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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0253

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48g

Nekrologe

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mittag Probe zeichnen, und war so entzückt, daß er ihn
sofort mit einem Monatsgehalt von 100 Gulden anstellte,
woraus dann sogar 200 wurden. Später gab er bei Paterno
eine »Zeichenschule« heraus, die so vergriffen ist, daß
selbst der Künstler kein Exemplar mehr besaß. Der Er-
folg beruhte zum Teil darauf, daß Schrödl der einzige war,
der seine Blätter verkehrt zeichnete, so daß sie im Um-
druck gerade kamen, und dem Schüler eine wesentliche
Erleichterung boten. Er war überhaupt ein großer Schüler-
freund und hatte noch im hohen Alter einen Taubstummen
bei sich, den er malen lehrte. Der Dresdener Maler Pepino
ist auch sein Schüler. Er fand ihn einst als zwölfjährigen
Knaben auf dem Kahlenberg, nicht in der besten Oesell-
schaft, und fragte ihn, was er werden möchte. »Maler«,
war die Antwort. So nahm er ihn mit und machte einen
Maler aus ihm, dem später selbst Makart sein Atelier zu
malen gestattete. Makart schätzte auch Schrödl nicht wenig,
und in der Makartzeit nahmen dessen Tierstücke — das
Schaf wurde sein Haupttier — ganz den damaligen Wiener
Kolorismus an. Das eigentliche Vorbild war aber doch
Pettenkofen, mit den samtigen Schatten der Innenräume
und der glühenden Sommersonne, die hineinleuchtete.
Auch Straßgschwandtner, der die Nutztiere des Alltags so
demokratisch malte und lithographierte, war ihm ein gutes
Beispiel. Er strebte auch aus allen Kräften nach Natur-
echtheit. Wie später Theodor von Hörmann im Schnee
sitzend seine Winterbilder malte, so erfror auch Schrödl
beinahe in dem kalten Ochsenstall, der jetzt im Hofmuseum
hängt. Andere malten dergleichen im wohlgeheizten Atelier.
Daneben machte er sich aber noch eine Spezialität. Er
verpflanzte ganze Landschaften, Stein für Stein und Baum
für Baum, nach beliebigen Orten, mit unbegrenzter mine-
ralogisch-botanischer Sachkenntnis und der Gewissenhaftig-
keit des feinschmeckerischen Naturgenießers. Den Anfang
machte er mit dem Wiener Tiergarten. Graf Hans Wilczek
hatte ihn nämlich nach Algier mitgenommen, auf seine
Löwenjagden, und die dortigen Erfahrungen nützte er dann,
um im Tiergarten afrikanische Partien von dokumentarischer
Echtheit zu komponieren. Später brachte er auch aus den
heimischen Alpen ganze Landschaftsmotive in Körben und
Säcken heim, selbst die Bodenkrume. Solche Landschaften
schuf er für den Grafen Wilczek in seinem Park zu See-
barn, für Baron Rothschild in Schillersdorf und für den
reichen Kunstfreund Kuffner in Ottakring, einem Außen-
bezirke Wiens. Die Kuffnersche Almhütte mit allem Zu-
behör, mit dem laufenden Brunnen voran und dem alpen-
haften Pflanzengewächs ringsum, und dem »Almtürl» am
Anfang des Felspfades, der hinaufführt, ist ein Meisterstück,
ein Privat-Pinzgau, das die Umgebung als »Schrödlalm«
bewundert. In der Schrödlausstellung war sie auch in
einem Bildchen dargestellt, das als »Almhütte (Privatbesitz)«
bezeichnet war. Als die große Wiener Kunst- und Theater-
ausstellung im Prater gemacht wurde, dachte man auch
an Schrödl und wollte für den »Freischütz« eine echte
Wolfsschlucht machen lassen, allein die Kosten waren zu
groß und man verzichtete. Der alte Schrödl war seit vielen
Jahren wie verschollen; auch ich habe ihn seit 1895 nicht
gesehen. Er wohnte in der Vorstadt, auf der Kaiser-Josef-
Straße, in einem dritten Stock, in Stuben, die mit Hun-
derten unverkaufter Bilder und Studien behängt waren.
Obgleich er ganz verkäuflich malte, und z. B. mit Genug-
tuung hervorhob, daß er selbst auf der Chicagoer Ausstel-
lung, wo so wenig Bilder verkauft wurden, Liebhaber ge-
funden. Natürlich wird es nun im Herbst eine stattliche
Gedächtnisausstellung im Künstlerhause geben, mit nach-
folgender Versteigerung. Der Einsiedler von der Kaiser-
Josef-Straße wird auch diese posthumen Ehren philoso-
phisch über sich ergehen lassen. Ludwig Hevesi.

