Sie ist nicht mit Öl, sondern

mit Essig gemalt, und die abscheulichen violetten,
roten und grünen Töne tun dem Beschauer an den
Zähnen weh. Wenn der Kaiser wirklich dieses Porträt
gesehen und gebilligt hat, was trotz der Zeitungs-
nachrichten recht zweifelhaft ist, dann wird es bald
eine neue Richtung geben im Deutschen Reiche, vor
der uns der Himmel bewahren möge. Jedenfalls aber
ist dieses Bild, das der deutschen Kunst wirklich
keine Ehre macht, ein richtiger »Clou« im Salon,
und man muß sich fast mit Gewalt seinen Weg
durch die Beschauer bahnen, um es ordentlich an-
schauen zu können.

Nach den »Clous« nenne ich noch einige mehr
oder weniger neue Leute, deren Arbeiten mir aufge-
fallen sind. Da ist vor allem der Spanier Claudio
Castelucho mit einem ganz famosen weiblichen Bild-
nis: ein junges Mädchen in weißer Abendtoilette
sitzt auf einem rotseidenen Sessel mit goldener Lehne,
den Hintergrund bildet ein mit großen blauen, roten
und weißen Blumen bestickter dunkler Teppich. Es
ist eine Prachtleistung, wie diese kräftigen und wider-
streitenden Töne zu ebenso kecker und brausender,
wie eigenartiger Harmonie zusammengebracht sind.
Ein Meisterstück ist auch der »Fango« von dem näm-
lichen Maler, den ich für einen der am meisten ver-
sprechenden Künstler unter unseren »Jungen« halte.
Zwei Russen, Kusnetsoff und Kustodieff, die ich heuer
zum ersten Male sehe, haben gute Arbeiten ausgestellt.
Das Mädchen in offener heller Gartenlandschaft von
Kusnetsoff erinnert sehr an die ausgezeichneten ähn-
lichen Arbeiten von Wilhelm Trübner, Kustodieff
hat eine russische Kirche im grellen Sonnenlicht ge-
malt: ein grasgrün knallendes Dach, grellrote Tücher
und Hemden der Kirchgänger, leuchtend weißgelbe
Mauern, ein wahres Fanfarengeschmetter, in dem die
Valeurs so fein und sicher abgewogen sind, daß die
Sache trotz aller lebhaften Heftigkeit durchaus nicht
laut oder unharmonisch wirkt. Der Engländer Haweis
ist mit einigen außerordentlich duftigen, delikat ab-
gestuften Landschaften und Visionen vertreten.

Nach dem Alphabet erwähne ich, wie ich mir sie
im Katalog angemerkt habe: Auburtin mit einer
Puvis de Chavannes nachempfundenen großen deko-
rativen Küstenlandschaft; Besnard mit einem guten
Bildnis des französischen Gesandten in Rom Barrere
und einem weniger guten Gruppenbild, das in einem
sonnigen Parke dargestellt ist; Blanche, der zuviel zu
tun hat und deshalb oft eilfertig und nachlässig scheint,
aber doch nie das ihm eigentümliche große, echte
Talent verleugnen kann, wie denn sein heuriges
Doppelbildnis der Engländer Shannon und Ricketts
eine ganz ausgezeichnete Arbeit ist; Boldini, der von
Jahr zu Jahr manierierter und unerträglicher wird;
Caro-Delvaille, der seiner alten kühlen weißen Note
und auch seinem nämlichen weiblichen Modell treu-
bleibt, so daß es scheint, er habe uns nichts Neues
mehr zu sagen; Carolus-Duran, dessen Bildnis des
Kardinals Mathieu eine angesichts der früheren tüch-
tigen Leistungen dieses Malers erschreckend schlechte
Arbeit ist; Cottet, dessen drei lebensgroße weibliche
Figuren in der nämlichen Tonalität gehalten sind wie
 
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