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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Petersburger Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0233

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Mains«

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVII. Jahrgang 1905/1906 Nr. 29. 22. Juni

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

PETERSBURGER BRIEF

Im Laufe des Frühjahrs rückten die Kunstaus-
stellungen eine nach der anderen heran. Die meisten
von ihnen brachten nur Enttäuschungen. Die Wan-
deraussteller, die doch Jahrzehnte hindurch die Attrak-
tion in unserem Kunstleben ausmachten, mußten
dieses Mal als besonders zugkräftig wieder einmal
Skizzen und Studien von Repin zu dem großen
Repräsentationsgemälde des Reichsrates bei seiner
Jubiläumssitzung bringen. Durch die allbekannten
Sachen als Hauptstücke ist das Niveau der Ausstellung
genügend bezeichnet. Wladimir Makowski hatte ein paar
Bauernszenen ausgestellt, die durch ihren Konventio-
nalismus nur schmerzlich an die Frische der guten
Zeit des Künstlers erinnern. Doch waren immerhin
auf der Ausstellung recht respektable Sachen zu sehen;
so konnte man sich freuen, daß die Tretjaköw-Galerie
in Moskau Shuköwskis »Herbstabend« angekauft hatte,
der in Ton und Beleuchtung gut gefaßt war. Von
Repins Porträts befriedigten der Schriftsteller Leonid
Andrejew und der Kritiker W. W. Stassow; die
koloristische Stimmung des ersten beruhte auf einem
leuchtenden Rot, bei dem zweiten auf einem feinen
Gelb; neben ihnen kamen noch das duftige Porträt
von M. F. Andrejew und das feine und interessante
Bildnis Graf Leo Tolstoi des Jüngeren in Be-
tracht. Nicht gerade fein, aber sympathisch war das
Porträt der Schauspielerin Frau Wera Kommissar-
shewskaja von Frau Sarudnaja-Kavos und die eine
Straßenansicht aus Moskau, die W. N. Meschköw
ausgestellt hatte, bezeugt, daß die Wendung zur
stilisierten Landschaft und besonders zum stilisierten
Stadtbilde auch außer Röhrich und Ap. Wasnezöw
talentvolle Kräfte anzuziehen weiß. Konnte man bei
den Wanderausstellern somit noch Stücke finden,
die in dieser oder jener Hinsicht noch befriedigten,
so war selbst dieser Genuß auf der Ausstellung
der Aquarellisten versagt. Wie für die Wanderer,
so ist auch für die Aquarellisten die gute Zeit
längst vorüber und die diesjährige Ausstellung hätte
von einem Unkundigen eher für eine Veranstaltung
eines Dilettantenklubs gelten können, als für ein
Unternehmen einer Künstlergruppe, die sich vor
etwas mehr als zehn Jahren eines begründeten Rufes

erfreute. Bei der Erwähnung von Dilettanten sei
übrigens erwähnt, daß auch eine Dilettantenausstellung
von sehr kurzer Dauer stattfand, über die Ihr Korrespon-
dent viel Günstiges von kompetenter Seite hörte, doch
leider erst so spät, daß er sie nicht mehr besuchen
konnte. Daß er den »Salon des refuses«, der sich
mit Kinematograph und japanischem Export assoziiert
hatte, nicht besucht hat, wird wohl eher Entschul-
digung finden.

In denselben Räumen wie die Aquarellisten hatte
auch die St. Petersburger Künstlergesellschaft ihre
Ausstellung arrangiert, in den größeren Ausstellungs-
räumen des Passagegebäudes. Nicht nur das Lokal,
sondern auch der Effekt war beiden Ausstellungen
gemeinsam. In der Ausstellung der Künstlergesellschaft
waren nur drei interessante Bilder vorhanden, die
sich durch kräftige Auffassung und breite, markige
Pinselführung auszeichneten: Helene Reichardt hatte
die Hauptstücke ihrer Studienreise im Kaukasus aus-
gestellt; besonders der »Bergbewohner voh Sanib«
und der »betende Mullah« ließen alle übrigen
Stücke der Ausstellung hinter sich, obgleich unter
ihnen Größen vom Namen Konstantin Maköwskis
vertreten waren, dessen süßliche Porzellanmalereien,
wie die Alme, noch viel unerträglicher sind, als das
»historische Genre«, das ihn populär gemacht hat.
M, O. Mdlyschew hat in seinem »Die Tatarei kommt«
offenbar an Viktor Wasnezöw anknüpfen wollen;
auch ist ihm die Steppe und der wachhabende
Krieger auf der Kuppe im Vordergrunde nicht übel
gelungen, aber der Feuerschein der brennenden Dörfer
im Hintergrunde ist so gequält und gesucht, daß die
Vorzüge des Bildes daneben gar nicht in Betracht
kommen. An Porträts war wenig vorhanden; M. G.
Suchoröwski hatte es für zeitgemäß befunden, ein Porträt
des Grafen S.J.Witte auszustellen, leider trat weder der
vielgewandte Diplomat noch der willensgewaltige Staats-
mann in diesem Bildnis dem Beschauer entgegen,
es war ein graubärtiger Herr aus der guten Ge-
sellschaft, ungünstig gegen das Licht gesetzt, der
auf einem allerdings sehr gut gemalten roten Leder-
sessel saß. Viel besser in der Charakteristik waren
die Porträts und Situationsskizzen, die Hugo Bak-
manson aus dem Mandschurischen Feldzuge mit-
gebracht hatte. . Anspruchslose Reporterskizzen, er-
 
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