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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Cohen, Walter: Berliner Sezession 1908
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0230

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437

Nekrologe

438

und Oppler übertrifft, den neuen Akademikern wie
Tuaillon und Kraus mindestens gleichkommt. Von
Cauer sieht man einen lebensgroßen Speerträger, ein
Marmorrelief »Die Fischer« und das innige Grabrelief
eines Knaben, das, im Vorgarten des Sezessionsge-
bäudes aufgestellt, kaum beachtet wird. Genannt
seien wenigstens noch Georg Kolbes Brunnengruppe,
Engelmanns ruhende Frau, die weibliche Figur P. Pöp-
pelmanns (Dresden) und die köstlichen farbig glasierten
Keramiken von Emil Pottner.

* *

Viele haben sich gewundert, gerade Leibi in der
Sezession anzutreffen. Sie finden weder Leibi »se-
zessionistisch«, noch die Mitglieder dieses Künstler-
bundes auf den Wegen Leibis. Beides ist richtig.
Soll man sich durch solche Betrachtungen im Genuß
dieser erlesenen kleinen Ausstellung stören lassen?
Neulich ist versucht worden, aus der Vorführung alt-
englischer Bilder eine Partei- und Tendenzsache zu
machen, mit dem Erfolge, daß auch unbefangenen
Kunstfreunden die Lust daran vergällt wurde. Ein
ähnliches Schauspiel wiederholt sich hier und Lieber-
mann scheint dies vorausgesehen zu haben, wenn er
im Vorwort des Kataloges versichert: Es liegt uns
fern, »seine Kunst als die alleinseligmachende hin-
stellen zu wollen. Noch weniger aber sollen wir
versuchen, seine Kunst nachzuahmen, was uns ja
doch nur im Äußerlichen gelingen könnte«. Nein,
nicht nachahmen. Aber vielleicht geht doch manchem
der jungen Künstler, die hier ausstellten, vor diesen
ernsten Kunstwerken des besten deutschen Malers die
Wahrheit auf, daß Malen nicht ganz so leicht ist wie,
sagen wir einmal, Gedichte machen. Sich in Leibi
versenken, in sein Werk und sein nur der Kunst ge-
weihtes Leben, wie es uns kürzlich von seinem Freunde
Julius Mayr so eindringlich geschildert wurde, be-
deutet ein Sich-Selbst-Prüfen. Nie war ein Künstler
mehr allem Snobistischen und Modischen entrückt,
wie dieser Vertreter altmeisterlichen Handwerkerstolzes
und phrasenloser Aufrichtigkeit, im Leben wie in
seiner Kunstübung. Auch auf ihn ließe sich beziehen,
was einst von einem Größeren gesagt wurde: »Er
selbst war mehr wert, als alle seine Talente«.

Dr. WALTER COHEN.

NEKROLOGE
Alexander Neustrojew f. Der zweite Oberkonser-
vator an der Gemäldegalerie der Kaiserlichen Eremi-
tage Alexander Neustrojew ist in Cimiez am 26. April im
Alter von 47 Jahren gestorben. Seit dem Herbste hatte
er sich wegen eines Kehlleidens im Süden aufhalten
müssen, kurz vor Ostern mußte er seine Entlassung ein-
reichen und ehe diese noch erledigt war, hatte eine rapide
Verschlimmerung des Leidens seinem Leben ein Ende
gemacht. Neustrojew hatte sich bereits in jungen Jahren
Ansehen als Musiktheoretiker verschafft, ehe er sich ganz
der Kunstgeschichte widmete. 1891 war er als Assistent
beim Kupferstichkabinett der Eremitage eingetreten, dessen
großer Zettelkatalog von ihm angelegt und zum größten
Teile unter seiner Leitung ausgearbeitet wurde; 1897 wurde
er zum Konservator ernannt und widmete seine Kraft ganz
der Gemäldegalerie; 1903 wurde er zum zweiten Ober-