Franz Gaul f. In Wien starb am 3. Juli nach langem
Leiden der pensionierte Oberinspektor und Chef des Aus-
stattungswesens an der k. k. Hofoper Franz Gaul (geb.
1837), ein Bruder des 1892 verstorbenen Historienmalers
aus der Rahlschule Gustav Gaul. Von Hause aus Histo-
rien-, ja Schlachtenmaler, wandte er sich bald mit Passion
dem Kostümwesen zu. Unter den Direktionen Dingelstedt,
Jauner und Jahn war er der Allwaltende in der glänzenden
Scheinwelt der Hofoper. Es war die Zeit von »Carmen«,
»Werther«, »Manon«, »Cavalleria Rusticana«. Aber sein
Schoßkind war das Ballett, das ihn sogar schöpferisch
machte. Mit den hervorragenden Ballettmeistern Haß-
reiter und Frappart »dichtete« er allbeliebt gewordene
»Tanzpoeme«, wie »Puppenfee«, »Wiener Walzer«, »Sonne
und Erde«, »Tanzmärchen«. Josef Bayer war sein graziöser
Komponist. Er hatte dafür eine eigene Phantasie im Lie-
benswürdig-Putzigen, mit einem starken Einschlag von
Humor. Seine Ausstattungskunst wurde freilich von der
Zeit überholt. Sie stand noch völlig in der alten theatra-
lischen Realistik von bemalter Leinwand, Schneiderei und
Requisitentum. Das war noch ganz das einst lüstern be-
wunderte »Reich der Schminke« und des »quinquet«, mit
seinem Flitterputz eines allabendlichen Faschings, diesem
bengalisch beleuchteten Bohemewesen eines höheren
Schmierentums. Aber es hatte unbedingt seinen Reiz, und
manches gelang Gaul ganz vorzüglich. Die bunt zusammen-
geflickte Osteria Alfios in »Cavalleria« und das ruinenhafte
Häuschen Lolas waren Meisterwerke einer wienerischen
Gschnaskunst voll munterer Dachkammerlaune und — wie
man heute sagen muß — malerischen Kabarettwitzes. Und
in jüngeren Jahren hatte er sogar ernsthafte Anwandlungen,
etwa wenn er bei Dingelstedts »Fidelio«-Aufführung den
sonst so schablonenhaften Chor in lauter echte Charakter-
masken verwandelte. Beim Stil hörte seine Eignung auf.
Richard Wagners Mann war er nicht; dieser fand in dem
stilistischen Landschafter Josef Hoffmann, aus der Rahl-
schule, mehr Fähigkeit zum Historisch-Mythologischen.
Und die jetzige Direktion Mahler hat in Alfred Roller, dem
Hochmodernen, ihren kühn versuchenden Szenenstilisten
gefunden. Franz Gaul war aber auf seinem Gebiete auch
ein unermüdlicher Forscher und Sammler. Sein Haus war
ein Museum von Theatralien und Viennensien. Zu einer
Zeit, wo kein Mensch sich noch um Japan kümmerte, hatte
er schon einen ganzen Glasschrank voll indischer Kostüm-
püppchen gesammelt. Uber österreichisches Heerwesen
besaß er Schätze an alten Bildern, Stichen, Zeichnungen.
Das Wiener Ballett konnte er in Hunderten von graphi-
schen und sachlichen Andenken vor dem Auge vorüber-
ziehen lassen. Fanny Elßler war sein Abgott; er bewahrte
sogar die Figurine und das Kostüm der berühmten Tänzerin
auf, von ihrem letzten Auftreten im Ballett »Faust« am
28. Juni 1851. Wie oft hat er mir von den vertraulichen
Abenden bei ihr erzählt, wo die uralten Staatsmänner und
Generale des Vormärz, die sie in jungen Jahren leiden-
schaftlich verehrt hatten, still und stumm bei ihr zu sitzen
pflegten, mancher sogar schon ganz auf die leibliche Für-
sorge des Kammerdieners angewiesen. Wenn ich vor
zwanzig Jahren mit ihm im Gauseschen Gasthausgarlen
speiste, guckten wir immer zusammen nach dem blumen-
bunten Balkon hinauf, an der Hinterseite des auf der Seiler-
stätte gelegenen Hauses, wo die Greisin Fanny wohnte,
und wir freuten uns beide, wenn die unvergleichlich an-
mutige Frau erschien, ihre Vögel zu füttern und ihre Blumen
zu begießen. Franz Gaul war eine unversiegliche Chronik
des von ihm miterlebten Wien, aber auch vorausliegender
Epochen, so weit sie in seinen Kuriosenkram paßten. Er
war auch voll Malice und Sarkasmus, und hatte schon
äußerlich einige Ähnlichkeit mit Wilhelm von Kaulbach,
 
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