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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schmidt, Karl Eugen: Das Kunstgewerbe im Pariser Herbstsalon
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Maas, Max: Adolf Furtwänger
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0037

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Adolf Furtwängler f — Nekrologe

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Unterlage zum Schreiben auf die Pulte geklebte graue
Stoff hätte in Fetzen heruntergehangen. Und ich fürchte
sehr, daß die heutige Schuljugend ebenso respekt- und
ruchlos ist, wie wir es waren.

KARL EUGEN SCHMIDT, Paris

ADOLF FURTWÄNGLER f.
In dem am fli Oktober zu Athen verstorbenen Mün-
chener Archäologen Adolf Furtwängler hat die klassische
Altertumskunde ihren interessantesten, ausgeprägtesten, in
seiner Art bedeutendsten Vertreter verloren. Ein Mann
von gewaltigem Wissen, dem in denrRegister seines Sehens
jedes Kunstwerk des Altertums, das irgend welche künst-
lerische oder wissenschaftliche Bedeutung hat, vor Augen
stand, ein Mann von Charakter, dem jede Rücksicht außer
der auf seine hohe Wissenschaft nebensächlich war, ein
trefflicher Lehrer von begeisterter und begeisternder Aus-
drucksweise in Wort und Schrift, als Leiter großer Kunst-
sammlungen von ungewöhnlicher Energie und vorbildlichem
Geschmack: so war Adolf Furtwängler, und wenn wir ihn
so schildern, sagen wir zugleich, daß die klassische Archäo-
logie, die Münchener Universität, die bayerischen Staats-
sammlungen einen unersetzlichen Verlust in diesem großen
Gelehrten, der zugleich eine Persönlichkeit war, erlitten
hat. — Seine Ausgrabungstätigkeit konzentrierte sich zu
Olympia, Ägina, Orchomenos, und zuletzt hat ihn der
amyklaeische Thron, dessen Reste unter einem griechischen
Kirchlein bei Sparta aufzudecken sind, nach Griechenland
geführt, wo ihn,den kräftigen Mann,derTod aus blühendsten
Jahren hinwegriß. Die »Bronzen von Olympia«, das ge-
waltige Äginawerk, das in seinen Exkursen ganze Ent-
wickelungsgeschichten einzelner Doktrinen gibt, z. B. über
die Verwendung der Plastik in Giebelfeldern, und das die
herrlichen Ägineten der Glyptothek endlich in richtiger
Weise rekonstruiert, sind aus der Tätigkeit in Olympia und
Ägina entsprungen. In Orchomenos, wo Urzeiten, die fern
vor der bekannten Geschichte liegen, zutage traten, — die
Publikationen über Orchomenos besorgt der Erlanger
Archäologe Heinrich Buller und gerade jetzt ist ein glän-
zender erster Band darüber erschienen — gewann Furt-
wängler mit die Uberzeugung, daß die Prähistorie zunächst
und in erster Linie ins Gebiet der Archäologie gehört und
daß zwar Anthropologie und Ethnologie Hilfswissenschaften
für sie sind, aber aus der bisher führenden Stellung gegen-
über der Archäologie weichen müssen. Energisch und rück-
sichtslos hat Furtwängler für diese Ansicht in München
gekämpft. — Kein Gebiet der Kunstarchäologie existiert,
wo nicht hervorragende Publikationen Furtwänglers neues
Feld ebneten oder zusammenfassend Entwickelungs- und
Kunstgeschichten hervorbrachten. Haben wir auch von
dem berufensten Kenner der griechischen Marmor-Bronze-
kunst keine eigentliche Geschichte der griechischen Plastik,
so sind die »Meisterwerke der griechischen Plastik« und
die überarbeitete englische Ausgabe derselben beide ver-
griffen. Doch ein Standardwerk dafür, wozu dann noch der
große Glyptothekkatalog, die »Neuen Fälschungen der An-
tiken«, die ausgewählten »Denkmäler griechischer und römi-
scher Skulptur«, die »Intermezzi«, die Bände über die Samm-
lungen Sabouroff und Somzee und viele Einzelabhandlungen
ergänzend treten. — Für die Bronzen des Altertums hatte
Furtwängler in den »Bronzen von Olympia« grundlegend
gearbeitet. Seinem Blick entging auch keine Fälschung,
und es ist einfach großartig, wie rasch und sicher er, der
auch zuerst die Fälschung der Tiara des Saitaphernes er-
kannt hatte, als er im vorigen Jahr die Leitung des Anti-
quariums übernahm, echte Bronzen der Antike wieder ein-
reihte, unechte in die Renaissance verwies. Schon gibt der
kleine Antiquariumsführer, den der Unermüdliche in wenig

