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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [3]
DOI Artikel:
Dodgson, Campbell: Noch einmal die angebliche Radierung Elsheimers
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0206

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Noch einmal die angebliche Radierung Elsheimers

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ihnen sehen wollen. Wenn andere Künstler als
Sargent, Rodin, Besnard uns Arbeiten zeigten wie die
soeben kritisierten, würden wir vermutlich enthu-
siastische Freudenrufe ausstoßen; so gefährlich ist es
für einen Künstler, eine Höhe zu erreichen, auf der
er sich nicht immer und nicht alle Tage halten kann, und
die von der übergroßen Mehrzahl auch nicht eine
einzige Minute in ihrem ganzen Dasein erreicht wird.

Aman-Jean bleibt sich merkwürdig gleich, und
das gefällt uns nun auch nicht. Henner malte nackte
Nymphen im dunkeln Walde, daß es zum Entzücken
war, aber da er alle Tage seine nackte Nymphe im
dunkeln Walde malte, wurden wir der Sache etwas
überdrüssig. Aman-Jean bringt seine roten, gelben,
blauen, grünen Harmonien vortrefflich zusammen,
aber wir kennen sie nun schon alle seit einem
reichlich bemessenen Jahrzehnt, und das toujours
perdrix gefällt uns auch in der Malerei nicht. Ganz
ausgezeichnet sind zwei bretonische Bilder von Lucien
Simon, die in ihrer frohen Farbenlust überaus lebendig
und schön wirken. Cottet, den man früher stets als
gleichstrebenden Genossen Simons nannte, hat sich
seit einigen Jahren den Mächten der Finsternis er-
geben, das heißt, er scheint jede helle und frohe
Farbe zu scheuen und am liebsten mit reinem Asphalt
zu malen, was für den Beschauer nicht immer eine
ungemischte Freude bedeutet. Ein sehr gutes großes
weibliches Bildnis von Antonio de la Gandara, be-
gleitet von zwei oder drei kleineren Köpfen und
einem kleinen Parkbildchen aus Versailles, zeigen uns,
daß sich an diesem von den Damen der Hochfinanz
nicht weniger als von der Aristokratie geliebten
Porträtisten nichts geändert hat: immer interessant,
vornehm, eigenartig, aber zugleich starr, leblos und
luftleer. Ein wunderschöner Gaston La Touche ist
das ganz mit Goldfluten übergossene Interieur
Louis XV., worin sich eine Dame mit einem nackten
Amor und einem Affen zu schaffen macht, und nicht
weniger schön ist das Dornröschen von dem näm-
lichen Maler, wobei wiederum das Interieur aus dem
achtzehnten Jahrhundert die Hauptsache ist. Le Si-
daner hat einige seiner stimmungsvollen Mondabende
und zum Unterschied auch zwei helle Tagesland-
schaften, die nicht ganz so poetisch sind wie seine
Abendbilder, Henri Marlin stellt sechs oder sieben
kleine sonnige Landschaften aus, Rene Menard ist
sehr gut mit einer freien Wiederholung seines besten
Bildes: Abend, See, bewaldete Hügel, heller Himmel,
im Vordergrunde eine nackte weibliche Figur, J. W.
Morrice gefällt wie immer mit seinen koloristisch fein
empfundenen Sachen, Trubetzkoi zeigt mehrere seiner
hübschen Bronzestatuetten, Raoul Ulmann gibt die
melancholische Stimmung der Bretagne ausgezeichnet
wieder, Lobre, Prinet, Henri Duhem und Andre
Dauchez sind mit guten Arbeiten in ihrer längst be-
kannten und geschätzten Art vertreten. Damit habe
ich sämtliche Aussteller erwähnt, und daraus kann man
ersehen, daß in dieser Ausstellung nichts ist, das nicht
des Ausstellens, Anschauens undBesprechens wert wäre.
Und das kann man leider nur von sehr, sehr wenigen
Ausstellungen sagen. KARL EUGEN SCHMIDT.