konservator der Abteilung für Gemälde, Gravüren und
Handzeichnungen ernannt. Ohne jemals ein akademisches
Studium der Kunstgeschichte absolviert zu haben, gehörte der
Verstorbene zu den wissenschaftlich bestgeschulten Köpfen,
die an der Eremitage gewirkt haben. Neben einer angeborenen
Disziplin des Gedankens verdankte er seine wissenschaft-
liche Schulung dem Einfluß von Lermolieffs Schriften, deren
Erscheinen zeitlich mit Neustrojews kunstwissenschaftlichen
Anfängen zusammenfiel. Nach seiner musiktheoretischen
Vergangenheit hätten ihn ästhetische und kunstpsycholo-
gische Probleme vor anderen interessieren müssen, doch
seine Gewissenhaftigkeit ließ ihn die Feststellung des
Tatbestandes, hier die historische Gemäldekunde, als die
dringendere Aufgabe erkennen. Das große Material an
Petersburger Gemälden alter Meister nach moderneren
kritischen Gesichtspunkten zu ordnen, stellte er sich zur
Lebensaufgabe, deren Erledigung er alles andere unterord-
nete. Nur geringe Splitter der großen Arbeiten dazu hat
er veröffentlicht, darunter einen Aufsatz über niederländische
Gemälde in der Kaiserlichen Akademie der Künste im
Jahrgang 1906/7 der »Zeitschrift für bildende Kunst«. Er
ließ seine Arbeiten sehr langsam reifen und feilte unab-
lässig; daher läßt sich vermuten, daß ein bedeutender
Teil von ihnen nahezu druckreif von ihm hinterlassen
worden ist. Wie weit die Arbeiten für seine projektierten
Hauptwerke, kritische Bearbeitungen der Eremitagegalerie
und der Bilderschätze in den Kaiserlichen Palais, die er wie
kein anderer kannte, vorgeschritten waren, entzieht sich noch
der Beurteilung, da er selbst nicht über den Stand seiner
Arbeiten zu sprechen pflegte; nur wenigen Freunden war
es bekannt, daß er aus Archiven und Museen ein außer-
ordentlich umfangreiches historisches und kunstkritisches
Material dafür gesammelt hatte. Als der Zeitpunkt gekommen
schien, daß er an die Publikation seiner Forschungsergebnisse
gehen wollte, riß ihn ein tragisches Schicksal hinweg.
Vielleicht, daß sein Nachlaß der Öffentlichkeit Kunde geben
wird von seiner Kapazität als Gemäldekenner, die alle,
die mit ihm persönlich verkehrten, zu schätzen wußten.
Doch vielleicht mehr noch als den Gelehrten schätzte
man in Neustrojew den liebenswürdigen und überaus
wohlwollenden Menschen. Als solchen mußten ihn seine
Kollegen und die zahlreichen jüngeren Beamten der Eremi-
tage, die er für den Galeriedienst zu schulen gehabt hat,
besonders lieb gewinnen. Nach vielen Seiten hin ist der Ver-
lust unersetzlich, den die Kaiserliche Eremitage und ihre
Beamten durch den Hingang des Gelehrten und Kenners,
des Freundes und Kollegen erleiden. -chm-

Der Historienmaler Julius Frank, einer der ältesten
Münchener Künstler (geboren am 11. April 1826), verschied
am i. Mai infolge eines Automobilunfalles. Franks Vater
war ebenfalls Maler und hatte sich besonders um die
Technik der Glasmalerei hochverdient gemacht. Der Sohn
wurde in der Schule von Schraudolph groß und hat in
früheren Jahrzehnten mancherlei tüchtige historische Fresken
geschaffen; die Hofkirche in München, sowie auch die
Schlösser in Neuschwanstein und Chiemsee z. B. sind mit
Arbeiten von Frank geschmückt. Der Künstler war viele
Jahre Präsident des Vereins für christliche Kunst.

Ein Baukünstler, der mehr als ein anderer die öffent-
liche Meinung in den letzten Jahren erregt hatte, hat sein
Leben beschlossen. Der Oberbaurat Professor Karl
Schäfer ist am 5. Mai in Halle, 64 Jahre alt (geboren am
18. Januar 1844 zu Kassel), gestorben. Seit Schäfer für die
Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses eingetreten
ist, war sein Name zu einem Streitruf geworden. Von
diesem Kapitel seiner Tätigkeit abgesehen, galt Schäfer
für einen der vorzüglichsten Lehrer und für einen ungemein
begabten Architekten. Das erste Feld seines Schaffens
 
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