Wochen hinwarf, kurze brauchbare einleitende Bemerkungen
über Bronzen, wie auch über Terrakotten und sonstige
Kleinkunst; um so mehr ist es zu bedauern, daß der aus-
führliche Katalog nicht mehr von seiner Meisterhand be-
arbeitet werden konnte. — Haben die mit Löschke zu-
sammen herausgegebenen mykenischen Tongefäße und
mykenischen Vasen schon vor Jahrzehnten (1879—1886)
Furtwängler dem antiken Kunstgewerbe, das den Ton als
Material verwendet, nahe gebracht, so führt der Berliner
Vasenkatalog, der Text zu den Terrakotten der Sammlung
Sabouroff hinüber zu der großartigen, mit Reichhold her-
ausgegebenen einzigartigen »Griechischen Vasenmalerei,
Auswahl hervorragender Vasenbilder«. Wer wird dafür
sorgen, daß dieses in Ausstattung und begleitendem Text
die höchsten Ansprüche erfüllende Prachtwerk kein Torso
bleibt? — Ein Teil der antiken Kleinkunst hat durch Furt-
wängler dann noch eine vollständige und systematische
Behandlung gefunden; die drei stattlichen Bände »Die
antiken Gemmen, Geschichte der Steinschneidekunst im
klassischen Altertum« sind eine erschöpfende Darstellung. —
Seine mythologischen Studien sind in zahlreichen Aufsätzen
des Roscherschen Lexikons niedergelegt; für die antike
Architektur, namentlich die Akropolisbauten, hat er sich
in vielen Publikationen interessiert, und auch die antike
Numismatik in ihrer Wichtigkeit für die Datierung und Er-
kenntnis des statuarischen Werkes hat viel Anregung von
Furtwängler empfangen. Wer möchte neben den vielen
Großtaten dieses Meisters in der antiken Kunstforschung
seine übergroße Leidenschaft, jedes, auch ein mangelhaft
erhaltenes Werk, einer bestimmten Schule, ja einem be-
stimmten Meister zuzuschreiben, tadeln? — Die Glyptothek,
die Vasensammlung, seit kurzem auch das Antiquarium,
waren musterhaft geleitet; die Neuanschaffungen waren,
soweit die nicht besonders groß zugedachten Mittel es er-
laubten, systematisch auf Ausführung der Bücher gerichtet.
Der neugegründete Museumsverein, der ebenso wie die
Kunstwissenschaftliche Gesellschaft, aus der Initiative Furt-
wänglers entsprang, half in der letzten Zeit dazu mit.
Aus dem Gipskabinett, das noch einer neuen würdigeren
Heimat harrt, gingen solche wertvolle Ergänzungen hervor,
wie die Lemnia, der Diskobol, die praxitelische Aphrodite
und andere mehr, die dem kunsthistorischen Studium ver-
lorene oder verstoßene große Werke des Altertums wieder
zuführten. Und binnen kurzem wird die Öffentlichkeit
noch erfahren, welche großartige Bereicherung dank der
Energie des verstorbenen Leiters der Glyptothek, des Anti-
quariums und der Vasensamnilung diese Sammlungen noch
zu erwarten haben. So wird noch später ein neuer Lor-
beer um das Haupt des Entschlafenen geflochten werden,
den seine Familie, seine Schüler, die er zu selbständigen
Forschern erzogen hat, die Stadt München und der baye-
rische Staat und alle Freunde der Antike tief betrauern,
als einen Mann, der in unvergänglicher Weise für die
klassische Kunstarchäologie tätig gewesen war.

Dr. MAX MAAS.

NEKROLOGE

Erwin Öhme f. In Dresden ist am 10. Oktober nach
kurzem, schwerem Leiden im 77. Lebensjahre der Maler
Erwin Öhme gestorben. Er war am 18. September 1831
als Sohn des Landschaftsmalers Ernst Ferdinand Öhme
geboren, der ein Zeitgenosse und Freund Ludwig Richters
war. Er selber war Schüler der Dresdener Akademie und
auch eine Zeitlang im Atelier Ludwig Richters. Mehr noch
studierte er nach der Natur und bildete sich auf Reisen
in Deutschland, in der Schweiz, Frankreich und England.
Dann lebte er andauernd in Dresden, zuletzt in Blasewitz.
 
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