NOCH EINMAL DIE ANGEBLICHE RADIERUNG
ELSHEIMERS
Der Freundlichkeit des Herrn Direktor Prof. Sponsel
verdanke ich eine Photographie der umstrittenen Radierung
Elsheimers im Dresdener Kupferstichkabinett (vgl. Kunst-
chronik, N. F. XIX, Sp. 120 u. 288). Die stark vergrößerte,
dem entsprechenden Blatte J. van de Veldes in den Maßen
gleichkommende Aufnahme erleichtert zwar durch ihre
größere Deutlichkeit der kleinen Reproduktion in der Qazette
gegenüber das Studium der Komposition, verdirbt aber
total die künstlerische Wirkung des Blattes, indem sie jeden
Strich und jede Kreuzlage erbarmungslos vergröbert, die
im gelinden Helldunkel halbverhüllten Soldaten durch Ver-
größerung scheinbar in eine grellere Beleuchtung versetzt,
und die Figuren ihres freilich nicht allzugroßen Reizes
beraubt. Für einen, der das Original nicht kennt, müßte
der Blick einer solchen Reproduktion eine Enttäuschung
vorbereiten; ich gestehe, daß ich selber mein früheres,
günstiges Urteil nicht ohne Bedenken und einen gewissen
Zwang aufrechtzuhalten vermocht habe. In der Technik
weicht das Blatt freilich von den wenigen anderen mir
bekannten Radierversuchen Elsheimers vollkommen ab;
man vermißt »die leichte, bald zierlich ausführende, bald
nur geistreich skizzierende Manier», wie sie Bode charak-
terisiert. Doch mag das Blatt auch als Experiment in einer
anderen, mehr malerischen Art des Radierens gelten.
Seine Beziehung zu dem »Feuer« van de Veldes läßt sich,
glaube ich, nur so erklären, daß dieser sich als berufs-
mäßiger Radierer bemüht hat, die etwas verworrene Sol-
datengruppe und undeutlich charakterisierten Geräte ver-
mittelst seiner mehr geschulten, routinierten Technik ver-
ständlich und klar zu machen. Dabei hat wohl Buytewech,
der die drei anderen Blätter der Folge selbständig ent-
warf, auch eine Rolle gespielt, aber gewiß keine große.
Die kompositioneilen Unterschiede der beiden Blätter hat
Scheikevitch genauer beschrieben als Valentiner. Dieser
spricht z. B. von einem Hunde, woraus »eine unklare
Strichelei, die wohl einen Gewandzipfel vorstellen soll, ge-
worden« sei. An der Stelle, die bei van de Velde der
Hund einnimmt, ist bei Elsheimer weiter nichts als Schatten,
ein dunkler Hintergrund zu sehen; der zweite Hund, den
Valentiner nicht erwähnt, fehlt ebenso vollständig; man
sieht nur sechs Personen, während bei van de Velde
dreizehn deutlich zu zählen sind, um der anderen neben
Pferd und Wagen im Hintergrunde links zu geschweigen.
Sämtliche Zutaten im Figürlichen dürften wohl auf die
Rechnung Buytewechs zu setzen sein, der sonst in der
Radierung Elsheimers eine bequeme Vorlage zu seiner
Darstellung des Feuers vorfand. Nun bitte ich, den Hinter-
grund etwas näher zu betrachten. Die Silhouette der
Bäume gegen den unten lichten, oben dunklen Himmel
hat in den beiden Blättern bloß eine allgemeine Ähnlich-
keit. Wenn man den Autor des »Elsheimer« für einen
Kopisten hält, so muß man zugeben, daß er sich um die
Erhaltung des gegebenen Umrisses sehr wenig gekümmert
hat. Ganz anders ist nach der anderen Hypothese der
sorgsame van de Velde zu Werke gegangen. Sowohl
Scheikevitch wie Valentiner ist es entgangen, daß ein ge-
wisser Teil des Waldes auf dem »Feuer« nicht bloß im
allgemeinen, sondern bis auf ganz kleine Einzelheiten genau
aus einer anderen Komposition Elsheimers entlehnt ist,
der 1613 von H. Goudt radierten Flucht bei Nacht nach
Ägypten. Ungefähr eine Hälfte des Waldes, der Teil
nämlich, der dieselbe Breite einnimmt, wie die Worte
»Ignis« bis »J. V. Velde fec.« in der Unterschrift, ist
nicht im Gegensinne, sondern direkt und in der gleichen
Größe aus dem Blatte Goudts kopiert. Der letzte Baum
oben rechts befindet sich auch auf der Flucht nach Ägypten,
 
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